NS-Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft 1939-1945

Monografie
30. November 2021
Klaus-Dieter Müller /Dietmar Wendler

Im November 2021 ist eine neue Studie zu einem zentralen Komplex der NS-Politik erschienen: dem System des Zwangsarbeiter*inneneinsatzes in der deutschen Kriegswirtschaft. Die Autoren Klaus-Dieter Müller und Dietmar Wendler sind Mitglieder der sLAG. Die neue Studie fokussiert sich auf die sächsische Kriegswirtschaft und der Einsatz von bis zu 500.000 ausländischen Zwangsarbeiter*innen in ihr. Schwerpunkte bilden dabei die Einsatzgebiete in Industrie, Bergbau, Bau- und Landwirtschaft in den drei sächsischen Regionen Chemnitz, Leipzig und Dresden. Im Zentrum der Darstellung stehen die am schlimmsten ausgebeuteten und am schlechtesten behandelten Gruppen, sowjetische Kriegsgefangene, sogenannte Ostarbeiter*innen und KZ-Häftlinge, aber auch die Gruppe der sogenannten „Italienischen Militärinternierten“. Eingang in die Publikation haben sowohl eigene Forschungsergebnisse als auch die umfangreiche Nutzung neuer und neuester Forschungsliteratur gefunden.

In zehn Kapiteln in drei (Haupt)-Teilen geht es um Kriegswirtschaft und Ausländereinsatz im Reichsmaßstab (Kapitel 1–2), in Sachsen (Kapitel 4–7) sowie die weitere Entwicklung ab 1944/1945 mit den drei Kapiteln Repatriierung, juristische Aufarbeitung und Wiedergutmachung/Entschädigung.

Teil 1 schildert die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der deutschen Aufrüstung bis Kriegsbeginn, die Kriegswirtschaft und den beginnenden Zwangsarbeiter*inneneinsatz ab Herbst 1939 sowie schließlich in Kapitel 2 ab 1942 die Kriegswirtschaft im „totalen Krieg“ und vor allem den Masseneinsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen, sogenannten Ostarbeiter*innen und KZ-Häftlingen auf Reichsebene. Auf dem Höhepunkt der deutschen Kriegswirtschaft Mitte 1944 waren etwa acht Millionen Zwangsarbeiter*innen aller Kategorien im Einsatz. Hierbei wird auch die Verantwortlichkeit von Staat und Einsatzunternehmen bezüglich Ausbeutung, Profit und Tod der Zwangsarbeiter*innen abgehandelt.

Teil 2 thematisiert die konkreten Bedingungen des Zwangsarbeiter*inneneinsatzes in Sachsen wiederum schwerpunktmäßig für die oben genannten drei Gruppen sowie auch das Regime der Zwangsarbeit im Rahmen des NS-Repressionsapparates (Abwehrbeauftragte/Polizei/Gestapo, Möglichkeiten von Resistenz und Widerstand). Die drei regionalen Zentren Sachsens mit ihren Hauptbranchen und -firmen mit Zwangsarbeitseinsatz werden in eigenen Kapiteln abgehandelt.

Teil 3 befasst sich mit der Repatriierung von etwa zwölf Millionen Zwangsarbeiter*innen aller Kategorien mit dem Schwerpunkt sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter*innen und spannt den Bogen bis 1995, als diese Gruppen in Russland auch offiziell vom Makel der Kollaboration befreit wurden. Kapitel 9 gibt einen Überblick über Urteile der sowjetischen Besatzungsmacht und von deutschen Gerichten in Sachsen bis 1955 gegen Täter*innen aus dem Bereich NS-Zwangsarbeit. Das letzte Kapitel widmet sich dem mühsamen und unzureichenden Weg der Entschädigung von Zwangsarbeiter*innen von 1945 bis in die Gegenwart. Zeitleiste, Literatur- und Quellennachweise und Personenregister schließen den Band ab.

Die Darstellung baut insgesamt auf der Argumentation auf, dass das NS-Regime mit dem Masseneinsatz von ausländischen Zwangsarbeiter*innen keinem Masterplan folgte, sondern grundsätzlich ab Kriegsbeginn auf zunehmende Engpässe im Arbeitskräftereservoir für die deutsche Kriegswirtschaft auf NS-spezifische Weise mit einem Programm der Radikalisierung und Massenverbrechen reagierte: zunehmendem physischen Zwang bei der Rekrutierung, rassistischen Abstufungen zwischen den Gruppen sowie schließlich dem Masseneinsatz von KZ-Häftlingen zur Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft bis Kriegsende unter Einschluss jüdischer Häftlinge.

Die Publikation im Umfang von 701 Seiten mit zahlreichen Faksimiles kann ab sofort bei der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung unter der Nummer 158* bestellt werden.