"Transformationen" der Erinnerungskulturen in Europa nach 1989 (Buchrezension)

Faulenbach, Bernd; Jelich, Franz-Josef (Hrsg.):

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:.Christian Schölzel, Culture and more, München.E-Mail: schoelzel@cultureandmore.com..URL zur Zitation dieses Beitrages.http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-2-047._______________________________________________________________..Der vorliegende Sammelband basiert auf den Referaten einer 2005 in.Recklinghausen abgehaltenen internationalen Tagung, die sich der.Veränderung von Erinnerungskulturen besonders in Ost- und.Ostmitteleuropa, aber auch in Westeuropa, seit den Umbrüchen von 1989/90.annahm. Historikerinnen und Historiker aus sechs Ländern lieferten.Beiträge zu der Konferenz.[1] Der Band, der von der Stiftung zur.Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert wurde, verbindet in acht.Abschnitten mit insgesamt 24 Artikeln komparatistische und.nationalgeschichtlich fokussierte Blickweisen...In einer einleitenden Sektion befasst sich Bernd Faulenbach mit der.Fragestellung des Gesamtprojekts. Problematisch erscheint hierbei die.arbeitsökonomisch begründete Ausklammerung Südosteuropas (S. 12). Kann.man einerseits mit guten Argumenten, wie dies etwa Holm Sundhaussen.getan hat, von einer relativen Eigenständigkeit des.(erinnerungs-)geschichtlichen Betrachtungsraumes Südosteuropa.ausgehen[2], so sollte man andererseits das heuristische Potenzial.nutzen, welches beispielsweise in einer vergleichenden Sicht auf die.sich fragmentierenden multiethnischen Gesellschaften von UdSSR und.Jugoslawien und deren Erinnerungslandschaften liegen könnte...Faulenbach bietet typologisierende Sichtweisen auf Formen des Wandels.oder der Beharrung von Erinnerungsmustern, der Kontinuität respektive.Diskontinuität ihrer Träger, des Wandels oder Fortwirkens von.Repräsentationen hinsichtlich der Täter und Opfer in ihnen sowie der."clashes of memories". Beim letztgenannten Punkt verweist Faulenbach (S..19ff.) auf die umstrittene Frage, ob hinsichtlich der Erinnerung an den.Holocaust Dan Diners Unterscheidung zwischen "Regime-Verbrechen" und."nationalen Verbrechen" greife oder eher Charles Maiers Gegensatzpaar.von "heißer" und "kalter" Erinnerung. Dabei gibt Faulenbach zu bedenken,.ob sich die Erinnerung an stalinistische Verbrechen gegenüber dem.Gedächtnis an NS-Massenmorde nicht eher im Prozess einer nachholenden.Entwicklung befinde...Stefan Troebst[3] bietet in seinem ausgezeichneten, auf eine umfassende.Betrachtung Europas angelegten Text eine weiterführende Typologisierung.europäischer Erinnerungskulturen, die einerseits der These eines.homogenen europäischen Erinnerns (oder einer stringenten Entwicklung in.dieser Richtung) entgegentritt, andererseits jedoch Vergleiche am.Maßstab des Wandels und damit konstatierbare Übereinstimmungen.ermöglicht...In einer weiteren Sektion befassen sich Christoph Kleßmann, Hans-Jürgen.Bömelburg, Krzysztof Ruchniewicz sowie Claudia Kraft mit.Transformationen der polnischen Erinnerungskultur. Es folgen Aufsätze zu.Tschechien von Miroslav Kunstát, Hans Lemberg, Jiri Pesek und Michal.Kopecek, zu Ungarn von Gerhard Seewann, Éva Kovács und Krisztián Ungváry.sowie zum postsowjetischen Russland von Bernd Bonwetsch, Isabelle de.Keghel, Andreas Langenohl und Heinz Timmermann. Mit Entwicklungslinien.in Westeuropa beschäftigen sich Ulrich Pfeil und Kerstin von Lingen, die.Beobachtungen und Thesen zur französischen sowie zur italienischen.Erinnerungskultur beisteuern...Hierauf folgen Texte von Franz-Josef Jelich und Peter Reichel zum.deutschen Fall. Die Artikel von Anne Kaminsky und Annette Leo.analysieren die deutsche Erinnerungslandschaft vor dem Hintergrund.zweier Diktaturen. Kaminsky weist dabei zu Recht auf das im europäischen.Vergleich auffällige deutsche Spezifikum hin, dass die Erinnerung an.Untaten des Stalinismus und an seine Opfer stets eng mit dem Gedenken an.NS-Unrecht verklammert werde (S. 395ff.). Während Faulenbach einen.Nachholbedarf bei der Auseinandersetzung mit stalinistischem Unrecht.sieht, konstatiert Annette Leo (S. 409) eine Art ostdeutschen.Nachholbedarf im kritischen Umgang mit NS-Verbrechen. Hier lässt sich.fragen, ob der (zweifelsohne näher zu konturierende) Nachholbedarf nicht.als ein gesamtdeutsches Phänomen zu begreifen wäre, berücksichtigt man.beispielsweise, dass nicht nur in der DDR, sondern auch in der alten.Bundesrepublik - teils bewusst, teils unbewusst - Fixierungen auf.bestimmte Opfergruppen bestanden und partiell noch fortwirken.[4]..Insgesamt bietet der vorliegende Band nicht nur informative Beiträge.über nationale Erinnerungskulturen, vor allem in Osteuropa; er verknüpft.die Transformationsprozesse zum Ende des Kalten Krieges auch mit Fragen.nach Wandlungen in den jeweiligen gesellschaftlichen.Erinnerungsdiskursen. Weiterführende Erkenntnisse und Fragestellungen.ergeben sich vor allem dort, wo eine komparatistische Perspektive.eingenommen wird. Die Ergebnisse der Tagung ergänzen so die Erkenntnisse.zum Thema Erinnerung und Gedenken an die Diktaturen des 20. Jahrhunderts.in internationaler Perspektive.[5] Zugleich ventilieren die Resultate.der Konferenz Fragen wie etwa nach europäischen Ost-West-Vergleichen.nationaler Erinnerungslandschaften, der Internationalisierung von.Erinnerung und einer möglichen historischen Entkontextualisierung im.Zuge der Herausbildung vereinheitlichender internationaler.Erinnerungsmuster.[6]...Anmerkungen:.[1] Vgl. auch den ausführlichen Tagungsbericht von Christoph Thonfeld:.<http:>..[2] Sundhaussen, Holm, Was ist Südosteuropa und warum beschäftigen wir.uns (nicht) damit?, in: Südosteuropa-Mitteilungen 42 (2002), 5-6, S..93-105..[3] Vgl. zum 2006 bis 2008 laufenden DFG-Projekt "Zwischen religiöser.Tradition, kommunistischer Prägung und kultureller Umwertung:.Transnationalität in den Erinnerungskulturen Ostmitteleuropas seit.1989", das Troebst am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und.Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig leitet, seinen.Beitrag: <http:>..[4] Niethammer, Lutz, Juden und Russen im Gedächtnis der Deutschen, in:.Pehle, Walter H. (Hrsg.), Der historische Ort des Nationalsozialismus..Annäherungen, Frankfurt am Main 1990, S. 114-134..[5] Vgl. etwa Levy, Daniel; Sznaider, Natan, Erinnerung im globalen.Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt am Main 2001; Frei, Norbert; Knigge,.Volkhard (Hrsg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit.Holocaust und Völkermord, München 2002; Diner, Dan, Gedächtniszeiten..Über jüdische und andere Geschichten, München 2003; Knigge, Volkhard;.Mählert, Ulrich (Hrsg.), Der Kommunismus im Museum. Formen der.Auseinandersetzung in Deutschland und Ostmitteleuropa, Köln 2005;.Zimmermann, Moshe, Die transnationale Holocaust-Erinnerung, in: Budde,.Gunilla; Conrad, Sebastian; Janz, Oliver (Hrsg.), Transnationale.Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, S. 202-216;.Sachse, Carola; Wolfrum, Edgar; Fritz, Regina (Hrsg.), Nationen und ihre.Selbstbilder. Postdiktatorische Gesellschaften in Europa, Göttingen.2008..[6] Siehe dazu auch: Cornelißen, Christoph, Europas Gedächtnislandkarte..Gibt es eine Universalisierung des Erinnerns?, in: Frei, Norbert.(Hrsg.), Was heißt und zu welchem Ende studiert man Geschichte des 20..Jahrhunderts?, Göttingen 2006, S. 42-49.</http:></http:>