„Postscriptum - 'Ostarbeiter' im Deutschen Reich“

Ausstellungseröffnung
11. August 2022
17:00 - Uhr
Ort: Dritte Str. 4, 18609 Binz
Veranstalter: Dokumentationszentrum Prora

Die Ausstellung erinnert an die sowjetischen Frauen, Männer und Kinder, die während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit für das NS-Regime leisten mussten. 26 Millionen Menschen aus ganz Europa wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet, darunter etwa 9 Millionen aus der Sowjetunion. Nach Schätzungen leisteten 6,4 Millionen in den besetzten sowjetischen Gebieten Zwangsarbeit, weitere 2,8 Millionen wurden in das Deutsche Reich verschleppt. Diese so genannten „Ostarbeiter“ bildeten unter den 13 Millionen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen im Deutschen Reich die größte Gruppe. Gekennzeichnet mit dem Abzeichen „OST“, waren sie extrem schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhren diese Menschen in Deutschland keine Anerkennung ihres erlittenen Unrechts. In der Sowjetunion wurde es verschwiegen. Erst im Jahr 2000 entstand auf Beschluss des Deutschen Bundestags die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädigung von Zwangsarbeit. Bis 2007 erhielten knapp 1,7 Millionen Überlebende eine einmalige Zahlung zwischen 500 und 7.700 Euro. Die Hälfte der Empfänger und Empfängerinnen stammte aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Entschädigung hatte überwiegend symbolischen Charakter. Für die Betroffenen stellte sie eine wichtige, wenn auch späte Würdigung ihrer Leiden dar.


Die Ausstellung „Postscriptum“ wurde von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial Moskau erarbeitet und in Zusammenarbeit mit dem Museum Berlin-Karlshorst und dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Schöneweide nach Deutschland geholt und übersetzt.

Der Titel „Postscriptum“ steht für die Entstehungsgeschichte der Ausstellung. Im Rahmen eines Bildungsprojektes in Russland wurden mit Schülerinnen und Schülern sowie mit Studierenden anhand von sehr persönlichen Briefen, Dokumenten und Fotografien die Lebenswege ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zusammengetragen. Der Titel „Postscriptum“ bezieht sich auch darauf, dass ehemalige Zwangsarbeitende im heutigen Russland und in Deutschland eine lange vergessene Opfergruppe des Zweiten Weltkrieges waren.
Das Archiv von Memorial sammelt seit 1990 Briefe von ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die während des Zweiten Weltkrieges ins Deutsche Reich verschleppt waren. Dieser Archivbestand umfasst heute rund 320.000 Dokumente. Mit dem auf diesem Fundus basierenden Ausstellungsprojekt „Postscriptum – ‚Ostarbeiter‘ im Deutschen Reich“ ist es Memorial gelungen, einen tiefen Einblick in die Erinnerung an die Zeit von Krieg und deutscher Besatzungsherrschaft zu geben, wie sie in russischen Familien bis heute fortlebt. Daneben ist es ein nicht zu unterschätzender Beitrag, dass Memorial den sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern nach Jahren der Verdrängung und des Verschweigens eine Stimme in der russischen Öffentlichkeit gab.

Die Organisation Memorial International ist im Dezember 2021 durch ein Urteil des obersten Gerichts Russlands aufgelöst worden, da sie angeblich „systematisch“ gegen das in Russland geltende Gesetz über „Ausländische Agenten“ verstoßen haben soll. Das Urteil hat europaweit Unverständnis und Protest ausgelöst. Bei der Eröffnung wird die Gelegenheit sein, über die Entstehung der Ausstellung und die Organisation Memorial International zu sprechen
 

Programm:

Begrüßung:   Katja Lucke, Dokumentationszentrum Prora

Einführung:   Margot Blank, Museum Berlin-Karlshorst | Evelina Rudenko, Kuratorin, Memorial International