Guido Steffens

47. bundesweites Gedenkstättenseminar: Schule und Gedenkstätten - Protokoll

Bundesweites Gedenkstättenseminar: Schulen und Gedenkstätten, 28. - 30. Juni 2007 in Weilburg..AG 1: Die Entwicklung der Lehrpläne bzw. Bildungsstandards und ihre Bedeutung für die Gedenkstättenarbeit...Liebe Kolleginnen und Kollegen,..in Absprache mit der Tagungsleitung möchte ich mit meinem Beitrag einen Impuls für die Diskussion der Frage bieten, ob aus der seit einiger Zeit stattfindenden bildungs- und schulpolitischen Debatte und aus den schulpolitischen Entscheidungen, die in allen Bundesländern in der Folge von PISA getroffen wurden, Impulse für die pädagogische Arbeit in außerschulischen Lernorten – hier Gedenkstätten - gewonnen werden können, die Schulen Ermutigung finden, die Lernmöglichkeiten in Gedenkstätten stärker als bisher zu nutzen oder ob eher eine gegenläufige Tendenz zu verzeichnen sein wird, dass nämlich aufgrund der neuen schulpolitischen und curricularen Entwicklungen eher ein größere Zurückhaltung bei dem Besuch von Gedenkstätten geübt werden wird...Der Beitrag gliedert sich wie folgt:..1. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung – ihre Einbettung in ein Bündel qualitätssichernder Maßnahmen der Kultusministerien und ihre spezifische Funktion darin;..2. Begriffliche Klärungen: Bildungsstandards und Kompetenzen;..3. Die Bildungsstandards Geschichte des Verbandes der Geschichtslehrer: Wie sind sie konstruiert, welche Kompetenzen und welche Art historischen Lernens favorisieren sie; worin liegen ihre Chancen für das Lernen in Gedenkstätten, worin mögliche Gefahren für dieses;..4. Lernangebote der Gedenkstätten für den Geschichtsunterricht und die politische Bildung: Gibt es Kompetenzen, die hier besonders gut erworben werden können?..Liebe Kolleginnen und Kollegen,..wer sich die Maßnahmen anschaut, die die Kultusministerien der Länder in der Folge von TIMS und PISA ergriffen haben, um die Qualität des Schulwesens zu steigern, wird feststellen, dass ein Königsweg offensichtlich in einer Verdichtung des Lernens und in zentralen Prüfungen und Vergleichen der Schülerleistungen gesehen wird, die in nahezu allen Bundesländern eingeführt worden sind. Am Beispiel Hessens kann ich deutlich machen, wie von der Grundschule bis zum Abitur zentrale Prüfungen, Vergleichsarbeiten und Tests die Lernbiographie eines Schülers prägen:.Orientierungsarbeiten in der 3. Grundschulklasse,.Vergleichsarbeiten in den Hauptfächern in den Jahrgangsstufen 6, 8, 10 und 12, standardisierter Test als Mathematikwettbewerb in Klasse 8 mit anschließendem Ranking, landesweite, einheitliche Abschlussprüfungen an Haupt- und Realschulen.und seit diesem Jahr.zentrale Prüfungsaufgaben im schriftlichen Abitur. .Hinzu treten neue Bestimmungen, die dazu führen, dass auch in allen Nebenfächern halbjährlich ein Test geschrieben wird..Aus Bayern ist zu hören, dass für das Fach Geschichte zentrale Vergleichsarbeiten in Vorbereitung sind..Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit von 9 auf 8 Jahre in fast allen Ländern der alten Bundesrepublik belastet die Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe, hier wird durch Verdichtung des Stoffes und die Erhöhung der Wochenstundenzahlen das Jahr eingespart. In einem Alter also, in dem aus entwicklungs- und lernpsychologischer Sicht eher viel dafür spräche, das herkömmliche Lernen im Klassenzimmer zugunsten anderer auch außerschulischer Lernmöglichkeiten etwas zurückzudrängen, geschieht das genaue Gegenteil. .Unter den gegenwärtigen G8 – Organisationsstrukturen bleibt für die große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe schlicht keine Zeit mehr, um sich über die Pflichtveranstaltungen hinaus in freiwilligen schulischen AG’s zu engagieren. Darunter leiden alle Angebote: Vom Sport über die Musik bis hin zu schulischen Geschichtswerkstätten und Gedenkstätten AG’s..So ist zunächst einmal zu konstatieren: Durch eine Fülle von Maßnahmen, die den Maximen von Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit der Schülerleistungen und einem außerpädagogischen Effizienzbegriff folgen, regulieren und verdichten die Kultusministerien in der Folge von PISA die Lern- und Arbeitszeit der Schülerinnen und Schüler. Die Zeiträume für außerschulische Aktivitäten werden sehr viel enger - und unter den gegebenen Bedingungen - nach wie vor stofforientierete Lehrpläne, traditionelle, starre Stundentafeln, zunehmender Prüfungsdruck, einer Privilegierung der Hauptfächer, Unterrichtsgarantie Plus - werden die Spielräume auch innerhalb der Schule für Lernformen und Lernorte, die aufwändiger sind, die Probleme wegen Stundenausfall mit sich bringen und die auf den ersten Blick nicht unmittelbar erforderlich sind, geringer. ..Zeitknappheit und verändere schulische Lernbedingungen beeinflussen alle mit Kinder- und Jugendarbeit befassten Einrichtungen, von den Sportvereinen über die Kirchen bis hin zu Museen und außerschulischen Lernorten, auch die Pädagogen der Gedenkstätten bekommen die Auswirkungen der veränderten schulischen Bedingungen ja zu spüren. . .Dabei müsste die Umstellung auf G 8 nicht zwangsläufig diese negativen und problematischen Effekte nach sich ziehen. Wenn die Umstellung auf G 8 verbunden wäre. mit.einem neuen Lernbegriff, .einer konsequenten Entrümpelung der stoffüberfrachteten Lehrpläne,.einer Reduzierung der Pflichtfächer bei gleichzeitiger Ausweitung und Neubestimmung des Wahlpflichtunterrichts,.einer neuen Zeit- und Stundentafel,.einer Reduzierung des zentralen standardisierten Vergleichs-, Test- und Prüfungsprogramms zugunsten stärker individualisierter Prüfungen und .einer Ganztagsschule, welche die Angebote außerschulischer Lernorte konsequent in ihr Unterrichts- und Erziehungsprogramm einbezieht,.um jetzt nur einige wichtige Punkte zu nennen,.dann könnten sich neue Chancen eröffnen, die nicht nur die jetzt beklagten negativen Erscheinungen zurückdrängen könnten, sondern darüber hinaus wirklich neue Perspektiven auch für die Verbindung von schulischem und außerschulischem Lernen eröffnen...Liebe Kolleginnen und Kollegen,.verbunden mit und neben diesen bis hierin dargestellten eher technokratischen und auf Messen und Vergleichen und Verdichten konzentrierten Maßnahmen der Kultusbürokratien aller Länder entwickelte sich in der Folge von PISA eine Diskussion um „Bildungsstandards“ und „Kompetenzen“ und die curricularen Konsequenzen, die aus den ernüchternden Ergebnissen bei den internationalen Vergleichsuntersuchungen zu ziehen seien. Den Anstoß für diese auf die Unterrichtsinhalte zielende Diskussion hatten Befunde gegeben, die folgende gravierenden Mängel und Schwächen bei den Ergebnissen der gestesteten Schülerinnen und Schüler wie bei den Leistungen des deutschen Schulsystems aufdeckten:.. Ein im internationalen Vergleich sehr hoher Anteil (ca. 25%) von Schülern, der nicht über die erforderlichen Basiskompetenzen im Lesen und in Bereichen mathematisch – naturwissenschaftlichen Denkens verfügt;. deutlich unterentwickelte Fähigkeiten bei problem-, lebenswelt- und anwendungsorientierten Aufgabenformaten und beim Transfer;. große Leistungsunterschiede zwischen den Ländern der BRD;. eine extrem hohe soziale Selektivität des deutschen Schulsystems – skandalöse Benachteiligungen sozial unterprivilegierter Schichten und von Kindern mit Migrationshintergrund;. Probleme der Lehrkräfte, Lernstände und Lernschwächen ihrer Schülerinnen und Schüler zu diagnostizieren und. Lehrpläne mit nur geringer Steuerungskraft, da zu wenig ergebnisorientiert und Qualifikationen und Kompetenzen definierend...Für die KMK und die Ministerien der Länder stellen nun „Bildungsstandards“ und „Kompetenzen“ den entscheidenden Hebel dar, um über eine Verbesserung des Unterrichts zu besseren Ergebnissen bei den Schülerleistungen zu gelangen und eine Reihe der gerade dargestellten Schwächen zu minimieren..Grundlage für die Entscheidung der KMK war die in ihrem Auftrag erstellte Studie „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“, die als Klieme-Studie bekannt geworden vorschlug, über nationale Bildungsstandards verbindliche Anforderungen an den Unterricht zu beschreiben (Klieme 2003). Die Funktion der Standards wurde folgendermaßen bestimmt:..„Sie legen fest, welche Kompetenzen die Kinder und Jugendlichen bis zu einert bestimmten Jahrgangsstufe mindestens erworben habne sollen. Die Kompetenzen werden (mit Hilfe der Standards, G.St.) so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden können.“ (Klieme 2003, S. 9)..Diese als Könnensleistungen formulierten Standards („Die Schülerinnen und Schüler können wichtige Ereignisse, Entwicklungen und Strukturen sachlich korrekt wiedergeben.“) werden Kompetenzbereichen zugeordnet, welche die wesentlichen Dimensionen eines Faches beschreiben. Zusammengefasst ergeben die verschiedenen Kompetenzbereiche das Kompetenzmodell eines Faches/eines Fachbereichs. Die Bereiche werden wiederum nach Kompetenzstufen unterteilt, die bestimmte Niveaus unterscheiden. (Die in Standards unterschiedlicher Schwierigkeitsstufe ausgedrückt werden.)..„Jede Kompetenzstufe ist durch kognitive Prozesse und Handlungen von bestimmter Qualität spezifiziert, die Schüler auf dieser Stufe bewältigen können, nicht abre Schüler auf niedriegeren Stufen.“ (Klieme 2003, S. 22)..Die curricular neue Perspektive, die mit Standards und Kompetenzorientierung eingenommen wird, bestehe darin, dass im Unterschied zu den traditionellen Lehrplänen, welche die „Stoffe“ oder Unterrichtsgegenstände vorgeschrieben haben („Input-Orientierung“), nun die Ergebnisse von Lernprozessen für Jahrgangsstufen konkret und verbindlich festgelegt würden, die Überprüfbarkeit der Standards zeige, welche Kompetenzen auf welcher Niveaustufe erreicht worden seien. („Output – Orientierung“). Als nationale Bildungsstandards verpflichten sie die Schulen aller Bundesländer also auf verbindliche Ziele und wollen damit eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse, die bisher nach Auffassung der KMK nicht gegeben war, auch unter den Ländern herstellen und der geringen Steuerungswirkung der traditionellen Curricula entscheidend entgegenwirken...Während die KMK für die Fächer Deutsch, Englisch , Mathematik, Französisch, Biologie, Chemie und Physik verbindliche nationale Bildungstandards beschlossen hat sowie abschlussbezogene Anforderungen für den Hauptschul- und Mittleren Abschluss, ist es den Ländern überlassen, für die übrigen Schulfächer - also auch für die uns hier besonders interessierenden Fächer Geschichte und Politische Bildung - in Eigenregie Standards zu entwickeln. Das geschieht nach meinem Überblick in unterschiedlichem Tempo. Fragen zum Verhältnis von Standards und Curricula/Kerncurricula werden unterschiedlich gesehen, das reicht von Positionen, die staatliche Lehrpläne angesichts von Bildungsstandards und Kompetenzmodellen für obsolet halten und die Gegenstandsfragen schuleigenen Curricula überlassen wollen, über solche, die für Kerncurricula als notwendige inhaltliche Ergänzung von Qualifikationsbeschreibungen, die ja Standards und Kompetenzmodelle darstellen, plädieren, bis hin zu der hessischen Position, die einfach – zumindest zunächst – die stofforientierten überkommenen Lehrpläne neben Standards bestehen lassen will...Liebe Kolleginnen und Kollegen,..ich komme nun zu der Frage, wie die Diskussion um Bildungsstandards und Kompetenzentwicklung des Unterrichts von der Geschichtsdidaktik und dem Verband der organisierten Geschichtslehrer aufgegriffen worden ist, weil wir von diesen Positionen her vielleicht am ehesten einschätzen können, ob sich - und wenn ja welchen – neuen Herausforderungen die Gedenkstättenpädagogik wird stellen müssen...Einer der wichtigsten Didaktiker, Hans-Jürgen Pandel, hat in seiner vor zwei Jahren erschienen Schrift „Geschichtsunterricht nach PISA. Kompetenzen, Bildungsstandards und Kerncurricula“ (2005) die Bedeutung der Diskussion für den Geschichtsunterricht sehr hoch angesetzt. Ich zitiere:..„Wir stehen heute in einer ähnlichen Umbruchsituation wie in den 70 – er Jahren des 20. Jahrhunderts, als die systematischen Sozialwissenschaften den Geschichtsunterricht überflüssig zu machen schienen. Die jetzige PISA-Debatte stellt einen ebenso gravierenden Einschnitt dar. Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer können sich nicht in belanglose Debatten flüchten, sondern sie sind von Bildungsstandards und Kerncurricula unmittelbar betroffen.“ (Pandel 2005, S. 5)..Er warnt eindringlich davor, dass „die Chancen, die in der gegenwärtigen bildungspolitischen Umbruchsituation liegen, nicht genutzt werden.“ (Pandel, 2005, S.6) ..Welchen „Umbruch“ meint er und welche „Chancen“ sieht er verbunden mit der Debatte um Bildungsstandards und Kompetenzorientierung?..Pandel sieht mit dieser Debatte die Zeit gekommen, sich von einem umgangssprachlichen Wissensbegriff zu verabschieden, „der Wissen auf reproduzierbares Faktenwissen reduziert und wirk-lichem Verstehen entgegengesetzt“ sei . Darin bestehe der „archidemische Punkt der ganzen Kompetenzdiskussion“ und die Folge für den Geschichtsunterricht sei endlich, dass nicht mehr vorrangig ein Faktenlernen sondern Fähigkeiten mit Geschichte umzugehen im Mittelpunkt des Unterrichts ständen...Ja, wenn er nur recht hätte!..Und ob heute, zwei Jahre später seine Einschätzung angesichts des Verlaufs, den die Debatte genommen hat, genauso optimistisch ausfiele?..Denn es ist zumindest fraglich, um es vorsichtig zu formulieren, ob bei den Standards, Kompetenzmodellen und dazugehörenden Curricula, die von den Bundesländern entwickelt werden sich ein Lernbegriff durchsetzt, der eine Ablösung des dominierenden toten oder eingekapselten Wissens – wie Franz Weinert es nennt – darstellt zugunsten eines Kompetenzbegriffs, der kognitives Wissen mit den Fähigkeiten und der Bereitschaft zur Anwendung in gesellschaftlich relevanten Situationen verknüpft..Meine Skepsis rührt daher, dass nach meiner Beobachtung auf der Ebene der Ministerien die Bildungsstandards und die damit verbundenen curricularen Fragen ganz vorrangig unter der Perspektive der Handhabung für Tests und Vergleiche, der Mess- und Abfragbarkeit beurteilt werden und die anderen wichtigeren Dimensionen der Unterrichtsentwicklung eher in den Hintergrund geraten. Das wäre dann alter Wein in neuen Schläuchen und das noch in verschärfter Form..Zumindest besteht diese Gefahr und umso wichtiger ist es, dass entgegengesetzte Signale auch von Veranstaltungen wie dieser sehr deutlich und öffentlich gegeben werden, sich also einzumischen in die Debatte...Zurück zur Geschichtsdidaktik und ihren Beiträgen zur Kompetenz- und Standarddiskussion. Soweit ich das sehe, war es auch Pandel, der als einer der ersten ein Kompetenzmodell für den Geschichtsunterricht vorgelegt hat, das Franziska Conrad in einem Beitrag für „geschichte lernen“ wie folgt zusammengefasst hat:..Pandel unterscheidet vier Teilkompetenzen historischen Denkens.. Gattungskompetenz, u.a. die Fähigkeit, Textsorten, z.B. Verfassertexte und Quellen zu unterscheiden;. Interpretationskompetenz, d.h. „die Fähigkeit, aus diesen Gattungen historisches Wissen und historischen Sinn zu entnehmen“;. Narrative Kompetenz, d.h. „die Fähigkeit aus zeitdifferenten Ereignissen durch Sinnbildung eine Geschichte herzustellen“;. Geschichtskulturelle Kompetenz, d.h. die Fähigkeit, adäquat mit Verarbeitung von Geschichte in der Lebenswelt umzugehen. ( Franziska Conrad, Diagnostizieren im Geschichtsunterricht, Geschichte lernen 116, März 2007)..Nun hat im vergangenen Jahr der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands „Bildungsstandards Geschichte. Rahmenmodell Gymnasium 5. – 10. Jahrgangsstufe“ vorgelegt. Die Bedeutung dieses Modells muss als sehr hoch eingeschätzt werden, in allen Ländern, die derzeit an Bildungsstandards und neuen Curricula arbeiten, spielt dieses Modell eine große Rolle. Eine Rolle, die der Verband diesem Modell auch selbst zuschreibt, wenn der Vorsitzende, Peter Lautzsas, in seinem Geleitwort schreibt:..„Die hier vorgelegten Bildungsstandards ergeben, in Form eines optimierten Anforderungsprofils als Grundlage für die Lehrpläne der einzelnen Länder gedacht, zugleich ein Kerncurriculum für die Sekundarstufe I des Gymnasiums, nach dem der Lehrer unterrichten kann.“ . .Das Modell ist von einer Kommission des Verbandes, der neben Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern auch Fachdidaktiker angehörten, so ist der Einfluss von Michael Sauer unverkennbar, erarbeitet worden...Zu den Konstruktionsmerkmalen:. .In der Einführung skizzieren die Autoren das Neue an ihrem Modell. Sie hätten ein hohes Maß an Konkretheit in die Entfaltung der Kompetenzen einfließen lassen, denn es „soll deutlich werden, welche sehr konkreten Ergebnisse der Unterricht zu einem bestimmten Zeitpunkt erbringen soll.“ Diese Ergebnisorientierung unterscheide die Bildungsstandards und die in ihrem Zusammenhang entstehenden Kerncurricula von den herkömmlichen Lehrplänen und Rahmenrichtlinien. Die Standards sind eine „verbindliche Vorgabe für den Fachunterricht.“ Kompetenzen und Standards sind auf Doppeljahrgangsstufen bezogen, also für 5/6, 7/8 und 9/10 und sollen ausdrücklich am Ende jeder Doppeljahrgangsstufe „testbar“ sein..In dem 2 Kapitel werden einige Bemerkungen zum „Beitrag des Faches Geschichte zur Allgemeinbildung“ gemacht, überwiegend unstrittige und zustimmungsfähige Anmerkungen zu Stichworten wie Geschichte als „kulturelles Gedächtnis“, Geschichte und Gegenwartsdeutung, Zukunftsbezug, Wert der Fremdheitserfahrung, Erschließung von Perspektiven im „Denkfach Geschichte“, Interdisziplinarität und Geschichte und Identität bevor im 3. Kapitel der Kompetenzbegriff dargestellt und die Kompetenzbereiche des Modells knapp entfaltet werden..Danach geht es „vor allem darum, auch spezifische Formen der geistigen Auseinandersetzung mit Geschichte und der historischen Bewusstseinsbildung in Form von Kompetenzbeschreibungen zu fassen.“.In einem Kompetenzmodell werden drei Bereiche unterschieden: .. Sachkompetenz,. Deutungs- und Reflexionskompetenz und . Medien – Methoden – Kompetenz..Dabei geht es um Folgendes:.1. Sachkompetenz.Themenbezogene Sachkompetenz. Wichtige Ereignisse, Entwicklungen und Strukturen in den jeweiligen Themengebieten kennen und beschreiben. Ursachen und Auswirkungen dieser Ereignisse und Prozesse kennen. themenbezogene Daten und Namen kennen sowie themenbezogene Fachbegriffe korrekt verwenden.Orientierung in der Geschichte. einzelne Großabschnitte der Geschichte zeitlich einordnen. historische Ereignisse und Prozesse adäquat benennen, zeitlich zueinander in Beziehung setzen und die Abfolge bestimmen. historische Ereignisse und Prozesse räumlich einordnen..2. Deutungs- und Reflexionskompetenz. Konstruktcharakter von Geschichte erkennen. mit Perspektivität in der Geschichte umgehen. Fremdverstehen leisten. Veränderung in der Geschichte wahrnehmen. Gegenwartsbezüge herstellen. mit Dimensionen/Kategorien/Begriffen arbeiten. Verfahren historischer Untersuchung beherrschen. eigene Deutungen von Geschichte sprachlich adäquat umsetzen. mit Darstellungen von Geschichte kritisch umgehen..3. Medien-Methoden-Kompetenz. Quellen und Darstellungen unterscheiden. die Perspektivität von Quellen wahrnehmen. verschiedene Quellengattungen nach ihrem Aussagewert unterscheiden. mit einzelnen Gattungen von Quellen und Darstellungen adäquat umgehen. fachbezogene Lernprozesse für sich und mit anderen organisieren und reflektieren und deren Ergebnisse präsentieren..Eine Beurteilung der Bildungsstandards Geschichte des Geschichtslehrerverbandes fällt zwiespältig aus. Nach vorne weisend und für den Unterricht teilweise neue Akzente setzend sind für mich die unter den Teilkompetenzen 2 und 3 – also Deutungs- und Reflexionskompetenz und Medien-Methodenkompetenz – versammelten Standards, die als Könnenleistungen formuliert sind. Die Erschließungs- und Erarbeitungsperspektiven und –gegenstände, die sich hier finden, waren zwar in den Geschichtscurricula seit den 70er Jahren auch vorhanden, jedoch eher marginal und nachgeordnet gegenüber den dominierenden Stoffen. Nun bekommen sie einen neuen Stellenwert und könnten den von Pandel gewünschten oder angemahnten Paradigmenwechsel - weg von der Faktenreproduktion als dem Schwerpunkt des Geschichtsunterrichts hin zum Umgang mit Geschichte als neuem Zentrum des Unterrichts – stärken und forcieren..Bauchschmerzen bereiten mir dagegen die unter der Sachkompetenz aufgelisteten Standards. Hier findet eine Faktenhuberei sondersgleichen und ein fragwürdige Akzentuierung und Schwerpunktsetzung statt. Ein Beispiel aus der Jahrgangstufe 7/8:..„Die Schülerinnen und Schüler können am Ende der Klasse 8.....das Kloster als Ort vertiefter Frömmigkeit und kultureller Leistungen vorstellen, d.h. konkret:.Sie können. das Gelübde asketischen Lebens (Armut, Gehorsam und Keuschheit) der Mönche und Nonnen als Ausdruck der Frömmigkeit erklären,. die Rolle der Klöster bei der Christianisierung Europas seit der iroschottischen Mission erläutern,. auf der Basis der positiven Bewertung der Arbeit die Klöster als Kulturträger und Orte der Modernisierung von Hanfwerk und Landwirtschaft beschreiben;. die Frauenklöster als Institutionen darstellen, die den Frauen aus Adel und städtischem Patriziat Bildung, Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen und Kunst ermöglichten..Die Schülerinnen und Schüler kennen folgende Daten:. 529 Benedikt vin Nursia gründet das erste Kloster auf dem Monte Cassino, 622 Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina, 732 Schlacht bei Tours und Poitiers, 1054 Spaltung der Christenheit, 1075 Dictatus Papae, Papst Gregor VII., 1077 Gang Kaiser Heinrichs IV. nach Canossa, 1095 Aufruf zum Kreuzzug durch Papst Urban II., 1122 Wormser Konkordat .Sie können folgende Begriffe anwenden:. Gelübde, Benediktinerregel, Abt, Mönch, Nonne, Orden, Judentum, orthodoxe Kirche, Islam, koran, Kreuzfahrer/Kreuzritter, (geistliche) Ritterorden, Templer (1153).Sie kennen folgende Namen:.Mohammed, Gregor VII., Heinrich IV., Friedrich Barbarossa..Das geht in dieser Art über 11 Seiten allein für die Jahrgangsstufe 7/8! .Und wenn wir uns nun erinnern, dass diese Standards ein Kerncurriculum darstellen sollen, welches die Könnensleistungen sehr konkret beschreibt und konsequent ergebnisorientiert ist und wenn die Testbarkeit dieser Standards ausdrücklich betont wird, dann ist klar, welche Gefahren für den Geschichtsunterricht von einer so verstandenen „Sachkompetenz“ drohen. Sie alleine wird zum Lehrplan, eine Abhak- und Lernliste in Vorbereitung der zum Jahresende anstehenden Tests. ..Liebe Kolleginnen und Kollegen,.Nichtsdestotrotz. Wir finden unter den Kompetenzen und Standards eine ganze Reihe, die das Lernen in Gedenkstätten legitimieren und - mehr noch - zu deren Erarbeitung sich Gedenkstätten in ganz besonderer Weise eignen. .Hier seien stichwortartig einige aus dem Modell des Geschichtslehrerverbandes, Teilbereich Deutungs- und Reflexionskompetenz, genannt:.. Den Konstruktcharakter von Geschichte erkennen. Konkret: erläutern, dass Geschichte nicht an sich existiert, sondern erst durch die Auslegung von Überlieferungen entsteht.. Fremdverstehen leisten. Konkret: gegenwärtige und hisdtorische Wertvorstellungen und Urteilsnormen kritisch aufeinander beziehen.. Gegenwartsbezug herstellen. Konkret: Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart finden und die historische Bedingtheit heutiger Phänomene erkennen. Aus Wissen und Einsichten über die Vergangenheit Beurteilungsmassstäbe und Handlungsanleitungen für die Gegenwart gewinnen.. Mit Darstellungen von Geschichte kritisch umgehen. Konkret: Deutungen, Präsentationen und Verwendungen von Geschichte kritisch analysieren und als Sinngebungsangebot beurteilen. ..Es ist interessant, dass in dem Modell des Geschichtslehrerverbandes Gedenkstätten als außerschulische Lernorte historisch-politischer Bildung mit ihren spezifischen Möglichkeiten nicht auftauchen...Liegt das vielleicht daran, dass Geschichte als Fach der politischen Bildung in dem vorliegenden Modell auch kaum gesehen wird?..Deswegen zum Schluss zwei wichtige Aspekte, die für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in Gedenkstätten wichtig sind und die von der Gedenkstättenpädagogik in die Standarddiskussion eingebracht werden könnten: .Das ist zum einen die Aufgabe der Förderung der Empathiefähigkeit mit den Opfern nationalsozialistischer Verfolgung. Das ist zum anderen die explizit gegenwartsbezogene Aufgabe der Gedenkstättenpädagogik, nämlich die Betonung demokratischer Grundhaltungen und Umgangsformen sowie die Anerkennung von Menschenrechten und Toleranz als Grundlagen eines friedlichen Zusammenlebens..Der „Zukunftsbezug“ der Gedenkstätten ist ja das Spannendste an der Sache. .... . ... ............... ..