Arbeiten mit der Ausstellung »Einige waren Nachbarn«: Das USHMM und deutsche Partner entwickeln gemeinsam neue Holocaust-Bildungsmodelle

09/2023Gedenkstättenrundbrief 211, S. 14-26
Aleisa Fishman, Klaus Mueller und Wolfgang Schmutz

Die Ursprünge

Im Jahr 2013 eröffnete das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington, D.C. eine Sonderausstellung mit dem Titel »Einige waren Nachbarn«. Die zentrale Rolle Adolf Hitlers und anderer nationalsozialistischer Führer für den Holocaust ist unbestreitbar, aber sie waren von unzähligen anderen abhängig. Welche Rolle spielten gewöhnliche Menschen?

»Einige waren Nachbarn« zeigt anhand von Fallstudien aus dem nationalsozialistischen Deutschland und verschiedenen Teilen des besetzten Europas, dass auch gewöhnliche Menschen zu den Ereignissen beitrugen und aus einer Vielzahl von Beweggründen heraus unterschiedliche Entscheidungen trafen. Motive konnten Antisemitismus, Karriereängste, das Ansehen innerhalb der Gemeinschaft, Gruppenzwang oder die Aussicht auf materiellen Gewinn sein.

Die Ausstellung zeigt aber auch Einzelpersonen, die der Möglichkeit und Versuchung widerstanden haben, ihre Mitmenschen zu verraten, und erinnert uns daran, dass es selbst in totalitären Gesellschaften Alternativen zu Konformität, Komplizenschaft und Kollaboration gibt. Ziel der Ausstellung ist es, einfache Erklärungen in Frage zu stellen und Besucherinnen und Besucher zu ermutigen, sich intensiver mit dem Verhalten und der Verantwortung gewöhnlicher Menschen auseinanderzusetzen.

Im Jahr 2017 besuchte eine Gruppe deutscher NGOs, die sich mit Antisemitismus und anderen Diskriminierungsfragen befassen, die Ausstellung während eines einwöchigen Workshops im Washingtoner Museum.

Die deutschen Kollegen sahen den fragenorientierten Aufbau der Ausstellung als Chance, ihre eigenen Zielgruppen auf neue Weise anzusprechen, und erkundigten sich nach Möglichkeiten, »Einige waren Nachbarn« in Deutschland zu zeigen. Ihr starkes Interesse deckte sich mit dem Ziel des Museums, mit der Ausstellung gängige Holocaust-Erzählungen aufzubrechen, welche häufig zu stark vereinfachten Erklärungen dieser komplexen Vergangenheit tendieren. Zudem sollten unterschiedliche Organisationen die Ausstellung unkompliziert für pädagogische Programme nutzen können. Das Museum entwickelte eine Version mit 22 Tafeln und drei kurzen Videos für einen Einsatz außerhalb der USA.

»Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand« wurde im Januar 2019 anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust im Deutschen Bundestag eröffnet. Da die Themen der Ausstellung weit über Deutschland hinaus relevant sind, wurde sie 2020 auch im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York und über das globale Netzwerk der UN-Informationszentren in gut zwei Dutzend Ländern gezeigt. Seit Januar 2022 ist die Ausstellung an verschiedenen Orten in Polen zu sehen.

Partner

Die Ausstellung trifft weiterhin auf starkes Interesse vieler verschiedener Partner aus ganz Deutschland, die das Museum in seinen Bemühungen unterstützen, die Ausstellung nicht nur zu zeigen, sondern auch Bildungsprogramme für Schülerinnen und Schüler vor Ort zu entwickeln. Unseren Partnern gefällt, dass die Ausstellung nicht nur die großen Ereignisse betrachtet, sondern sich auf das persönliche Leben Einzelner konzentriert. Das Konzept der »Nachbarn« ist für alle verständlich und interessant. Der Titel »Einige waren Nachbarn« legt den Fokus auf Nachbarschaften und darauf, wie Nachbarn im Nationalsozialismus reagierten. Das rückt Geschichte näher an das eigene Zuhause, die eigene Umgebung heran, wirft schwierige Fragen auf und bietet Anlass zu Diskussionen. Das Museum hat verschiedene Partner gesucht, um zu erfahren, wie unterschiedliche Zielgruppen die Ausstellung aufnehmen, und um gemeinsam ein pädagogisches Modell zu entwickeln, das vor Ort auf Interesse stößt. Wir wollen herausfinden, wie das Publikum in städtischen oder ländlichen Gebieten, aus dem Osten oder Westen des Landes auf das Material reagiert, ob der Ort der Ausstellung eine Rolle spielt und ob die Größe der Partnerinstitutionen einen Unterschied ausmacht. Bislang hat das Museum mit mehr als 40 Standorten in zehn deutschen Bundesländern zusammengearbeitet.[1] Zu unseren Partnern zählt der Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, der das Programm an mehr als 20 Museen, Gedenkstätten und Archive in Nordrhein-Westfalen vermittelte. Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. – organisierte Ausstellungen in Sachsen-Anhalt, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in der Bibliothek Gardelegen und im Landtag von Magdeburg.

Der Deutsche Städtetag knüpfte für uns Verbindungen zu Rathäusern im ganzen Land. Die Ausstellung wurde in nationalen Gedenkstätten gezeigt, wie beispielsweise der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, dem Haus der Wannsee-Konferenz und dem Prora-Zentrum. Auch die Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung in Wiesbaden zeigte sie auf ihrem Campus. Die Deutsche Botschafterin in den Vereinigten Staaten, Emily Haber, stellte uns die damalige Vorsitzende der Kultusministerkonferenz Stefanie Hubig (KMK) vor, die wiederum den Kontakt zur Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und ihrer Gedenkstätte KZ Osthofen in Rheinland-Pfalz vermittelte. Die langjährigen Beziehungen des Museums zum Deutschen Hygienemuseum in Dresden führten uns auch nach Sachsen. Dies sind nur einige unserer Partner.

Die überaus positive Resonanz und die geografische Verbreitung der Ausstellung wurden durch die Unterstützung des Bundestages und des Deutschen Städtetages sowie durch Ministerpräsidenten, Kultusministerien und Antisemitismusbeauftragte in mehreren deutschen Bundesländern mit ermöglicht.

Seit der Anfangsphase ist der Aufbau enger Arbeitsbeziehungen zu deutschen Partnern ein zentraler struktureller Bestandteil des Programms. In jeder Phase der Arbeit findet ein intensiver Austausch statt, um auf beiderseitige Bedürfnisse einzugehen. Die produktivsten Partnerschaften entwickelten sich mit Institutionen, die das Programm für das Erreichen ihrer eigenen Ziele nutzen.

Gemeinsam erkunden wir Möglichkeiten für gegenseitiges Lernen und für die Entwicklung weiterführender Fragen, wie beispielsweise:

Wie können Pädagoginnen und Pädagogen in den USA und Deutschland das Lernen über den Holocaust besser mit lokaler und regionaler Geschichte verknüpfen?

Wie können wir unsere Herangehensweisen an die Vermittlung des Holocaust in der schulischen und außerschulischen Bildung überdenken?

Wie können wir einen partizipatorischen Lernansatz nutzen, um Besucherinnen und Besuchern zu helfen, die Ausstellung zu erkunden und sich kritisch mit potenziell schwierigen Themen auseinanderzusetzen?

Welche didaktischen und partizipatorischen Konzepte sind erforderlich, um auf die Fragen einer neuen Generation einzugehen?

Im Rahmen des Projekts arbeitet das Museum mit einem Evaluationsinstitut in Berlin zusammen, das untersucht, inwieweit die Zielgruppe auf die pädagogischen Aktivitäten anspricht, und mit Ausstellungspartnern über ihr Feedback spricht. Die Evaluation konzentriert sich auf zwei Bereiche.

Erstens: Werden Lernergebnisse durch die pädagogischen Aktivitäten erreicht, welche die Ausstellung begleiten? Dabei sollen junge Menschen zunehmend:

1  die Vorstellung hinterfragen, dass der Holocaust ausschließlich die Schuld von Hitler und seiner engeren Gefolgschaft war (mit anderen Worten: Voraussetzung für den Holocaust waren die Mittäterschaft und Gleichgültigkeit gewöhnlicher Menschen);

2  verstehen, dass eine Reihe von Handlungen möglich war und auch erfolgte; und

3  erkennen, dass verschiedene Motivationen und Zwänge die Menschen zu unterschiedlichen Verhaltensweisen veranlassten.

Zweitens: Welche Erfahrungen machen unsere Partner mit der Ausstellung und dem Bildungsprogramm? Haben unsere Partner den Eindruck, dass beide dazu beitragen, das Publikum auf neue Weise anzusprechen? Auch wenn das Projekt und die Evaluierung noch laufen, deuten die Zwischenberichte darauf hin, dass die durch das Museum angestrebten Ergebnisse erreicht werden. Informationen aus den Zwischenberichten sind in diesem Essay enthalten.

Entwicklung eines pädagogischen Modells

In Zusammenarbeit mit Thomas Köhler, pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter und zweiter stellvertretender Leiter am Geschichtsort Villa ten Hompel[2] in Münster, entwickelten wir das partizipatorische Lernmodell weiter, um begleitend zur Ausstellung pädagogische Ressourcen zu erstellen. Mit seiner großen Erfahrung in der Wissensvermittlung des Themas Nationalsozialismus gegenüber deutschen Jugendlichen und staatlichen Angestellten (öffentliche Verwaltung, Polizei, Feuerwehr, Justiz, Bundeswehr) arbeiteten Köhler und sein pädagogisches Team über mehrere Monate in Präsenz- und Online-Workshops eng mit dem Museum zusammen. Ziel war es, Techniken zu entwickeln, zu verfeinern und einzuüben, um Besucherinnen und Besucher einzubinden und ortsspezifische pädagogische Aktivitäten für junge Menschen in Deutschland zwischen 14 und 25 Jahren zu konzipieren. Für Köhler bedeutet die Ausstellung eine Erweiterung seines Fokus von »gewöhnlichen Menschen« im Polizeidienst in der Nazizeit auf die »gewöhnlichen Staatsbürger«. Gemeinsam mit der Villa ten Hompel haben wir eine Reihe von Aktivitäten erarbeitet, die im Zusammenhang mit der Ausstellung angeboten werden, außerdem einen methodischen Rahmen für diese Aktivitäten, der es anderen Partnern ermöglicht, sie an ihre Bedürfnisse anzupassen. Dieses Gesamtpaket bezeichnen wir als das »Pädagogische Modell von ›Einige waren Nachbarn‹«.

Das pädagogische Modell ermutigt die Besucher und Besucherinnen, sich mit den Fragen der Ausstellung und den dort gezeigten Fotos auseinanderzusetzen. Bei seiner Entwicklung haben wir gemeinsam mit unseren deutschen Partnern ausgelotet, welche Teile der Ausstellung für eine deutsche Zielgruppe schwierige und komplexe Fragen aufwerfen und Raum für kritisches Denken schaffen. Wie können wir beispielsweise eine Gruppendiskussion zur zentralen Frage »Wie kam es zum Holocaust?« ermöglichen, die über die Rolle von Hitler und führenden Nationalsozialisten hinausgeht, und sich einer breiteren Perspektive von Verantwortung und Schuld stellt? Bei diesem Ansatz geht es weniger um die Suche nach einer endgültigen, einvernehmlichen Antwort; vielmehr halten wir die Auseinandersetzung mit dieser Frage und die Diskussion und Debatte unter den Besucherinnen und Besuchern für lohnenswert und wichtig. Der vor kurzem vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld veröffentlichte Forschungsbericht Multidimensionaler Erinnerungsmonitor (MEMO) stellt fest, dass die Befragten den Anteil der Täter und Täterinnen in der deutschen Bevölkerung als relativ klein und den Anteil der Opfer und Helfer als relativ hoch einschätzen. Noch deutlicher zeigen sich diese Verzerrungen in Bezug auf das Wissen um die Beteiligung ihrer eigenen Vorfahren.

In der Zusammenarbeit mit Rundgangsleiterinnen und Moderatoren erkunden wir gemeinsam, welche Ansätze eine offene partizipatorische Auseinandersetzung ermöglichen, in der ein persönlicher Lernprozess erfolgen kann. Bei diesem Ansatz werden junge Zielgruppen aufgefordert, sich damit zu beschäftigen, inwiefern die Ereignisse des Holocaust und die Beteiligung gewöhnlicher Menschen daran für sie relevant sind. Unsere Kolleginnen in der Gedenkstätte KZ Osthofen haben festgestellt, dass die Jugendlichen anhand der in der Ausstellung gezeigten konkreten Alltagsbeispiele von Ausgrenzung und persönlicher Bereicherung besser verstehen lernen, »wie es zum Holocaust kommen konnte«. Die Studierenden erkennen selbst, dass solche Verhaltensweisen auch heute noch existieren und nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt sind. Die Moderatorinnen berichten, dass sie »nicht die Frage stellen müssen: ›Weshalb beschäftigen wir uns 90 Jahre später mit diesem Thema?‹, da die Ausstellung für sich selbst spricht«.

Implementierung der pädagogischen Aktivitäten

Um unser pädagogisches Modell umzusetzen, haben wir eine Auswahl möglicher Aktivitäten entwickelt, die Besucherinnen und Besuchern an jeden Standort angepasst angeboten werden können. Hierzu gehören eine Filmdiskussion, eine Fotoanalyse, ein Rundgang und ein Workshop.

Weil uns bewusst ist, dass jede neue Generation ihre eigenen Fragen einbringt und die Auseinandersetzung mit dem Holocaust herausfordernd und komplex ist, sprechen wir die Studierenden zu Beginn eines Programms mit drei Fragen an: 1) Wie war der Holocaust möglich? 2) Welche Rolle spielten gewöhnliche Menschen dabei? und 3) Weshalb haben Ihrer Meinung nach so viele Menschen mitgemacht? Oft gehen viele Besucherinnen und Besucher davon aus, dass gewöhnliche Menschen wenig Spielraum für persönliches Handeln hatten und nicht wussten, was vor sich ging, oder zu viel Angst hatten einzuschreiten. Wir überprüfen diese Annahmen anhand eines Videos mit historischem Filmmaterial aus der Ausstellung, das ein junges Paar zeigt, welches im Dorfzentrum öffentlich dafür an den Pranger gestellt wird, da es nach den damaligen Gesetzen eine sogenannte »gemischtrassische« Beziehung führt. Der Film über dieses sehr öffentliche Spektakel zeigt die Beteiligung einer großen Gruppe von Menschen, von denen fast niemand eine Nazi-Uniform trägt.

Fotoanalyse

Unser pädagogischer Ansatz soll eine kritische Denkweise der Studierenden fördern. In moderierten Gruppendiskussionen sind die Teilnehmenden die treibende Kraft, wenn es darum geht, die Bedeutung der historischen Ereignisse durch eine genaue Betrachtung der Bilder herauszuarbeiten. In »Einige waren Nachbarn« betrachten wir das fotografische Beweismaterial als aussagekräftige und primäre Quelle. Die gemeinsame Analyse der Fotos bewirkt bei den Studierenden ein besseres Verständnis dafür, wie die Ereignisse und die Beteiligung der gewöhnlichen Menschen bis heute bei uns allen nachwirken. Die Studierenden zeigen besonders großes Interesse für die zahlreichen Fotos in der Ausstellung, und dieses Interesse führt zur gemeinsamen Entwicklung der Fotoanalyse.

Die Gedenkstätte KZ Osthofen in Rheinland-Pfalz ist ein wichtiger Partner bei der Umsetzung der Fotoanalyse als pädagogischer Methode, wie Martina Ruppert-Kelly, pädagogische Leiterin der Gedenkstätte, erklärt: »Der Fokus liegt darauf, was sich zusätzlich auf einem Foto erkennen lässt, und nicht nur darauf, wohin sich der Blick ohnehin schon richtet.« Inspiriert von »Einige waren Nachbarn«, untersucht die Gedenkstätte Osthofen ihr eigenes Material zielgerichtet auf Abbildungen von Mitläufern und »Nachbarn« und bringt die neuen Fragestellungen bei der Fotoanalyse verstärkt in bereits bestehende Programme vor Ort ein (zusätzlich zu »Einige waren Nachbarn«). Dieser Ansatz hat sich auch bei der Arbeit mit Zielgruppen, die Lernschwächen aufweisen, als überaus fruchtbar erwiesen. Das pädagogische Team Osthofen berichtet, dass die gemeinsame Arbeit mit den Fotos allen Teilnehmenden, unabhängig von ihren Vorkenntnissen, die Beteiligung am Prozess ermöglicht. Das Ergebnis ist mit einem Puzzle vergleichbar: Ein großes Ganzes entsteht aus vielen kleinen Beiträgen. Unter den Studierenden muss niemand Angst haben, wegen seines mangelnden Wissens diskriminiert oder vorgeführt zu werden.

Das vom Museum beauftragte externe Team bewertet die pädagogischen Aktivitäten an den verschiedenen Standorten. Die Bewertung zeigt, dass die Arbeit mit primären Quellen – Fotos wie auch Filmmaterial – erheblich zum Erfolg beiträgt. Die Studierenden finden es relevanter, sich in gemeinsamen Gesprächen mit der Analyse des Foto- und Filmmaterials zu beschäftigen und ihre Beobachtungen, Emotionen und Gedanken beim Betrachten eines Bildes mit den anderen Teilnehmenden zu teilen, als sich das Material beschreiben und erklären zu lassen, wie es bei einer herkömmlichen Führung der Fall ist. Zudem ermöglicht es die Fotoanalyse den Studierenden, historische Akteure als Individuen wahrzunehmen und zu einem besseren Verständnis für die Auswirkungen von Entscheidungen zu gelangen.

Die Tatsache, dass ortsbezogenes Quellenmaterial verwendet wird, hilft den Studierenden dabei, eine persönliche Relevanz, Tragweite und Bedeutung in diesen historischen Ereignissen zu erkennen.[3] In Krefeld führte die Villa Merländer als Reaktion auf die Bedingungen in der Corona-Pandemie ein neues Format ein, bei dem die Studierenden, ausgerüstet mit historischen Fotos und Beobachtungsaufgaben, verschiedene Orte in der Stadt auf eigene Faust entdecken konnten. Was sich im Hinblick auf die Bedeutung der Lokalisierung von Geschichte zeigt, ist, dass sich die Studierenden – trotz des Wissens, dass Juden aus Deutschland deportiert wurden – nicht bewusst sind, dass auch in ihrer eigenen Stadt und an ihrem eigenen Bahnhof Deportationen stattgefunden haben.

Lokalisierung

In Halle schlug unser örtlicher Partner Miteinander vor, dass lokale Historiker und Mitarbeitende der Gedenkstätte Roter Ochse als ergänzendes Programm zur Ausstellung einen Rundgang durch die Umgebung anbieten. Auch in Magdeburg wurden solche lokalhistorischen Rundgänge angeboten. Die in den Rundgängen vermittelte lokale Geschichte stieß bei den Teilnehmenden auf starkes Interesse und machte die in der Ausstellung präsentierte Geschichte für sie noch relevanter. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen integrieren wir den örtlichen Rundgang in unser pädagogisches Modell, indem wir »Einige waren Nachbarn« konkret mit der Geschichte des jeweiligen Ausstellungsstandorts verknüpfen. Die Kombination eines Besuchs der Ausstellung mit einem Besuch der historischen Stätten in der unmittelbaren Umgebung ermöglicht es den Teilnehmenden, die Auswirkungen vor Ort zu ergründen. Jeder Standort erarbeitet dabei das lokale pädagogische Material und einen für die lokale Zielgruppe maßgeschneiderten Ansatz. Wenngleich die konkreten Programme von Ort zu Ort variieren, helfen die pädagogischen Aktivitäten den jungen Erwachsenen, die Implikationen und Gefühle zu verarbeiten, die bei der Betrachtung der schwierigen Tatsache aufkommen, dass gewöhnliche Menschen in ihrer eigenen Stadt am Holocaust mitschuldig wurden. Sie ermöglichen auch eine Diskussion über die Reaktionen und die mögliche Beteiligung ihrer eigenen Familienangehörigen.

In Münster beispielsweise besaß die jüdische Kaufmannsfamilie Feibes vor dem Zweiten Weltkrieg ein Kaufhaus an der Salzstraße. Heute befindet sich in dem neu errichteten Gebäude an einer der beiden zentralen Straßen in der Fußgängerzone von Münster die Filiale einer Bekleidungskette. Inmitten dieser Alltagsatmosphäre sprechen die Moderatorinnen mit den Teilnehmenden über die Geschichte des Standorts. Ausgehend von den Ereignissen des Novemberpogroms 1938 verliest die Moderatorin einen Auszug aus einem Interview mit der Münsteranerin Mechthild von der Horst aus dem Jahr 2014, die ihre Erinnerungen als 7-jähriges Mädchen beschreibt:

»Ach so, als das – diese Kristallnacht war … Mein Bruder war auch auf der Schule, und was hat der gemacht? Da war ein Geschäft Feibes, wo sie alles kurz und klein geschlagen haben, und Sachen auf der Straße, da kam der an mit ’nem – mit dem Fahrrad war der zur Schule natürlich – mit ’nem Vogelkäfig! […] Und das war meinen Eltern sehr unangenehm, nicht! Und er hat sich gar nichts dabei gedacht, nicht, der lag auf der Straße! Und hat den mitgenommen! Nicht? […] Ich weiß, dass meinen Eltern das unangenehm war, denen kam das so wie klauen vor, nicht.«[4]

In Zweier- oder Dreiergruppen sprechen die Teilnehmenden über die potenziellen Beweggründe, weshalb der Junge sich entschloss, den Vogelkäfig mitzunehmen, und weshalb seine Eltern diese Handlung als Diebstahl angesehen haben könnten. Wie hat er die Atmosphäre und die Menschen in seiner Umgebung am Tag nach der Pogromnacht im November wahrgenommen? Was an der Situation vermittelte ihm, dass es vermutlich akzeptabel war, den Vogelkäfig einfach mitzunehmen? Weshalb scheint es seine Schwester heute immer noch zu beschäftigen, dass es sich um Diebstahl handelt? Was bedeutet es, dass der Vogelkäfig niemals zurückgegeben, sondern im Keller der Familie aufbewahrt wurde?

Die Einbeziehung ortsbezogener Erzählungen und Fotos spielt auch in anderen Städten und in den pädagogischen Programmen der Ausstellungspartner eine wichtige Rolle. Viele Partner organisieren lokale Führungen, kombiniert mit Ausstellungsbesuchen.[5] Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Villa Merländer in Krefeld stellen fest, dass die Verbindung von lokalen Ereignissen, Denkmälern und Gedenktafeln mit der Ausstellung – und die Konzentration auf die Beteiligung und Reaktionen gewöhnlicher Menschen – den Schülerinnen und Schülern trotz der zeitlichen Distanz seit dem Ende des Holocaust Anknüpfungspunkte und Relevanz für das Thema bietet. Studierende, die die Ausstellung besuchen, sind überrascht, dass die Ereignisse des Holocaust tatsächlich in der Nähe ihres Wohnortes stattgefunden haben: »alles hier in der Nähe passiert ist. Und das hat dann nochmal gesessen! Man weiß, man steht auf einem Grund und genau hier hat sich etwas Schlimmes zugetragen und nicht weit weg in Berlin, sondern genau hier!«[6]

Das Team des NS-Dokumentationszentrums Rheinland-Pfalz/Gedenkstätte KZ Osthofen geht bei der Lokalisierung noch einen Schritt weiter und entwickelt eine Ergänzung zur Ausstellung, indem es lokalhistorische Fotos von Ereignissen in Rheinland-Pfalz sammelt, die es unter dem Titel »Für jeden sichtbar …« auf eigenen Ausstellungstafeln zeigt. Wir begrüßen diese Erweiterungen der Präsentation von »Einige waren Nachbarn«, da sie sowohl die Institution als auch die Besucherinnen und Besucher darin bestärken, über die Relevanz der lokalen Geschichte nachzudenken.

Workshop-Aktivität

Die Beschäftigung mit dem Verhalten gewöhnlicher Menschen wirft Fragen zu persönlichem Handeln, Verantwortlichkeit und den Beweggründen auf, die dem Verhalten zugrunde liegen. Bei einer weiteren pädagogischen Aktivität, einem moderierten Workshop, beschäftigen sich die Studierenden in kleinen und unabhängigen Gruppen damit, weshalb und wie Einzelpersonen innerhalb von Gruppen zu den Ereignissen beitrugen und deren Entwicklung beeinflussten, weil sie als Teil einer größeren Öffentlichkeit agierten. Dieser moderierte Ansatz rückt die Handlungskompetenz, die kritische Analyse und die Fähigkeit der Teilnehmenden in den Vordergrund, ihre Erkenntnisse aus mehreren Quellen zu beziehen. Die Studierenden sind in der Lage, sich ein Bild über die Vergangenheit zu machen und basierend auf den Erkenntnissen Thesen aufzustellen. Auch wenn die Moderatorinnen hier auf ihre traditionelle Vermittlungsrolle verzichten, übernehmen sie dennoch einen wichtigen Part, indem sie Fragen stellen und zu Gesprächen auffordern.

Die europäische Dimension

Die zuvor erwähnte paneuropäische Dimension von »Einige waren Nachbarn« stellt sowohl einen Vorteil als auch eine Herausforderung dar. Sie bietet mehrere Einstiegspunkte in die Geschichte, die unsere Partner hilfreich finden, um Besucherinnen und Besucher zu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Geschichte zu konfrontieren. Für Vermittler und Pädagoginnen in Deutschland hingegen stellt diese paneuropäische Dimension bisweilen eine Herausforderung dar, wenn sie mit der Geschichte des Holocaust in anderen Ländern weniger vertraut sind. Aus diesem Grund konzentrieren sie sich bei ihrer Arbeit eher auf die Beispiele aus dem Deutschlandteil der Ausstellung. Bei einem Multiplikatorentreffen an einem Gymnasium in Ingelheim (Rheinland-Pfalz) demonstriert eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen jedoch eine Möglichkeit, die Zusammenhänge zwischen deutschen Tätern, ukrainischen Hilfstruppen und jüdischen Opfern anhand eines Fotos aus Tschernigow zu untersuchen. Mit Hilfe kritischer Analyse und unter Bezugnahme auf den historischen Kontext können sie untersuchen und diskutieren, wie sich drei Gruppen einander in dem Moment vor der Vollstreckung wahrgenommen haben könnten.

All dies wirft eine Reihe von Fragen auf, die noch nicht geklärt sind: Wie lässt sich sowohl die deutsche als auch die europäische Verantwortung darstellen; was waren die Beweggründe und Zwänge, die Handlungen veranlassten; worauf soll die Betonung liegen; und welche Fragen hinsichtlich unserer kollektiven Erinnerung und Sinnstiftung stehen hier zur Debatte?

Vorbereitung der Vermittler

Das Museumsteam veranstaltet »Multiplikatorentreffen« für lokale Pädagoginnen und Pädagogen an den Ausstellungsorten. Dazu fanden und finden innerhalb der Bundesländer und auch länderübergreifend virtuelle und persönliche Treffen statt. Die Multiplikatorentreffen sind ein Schlüsselelement der Kommunikation und geben unseren Partnern die Zeit und den Raum, das Projekt mit uns zu entwickeln. Die Meetings helfen uns, die verschiedenen und komplexen Herausforderungen der unterschiedlichen pädagogischen Umfelder, in denen unsere Partner tätig sind, besser zu verstehen und mehr über ihre lokale und regionale Arbeit zu erfahren. Das Format der Multiplikatorentreffen – gemeinsame Diskussion und partizipatorisches Lernen – spiegelt das Format des pädagogischen Modells wider und bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, die verschiedenen Formen des Engagements zu praktizieren und darin Sicherheit zu gewinnen.

Unsere Partner der Aktion Zivilcourage e.V. in Pirna berichten uns, dass die Ausstellung »selbst bei den Pädagoginnen, die seit Jahren oder Jahrzehnten mit dem Holocaust arbeiten, neue Emotionen und Gedanken auslöst. In dieser Ausstellung geht man nicht einfach zum nächsten Bild weiter, man blättert nicht einfach eine Seite um, sondern man bleibt lange bei einem Bild stehen, sieht genauer hin und blickt in die Gesichter der Menschen von damals. Es ist wichtig, dass die Moderation diese emotionale Bedeutung fühlen und bewältigen kann, um sich in eine eher neutrale Position zu begeben, und so den Teilnehmenden erlauben kann, diese Bedeutung zu erleben und aus ihrem neuen Wissen Erkenntnisse zu gewinnen.«

Die nächsten Schritte

Es ist ungewöhnlich, dass die Institution, die eine Wanderausstellung konzipiert hat, so eng mit den ausstellenden Institutionen zusammenarbeitet und gemeinsam die Bildungsprogramme entwickelt, die Lernende und Besucher unterstützen. Diese Anstrengung war auch ein Erfolg, weil das gesamte Programm ein Lernprozess ist. Das Museum bietet den deutschen Kolleginnen und Kollegen nicht einfach eine Wanderausstellung oder ein pädagogisches Programm an, sondern konzentriert sich auf die Entwicklung eines Lernmodells für alle, die mit der Ausstellung arbeiten. Durch die Entwicklung des Projekts mit den deutschen Partnern erfährt das Museum, welche Elemente der Ausstellung sie interessant und relevant finden.

Die regelmäßige Kommunikation mit den Partnern vermittelt dem Museum ein besseres Verständnis dafür, was die Ausstellung vor Ort interessant macht. Darüber hinaus stellt die Ausstellung Fragen zur Rolle und Verantwortung gewöhnlicher Menschen und Nachbarn, die nach dem Eindruck zahlreicher Partner in den Schulen oder in weiten Teilen des öffentlichen Diskurses über diese Zeit nicht hinreichend behandelt werden. Dies spiegelt sich auch in den jüngsten deutschen wissenschaftlichen Studien zur Einstellung der 16- bis 25-Jährigen gegenüber der Nazi-Zeit wider.[7] Die Zeit scheint reif, um derartige Gespräche über die Verantwortung gewöhnlicher Menschen im Holocaust zu führen.

In Kürze werden das Museum und mehrere deutsche Partner ein neues strukturelles Konzept in das Gesamtprogramm aufnehmen, das wir als Bildungsdrehscheibe bezeichnen. Eine »Drehscheibe« ist ein Netzwerk aus Institutionen, die das pädagogische Modell von »Einige waren Nachbarn« innerhalb ihres Bundeslandes fördern. Jede Drehscheibe wird von einem Partner geleitet – einer Institution, die bereits mit der Ausstellung gearbeitet hat. Durch Schaffung solcher »Drehscheiben« versuchen wir, die innovativen und erfolgreichen Elemente des Ausstellungs- und pädagogischen Modells innerhalb des jeweiligen Bundeslandes oder der jeweiligen Region an andere Bildungsinstitutionen weiterzugeben. Zurzeit arbeiten wir in vier deutschen Bundesländern mit Partnern zusammen: Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Jede »Drehscheibe« hat eine Ausgabe der Ausstellung erhalten, um sie zu Ausstellungszwecken zu verleihen. Die Partner arbeiten mit den ausleihenden Institutionen zusammen, um teilnehmerzentrierte pädagogische Modelle umzusetzen. Darüber hinaus entwickeln alle »Drehscheiben« zusätzliche Aktivitäten und Angebote, die sie in ihrer Region für relevant halten. So erfuhren beispielsweise die Villa ten Hompel und die Villa Merländer von Partnern, dass ein digitaler Pool aus lokalen Fotos und Erzählungen hilfreich wäre, den Veranstaltungsorte für ihre Zielgruppen im Kontext mit der Ausstellung verwenden. Daraufhin schlossen sich die Beiden zusammen, und erhielten auf Antrag Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen für die Erstellung eines digitalen Pools und die Erarbeitung von Tutorials und anderen Ressourcen. Die Datenbank bietet Vorschläge und Anregungen für mögliche neue Ausstellungsorte.

Mit Beginn der nächsten Phase des Projekts und der Arbeit dieser Zentren wollen das Museum und seine wichtigsten deutschen Partner prüfen, ob und inwieweit eine nationale oder föderale Institution oder Organisation das neu entstehende Netzwerk aus Einzelpersonen und Institutionen unterstützen könnte, um »Einige waren Nachbarn« und dessen pädagogisches Modell zu nutzen.

 

Dr. Aleisa Fishman, Historikerin am U.S. Holocaust Museum, leitet das Museumsprogramm für internationale Ausstellungen und Bildungsprogramme, darunter die Ausstellung »Einige waren Nachbarn«. (afishman@ushmm.org)

Dr. Klaus Mueller arbeitet von Berlin aus als Europabeauftragter des USHMM an den Kernthemen des Museums: Holocaust-Dokumentation und -Vermittlung, Antisemitismus und Genozidprävention. Klaus entwickelt neue Partnerschaften für Bildungsinitiativen des Museums und seine Wanderausstellungen in Europa und arbeitet seit 2019 an »Einige waren Nachbarn« in Deutschland. (kmueller@ushmm.org)

Wolfgang Schmutz, Pädagoge, arbeitet als freiberuflicher Berater für Bildungsarbeit zu Nationalsozialismus und Holocaust. Er unterstützt das USHMM und seine Ausstellungspartner bei der Entwicklung, Anwendung und Verbreitung des Bildungsmodells zu dieser Wanderausstellung in Deutschland.

 

[1]    Diese Bundesländern sind: Nordrhein-Westfalen (21 Standorte), Rheinland-Pfalz (9), Sachsen (6), Sachsen-Anhalt (3), Berlin (2), Hessen (2), Thüringen (2), Bayern (1), Hamburg (1) und Mecklenburg-Vorpommern (1)

 

[2]    Im Holocaust wurde die Villa ten Hompel von der Schutzpolizei (Ordnungspolizei) genutzt und diente als Hauptquartier für das heutige Gebiet von Nordrhein-Westfalen und die Gegend rund um die nahegelegene Stadt Osnabrück (damals Wehrkreis VI) sowie Teile von Belgien.

 

[3]    Evaluation von »Einige waren Nachbarn« im Prora-Zentrum auf der Insel Rügen durch Camino, eine Werkstatt für Praxisbegleitung und Evulationsforschung. Die Daten wurden im August/September 2021 erfasst.

 

[4]    Interview mit Mechthild von der Horst in der Villa ten Hompel: »Mein Bruder und der Vogelkäfig von Feibes und die Reaktion der Familie.«

 

[5]    Gisela Küster von der Gedenkstätte Zellentrakt in Herford nutzt das pädagogische Modell darüber hinaus zur Entwicklung von Leitfragen zu ihrer neuen Ausstellung über die örtliche jüdische Gemeinde (»1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«) und dem begleitenden pädagogischen Programm. Dort finden kombinierte Rundgänge durch die Ausstellung und die Umgebung statt.

 

[6]    Camino-Bericht aus Prora.

 

[7]    Fast zeitgleich mit unserem Projekt führten drei Organisationen Befragungen von 16–25-Jährigen zu ihrer Einstellung gegenüber der NS-Zeit durch. Jede Studie liefert wichtige empirische Daten als Basis für unsere Diskussionen zur Bildungspädagogik. Die drei Studien, die unabhängig voneinander (und selbstverständlich auch vom Museum) durchgeführt wurden, lauten:

      »Die Gen Z und die NS-Geschichte: hohe Sensibilität und unheimliche Faszination«, durchgeführt durch das Rheingold Institut, in Auftrag gegeben durch die Arolsen Archives

      Multidimensionaler Erinnerungsmonitor (MEMO) des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld

      »Antisemitismus im Kontext Schule (Berlin): Deutungen und Umgangsweisen von Lehrer*innen an Berliner Schulen« und »Antisemitismus im (Schul-)Alltag: Erfahrungen und Umgangsweisen jüdischer Familien und junger Erwachsener«, durchgeführt durch das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)

      Jede Studie stellt ein starkes Interesse dieser Geburtsjahrgänge an der NS-Zeit sowie einen engen Zusammenhang zwischen der NS-Zeit und den aktuellen Herausforderungen der heutigen Gesellschaft fest. Die Besonderheiten und Ziele der jeweiligen Studien führen zu unterschiedlichen Erkenntnissen und liefern denjenigen, die bestehende und neue pädagogische Instrumente untersuchen, wichtige Details. Die Arolsen-Studie unterscheidet zwischen Befragten mit und ohne Migrationshintergrund und gehört zu den ersten, die detailliert aufzeigen, wie Letztere den Holocaust betrachten. Die MEMO-Studie stellt fest, dass die Befragten den Anteil der Täter und Täterinnen in der deutschen Bevölkerung als relativ klein und den Anteil der Opfer und Helferinnen als relativ hoch einschätzen und dass sich diese Verzerrungen in Bezug auf das Wissen um die Beteiligung ihrer eigenen Vorfahren noch deutlicher zeigen. Die ZWST-Studien zeigen die Notwendigkeit, antisemitische Vorfälle in Schulen zu verstehen, sowie den Bedarf an Schulungen, um die pädagogisch verantwortlichen Lehrerinnen und Lehrer zu stärken. Insgesamt zeigen diese Studien den wichtigen größeren Kontext unseres Projekts »Einige waren Nachbarn« sowie dessen Relevanz auf.

 

English Version: Working with the Exhibition "Some Were Neighbors": USHMM and German Partners Co-Create New Holocaust Educational Models