Coalition for Pluralistic Public Discourse – Erinnerungskultur plural denken

03/2024Gedenkstättenrundbrief 213, S. 33-39
Coalition for Pluralistic Public Discourse

Seit wenigen Jahren verzeichnet der Begriff der Pluralen Erinnerungskultur starke Konjunktur in Deutschland. Dabei stellen die über den Begriff sichtbar gemachten Prozesse keineswegs neue Phänomene dar.[1] Worauf aber bezieht sich eine Plurale Erinnerungskultur? Welche Parameter kommen zum Tragen, welche Ressourcen können aktiviert, welche Formate umgesetzt werden, um Erinnerungskultur im Sinne pluraler Anliegen zu denken und neu zu gestalten?

Wer Gegenwart und Zukunft im Sinne der Pluralität von Gesellschaften gestalten will, muss die Vergangenheit neu erzählen – diese Überzeugung steht im Zentrum der Arbeit der Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD). Das Programm von DialoguePerspectives e.V. wirkt seit 2021 in den erinnerungspolitischen Kontext hinein und setzt sich für die Verankerung einer pluralen Erinnerungspraxis in Deutschland ein.

 

Gesellschaft und Pluralität

Pluralität lässt sich nicht unabhängig der europäischen Nationenbildungsprozesse im 19. Jahrhundert denken: Im europäischen Kontext wurden Nationen als homogene Gemeinschaften politisch konstruiert. Auch wenn diese vereinheitlichten Gemeinschaften nie de facto existierten, war die Behauptung ihrer Homogenität doch eine »funktionierende Fiktion«, die individuelle wie nationale Identität intrinsisch und wirkmächtig miteinander verknüpfte – Differenz wurde unter dem Mantel der »Nation« erfolgreich sekundarisiert.[2] Durch die europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, durch die Teilung Europas in Ost und West, durch sozio-ökonomische Entwicklungen, globale Konflikte und Globalisierungsprozesse wurde die Idee von Nation und nationaler Einheit zunehmend brüchig.

Pluralität ist heute zu einem »unhintergehbaren Faktum«[3] in europäischen Gesellschaften geworden. Pluralität bezeichnet dabei ein Grundkonzept, das sich auf Vielfalt und Diversität in unseren Gesellschaften bezieht. Als stets erweiterbare Bezugskategorien des Pluralen fallen hierunter zum Beispiel nationale Herkünfte, verschiedene Sprachen, soziale Verortungen, politische und gesellschaftliche Positionen, historische Erfahrungen und Narrative, kulturelle Einbettungen und Ausdrucksformen, religiöse Lebenspraxen und Überzeugungen, Geschlechtsidentitäten, sexuelle Orientierungen sowie physische und psychische Behinderungen. Darüber hinaus bilden Pluralismus und Pluralität zentrale Elemente von Demokratie ab: Sie sind im deutschen Grundgesetz verankert und sind auch eine Antwort auf die massive und folgenschwere Aufhebung demokratischer Rechte während der nationalsozialistischen Herrschaft.[4]

Obgleich Pluralität in Deutschland seit Jahrzehnten de facto existiert und rechtlich verankert ist, wird weiterhin eine große Diskrepanz im Umgang mit dieser Vielfalt sichtbar – diese Diskrepanz liegt in einer tief verankerten Pluralitätsinkompetenz in europäischen Gesellschaften begründet, die Diversität häufig als zu bewältigende Herausforderung problematisiert und oberflächlich am Beispiel von Migrations- und Fluchtbewegungen verhandelt.[5] Das ist insofern nicht verwunderlich, da die plurale Gesellschaft die homogenisierenden Strukturprinzipien der Nation umkehrt: Pluralisierung führt zu einer tiefgreifenden Infragestellung ehemals etablierter, nationaler Vorstellungen von Identität.[6] Dabei löst diese Infragestellung Abwehrreaktionen hervor, die sich in den vergangenen Jahren immer stärker in Form rechtsnationalistischer Überzeugungen manifestieren, die am Konstrukt gesellschaftlicher Homogenität festhalten. In einer pluralen Gesellschaft stehen jedoch verschiedene Identitätsentwürfe und Lebenserfahrungen mit unterschiedlichen Bezugspunkten zu Nation und Vergangenheit nebeneinander. So beschreibt die Philosophin Isolde Charim Pluralisierung passend als einen Prozess, der grundlegende Veränderungen hervorbringt: »Die Pluralisierung de-territorialisiert alle. […] Sie verändert unsere Zugehörigkeiten, also die Art, wie wir der Gesellschaft angehören. Aber sie verändert auch unsere eigene Identität«[7].

Beim Umgang mit Pluralität wird also eine differenzierte Betrachtung notwendig: Die Dynamiken, die gesellschaftspluralen Entwicklungen unterliegen, bedürfen stets auch ihrer sensiblen Vermittlung, um Polarisierung zu vermeiden und nicht kontraproduktiv als »Angriffe« auf gesellschaftliche und individuelle Identität gewertet zu werden. Dieser Prozess berührt verschiedenste Ebenen staatlichen wie zivilgesellschaftlichen Handelns: Von bildungspolitischen Implikationen bis hin zu kulturpolitischen Konsequenzen und einer Umkehr des bisher bestehenden Integrationsnarrativs – Menschen, die nach Europa kommen, müssen nicht in eine homogene Konstruktion integriert werden. Es muss vielmehr gefragt werden, wie sich unsere Gesellschaften verändern können, um dynamische Impulse aufzunehmen und als Teil der eigenen dynamischen Identität zu begreifen.

 

Plurale Erinnerungskultur im Fokus

Auch die deutsche Erinnerungskultur tritt seit einigen Jahren als zentraler Schauplatz von Pluralisierungstendenzen auf. Da die Frage, wer wie und an was erinnert, das nationale Selbstverständnis betrifft, kann auch die Beschäftigung mit Erinnerungskultur diskursiv zu Frontenbildungen führen, die an der bereits gelebten Vielfalt und Realität unserer Gesellschaft vorbeigehen.[8] Plurale Erinnerungskulturen können dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, indem sie einen inklusiven, nicht integrativen Zugang zur Verhandlung von Identität einfordern: Die Geschichte, Geschichten und Erfahrungen verschiedener Gemeinschaften helfen, das Gefühl der Zugehörigkeit und Identifikation aller Mitglieder einer Gesellschaft zu stärken. Gleichzeitig ermöglichen diese, die eigene Geschichte neu zu kontextualisieren und so die Funktion von Erinnerung innerhalb von Gesellschaften zu stärken. Das kann jedoch nur gelingen, wenn alle Teile der Gesellschaft am dynamischen Prozess der Identitätsfindung über Erinnern partizipieren können und so Raum für das Nebeneinander von Geschichte(n) geschaffen wird – ohne Konkurrenz und im Bewusstsein ihrer Einzigartigkeit. Mit Blick auf Deutschland und Europa, wo das Erinnern an die Shoah immer neu verhandelt wird und werden sollte, ist plurales Erinnern ein Schlüssel zur Stärkung, Dynamisierung und Aktualisierung des Erinnerns: Durch die Stärkung der Funktion von Erinnerung in Gesellschaft macht es diese auch resilient gegenüber Relativierung und Revisionismus.

Gerade in Anbetracht der umkämpften Identitätsfragen in unserer Gesellschaft kann ein pluraler Blick in die Vergangenheit für unser Handeln in der Gegenwart leitend sein: Erinnern fordert stets eine kritische Reflexion über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wer heutzutage von einer pluralen Erinnerungskultur spricht, zeigt also auf, dass alternative, ungehörte, vergessene Erzählungen in das »Wir« einer Gesellschaft einfließen müssen. Eine plurale Erinnerungspraxis verweist damit auf die Kontingenz in der Entstehung dominierender Erinnerungsnarrative sowie auf die Möglichkeit, Vergangenheitsdiskurse aktiv mitzugestalten.[9] Und um die Gestaltung einer gelingenden Gegenwart und Zukunft geht es der CPPD bei der Stärkung der Funktion von Erinnerung in unserer europäischen Gesellschaft; denn in der Arbeit mit Erinnerungskultur liegt die Basis für einen neuen Zusammenhalt, der alle Stimmen der Gesellschaft ernst nimmt.

 

Als Leitlinien und Bedingungen einer pluralen Erinnerungskultur möchten wir daher folgende, erweiterbare Faktoren formulieren:

Plurale Erinnerungskulturen sind gekennzeichnet durch ihre inhärente Dynamik, ihren Prozesscharakter und ihre Verhandelbarkeit. Die Vielfalt unserer Gesellschaften befindet sich stets in Veränderung und trägt eine Vielfalt an Menschen, die sie ausmachen, eine Vielfalt an Erfahrungsmomenten, die in ihr abgebildet sind und eine Vielfalt an Positionen, die sich in ihr formen. Hinzu kommt eine stetig aktualisierte und sich aktualisierende Vielfalt an historischem wie kulturellem Wissen, das unsere Kenntnisse vertieft und unseren Blick multipositional werden lässt.

Die Einsicht über den politischen Gehalt und die Politisierung von Erinnerungskultur ist für die Arbeit an einer pluralen Erinnerungskultur ausschlaggebend. Erinnerungskultur enthält Deutungen von Geschichte, eine Interpretation von Gegenwart, Visionen von Zukunft sowie Identitätsangebote. Sie wird explizit genutzt, um bestimmte Gruppen und Perspektiven sichtbar zu machen. Dabei werden andere Gruppen und Sichtweisen ausgeschlossen. Erinnerungskultur und das kollektive Gedächtnis bilden deshalb auch einen Raum, der von Machtverhältnissen geprägt ist. Eine Analyse zeitgenössischer Erinnerungskultur und -praxis besitzt auch eine Aussagekraft über die Verfasstheit unserer Demokratie und ermöglicht es, auf Herausforderungen und Probleme in der deutschen Gesellschaft hinzuweisen.[10]

Eine plurale Erinnerungskultur bringt eine Pluralisierung der Erinnerungsakteur*innen, -ereignisse und -themen mit sich. Durch eine Vervielfältigung von Identitätsangeboten in unseren Gesellschaften, durch emanzipatorische Kämpfe, durch ein sich zunehmend ausprägendes postmigrantisches Selbstverständnis, durch Erfahrungen von Flucht und Migration, pluralisieren sich die Erinnerungsakteur*innen und mit ihnen erinnerungspolitische Themensetzungen.[11] Eine plurale Erinnerungskultur ist für diese Themen und Akteur*innen offen, nimmt sie ernst und arbeitet traumasensibel. Sie schafft Räume des Vertrauens für Betroffene und wendet sich von selbstreferenziellen oder rein repräsentionalen Zwecken ab. Sie veranlasst zudem eine Vernetzung zwischen Zivilgesellschaft, Praxisfeldern, Politik, Kunst und Wissenschaft.

Der Umgang mit einer pluralen Erinnerungskultur setzt voraus, Ressourcen von Erinnerung und kollektivem Gedächtnis in der jeweiligen Erinnerungslandschaft zu kennen und mit diesen zu arbeiten. Dafür bedarf es eines Verständnisses über die unterschiedlichen Anforderungen, die von Politik und Zivilgesellschaft ausgehen. Zudem wird eine Pluralisierung der Erinnerungsressourcen angestrebt, z.B. durch partizipative Bedarfserhebungen, durch Berichterstattung in den Medien, durch eine verbesserte Förderinfrastruktur, durch die Erhebung wissenschaftlicher Studien, durch gezielte Lobbyarbeit, etc. So können neue, partizipative Ansätze für die Gestaltung einer pluralen Erinnerungskultur entwickelt werden, die konkrete Umsetzungsstrategien verfolgen und nicht ausschließlich im Konzeptstatus verbleiben.

Wer sich auf eine plurale Erinnerungskultur einlässt, zeigt eine Bereitschaft zu Komplexität, Multiperspektivität und zur Neuverhandlung des Wir als ein Wir der Vielfalt. Diese Bereitschaft positioniert sich aktiv gegen das Silencing von marginalisierten Vergangenheits- und Gegenwartsnarrativen. Eine plurale Erinnerungskultur hält nicht am Status quo fest, sie trägt eine Bereitschaft zum Hinterfragen der eigenen erinnernden Positionalität. Plurale Erinnerungskulturen stärken sich gegenseitig. Verschiedene Geschichtserzählungen werden nicht hierarchisierend und ausschließend bewertet, sondern in ihrer Gleichzeitigkeit und Erweiterung verstanden. Sie relativieren nicht, sondern setzen in Kontext. Sie schaffen Räume der Solidarität, in denen auch Widerspruch und Unversöhnliches Platz findet.[12]

 

Beispielprojekte der CPPD

Die oben genannten Ansätze spiegeln sich in verschiedenen Formaten der CPPD und werden hier vorgestellt. Über eine kollaborative Netzwerkstruktur von rund 65 Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen werden im Rahmen der Netzwerkarbeit der CPPD vielfältige aktivistische, wissenschaftliche und künstlerische Perspektiven von Erinnerungskulturen sichtbar und miteinander verbunden. Vernetzt werden dabei u.a. die erinnerungspolitischen Anliegen von Sinti*zze und Rom*nja und zahlreicher weiterer Communities, plural-jüdische, postkoloniale und rassismuskritische Diskurse sowie migrantisch-diasporische und queer-feministische Perspektiven. Damit steht die CPPD für die Wende von einer identitätspolitischen wie monokulturell ausgerichteten Erinnerungskultur zur Anerkennung pluraler europäischer Gesellschaften und vielfältiger Erinnerungskulturen.

 

Ausstellungsprojekt: Dynamic Memory Lab

Das Dynamic Memory Lab ist ein temporäres Ausstellungsprojekt, um verschiedene Dimensionen pluraler Erinnerungskulturen sichtbar zu machen. Einem offenen Laborcharakter folgend entwickelt das Dynamic Memory Lab seine Inhalte explorativ und reagiert als räumliche Intervention auf die Dynamik von Erinnerungskulturen. Das Projekt ist prozessgeleitet, erweiterbar, veränderbar – wie Erinnerung selbst. Es schafft einen Ort der Vermittlung und Anerkennung individueller Geschichten und historischer Ereignisse, die im erinnerungspolitischen Diskurs oft zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Die erste Ausstellung wurde in Kooperation mit RomaTrial e.V. und unter der Kuration von Hamze Bytyçi am 2. August 2023 auf dem Gelände der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin zum Thema »Codes of Memory in Sinti*- und Roma*-Communities« eröffnet. Ausgangspunkt war der Internationale Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti* und Roma*. 2024 wird das Dynamic Memory Lab an verschiedenen Standorten in Deutschland und Europa aufgebaut und erweitert.

 

Veranstaltungen: Konferenzen, Vernetzungstreffen, Beratung

Die CPPD veranstaltet Konferenzen, die aktuelle Fragestellungen, Herausforderungen und Erkenntnisse zu erinnerungspolitischen Themen aufgreifen. Das Jahr 2024 steht unter dem leitenden Thema Memory Matters. Dieses bezieht sich sowohl auf die zentrale Bedeutung von Erinnerungskulturen für unsere europäische Gesellschaft als auch für die einzelnen Referenzpunkte unseres Erinnerns. Konkret bedeutet das Jahresmotto, die Bedeutung von Erinnerungskulturen weiter in der Wissenschaft, den Künsten, im öffentlichen Diskurs und den Künsten in Europa zu stärken. In Netzwerktreffen und Barcamps kommen die Mitglieder aus dem CPPD-Netzwerk sowie weitere erinnerungspolitische Akteur*innen wie Institutionen, Projekte und Initiativen zusammen und schaffen interdisziplinäre Synergien und Anknüpfungspunkte in vielfältigen Erinnerungsdiskursen. Darüber hinaus brachte die Veranstaltungsreihe »Past Perfekt« 2023 vielfältige künstlerische Perspektiven zur Erinnerungskultur in Kulturveranstaltungen zusammen, bestehend aus Lesungen, Konzerten und Diskussionen. Die CPPD berät zudem Institutionen und vermittelt Erkenntnisse aus der Arbeit der CPPD sowie Methoden zur Förderung pluraler Erinnerungsformen.

 

Datenerhebungen: Umfrage zu Pluralen Erinnerungskulturen

Von August bis Oktober 2023 führte die CPPD in Kooperation mit dem House of Participation des FZI Forschungszentrum Informatik der Universität Karlsruhe eine Online-Umfrage zu Pluralen Erinnerungskulturen durch. Die Ergebnisse wiesen eindeutig auf das Potenzial von Erinnerungskultur hin, einen Beitrag zur Entwicklung von Gesellschaften zu leisten. So kann Erinnerungskultur Bereiche wie Demokratisierung und Partizipation fördern und konstruktive Kritik am Status quo der Erinnerungslandschaften üben – in Deutschland und darüber hinaus. Aufholbedarf identifizierten die Befragten insbesondere in einem Themenspektrum aus deutschem Kolonialismus, rassistischen Anschlägen nach 1990 sowie antisemitischen Anschlägen nach 1945. Die Umfrageergebnisse manifestieren zudem einen hohen Mitgestaltungswillen der Umfrageteilnehmenden im Rahmen von Aktivitäten rund um eine plurale Erinnerungskultur.

 

Öffentlichkeitsarbeit: Gesprächsreihe, Pluralistischer Gedenkkalender und Podcast

2023 setzte die CPPD die digitale Gesprächsreihe »Gegenwart erinnern« mit Expert*innen aus Kunst, Kultur, Journalismus, Aktivismus und Politik um. Die sieben entstandenen Kurzvideos fokussierten Konfliktregionen und ihre Beziehung zu Erinnerung und wurden am Beispiel der Kontexte Deutschland, Ukraine, Sudan, Afghanistan und Israel und der Situation der der Jesid*innen konkret. In den Gesprächen gingen die Expert*innen explorativ auf die vielfältigen Fragen rund um das Erinnern von Gegenwart ein. Der Plurale Gedenkkalender der CPPD umfasst Beiträge zu erinnerungspolitischen Ereignissen und stellt sie in den Kontext pluralen Erinnerns. Als Online- und Printprojekt wird er über das Jahr fortlaufend aktualisiert, ist prozesshaft und unabgeschlossen. Im Podcast »Erinnerungsfutur« berichten Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen in regelmäßigen Abständen über ihre Perspektiven auf Erinnerungskulturen in Deutschland und Europa. Die Folgen sind auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar.

 

Hintergrund

Die CPPD ist ein Programm von DialoguePerspectives e.V., der europäischen Plattform zur Stärkung der pluralen Gesellschaft. Unter dem Dach von DialoguePerspectives e.V. werden impact-orientierte zivilgesellschaftliche Programme entwickelt und realisiert, die sich mit drängenden Themen der Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung auseinandersetzen. DialoguePerspectives e.V. leistet einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Verständigung und Zusammenarbeit, zur Stärkung und Verteidigung der europäischen Zivilgesellschaft und zur Gestaltung eines pluralen, demokratischen und solidarischen Europas.

 

Künstlerischer Kurator der CPPD ist der Lyriker und Publizist Dr. Max Czollek, Johanna Korneli und Jo Frank leiten das Programm gemeinsam mit den Referentinnen Angela Mani und Lea Otremba.

 

Website: dialogueperspectives.org/cppd | Instagram: @cppd_dialogueperspectives_

Podcast: ERINNERUNGSFUTUR

 

[1]    Efsun Kızılay betont am Beispiel von migrantischen Gruppengedächtnissen in Deutschland die langfristig bestehenden Kämpfe für die Anerkennung pluraler Geschichten und Erinnerungen: »Trotz zahlreicher rassistisch motivierter Anschläge und Jahrzehnten voller Angriffe wird der Rassismus aus der allgemeinen Erinnerungskultur der Bundesrepublik weitgehend ausgeklammert; er ist nicht Teil des öffentlichen Bewusstseins. Hingegen ist der Rassismus samt seiner historischen Verwurzelung und Ausprägung Teil einer kollektiven migrantischen Erinnerung.« Efsun Kızılay: Mölln, NSU, Hanau – Rechtsterror, Kontinuität und deutsche (Nicht-)Erinnerung, in: Jürgen Zimmerer (Hg.): Erinnerungskämpfe. Neues deutsches Geschichtsbewusstsein, Stuttgart 2023, S. 496.

 

[2]    Isolde Charim: Ich und die Anderen. Wie die neue Pluralisierung uns alle verändert, Wien 2022, S. 14ff.

 

[3]    Siehe Charim, S. 29.

 

[4]    Naika Foroutan: Die Postmigrantische Gesellschaft. Ein Versprechen der pluralen Demokratie, Bielefeld 2021, S. 32ff.

 

[5]    Foroutan beschreibt Migration dabei als »Chiffre für Pluralität […], in deren Ablehnung sich gleichermaßen die Abwehr weiterer pluraler Lebensentwürfe bündelt«. Die eigentliche Konfliktlinie verlaufe dabei aber eigentlich entlang einer »Aushandlung und Anerkennung von Gleichheit als zentralem Versprechen der modernen Demokratien« (Foroutan, S. 13f).

 

[6]    Charim, S. 44.

 

[7]    Charim, S. 36.

 

[8]    Zur weiterführenden Rolle der Erinnerungskultur in diesem Kontext siehe Max Czollek: Deutsche Erinnerungskultur. Vom Ausbleiben der Selbstkritik, Heinrich Böll Stiftung, 20. 12. 2023,

      www.boell.de/de/2023/12/20/deutsche-erinnerungskultur-vom-ausbleiben-der-selbstkritik.

[9]    Oliver Marchart: Das historisch-politische Gedächtnis. Für eine politische Theorie kollektiver Erinnerung, in: Ljiljana Radonić/Heidemarie Uhl (Hg.): Gedächtnis im 21. Jahrhundert. Zur Neuverhandlung eines kulturwissenschaftlichen Leitbegriffs, S. 48f.

 

[10]  Im Rahmen seiner Überlegungen zum »Versöhnungstheater«, in dem Max Czollek die »Wiedergutwerdung« der Deutschen anhand einer vermeintlich gelungenen Aufarbeitung der deutschen Geschichte beschreibt, spricht er ebenfalls von einem Auseinanderklaffen symbolischer, erinnerungskultureller Handlungen und politischer Realität (vgl. Max Czollek: Versöhnungstheater, Berlin 2023, S. 25).

 

[11]  Die zunehmende Sichtbarkeit dieser Akteur*innen und ihrer Themen ist insbesondere auf den kontinuierlichen Einsatz und die Errungenschaften von Betroffenen und Angehörigen von Rassismus, Diskriminierung und rechter Gewalt in Deutschland, ihren Verbündeten und Engagierten im Feld zurückzuführen (vgl. Kızılay, S. 498).

 

[12]  In diesem Kontext schreibt Czollek weiterführend: »Auf dem Weg zu einer pluralen Erinnerungskultur wird es daher nötig sein, Abstand zu nehmen von einem Ansatz, der die Versöhnung als Ergebnis der Erinnerungsarbeit voraussetzt. Die Gesellschaft wird stattdessen anfangen müssen, auch denjenigen zuzuhören, die genau wissen, wie viel von den Beschwörungen der Wiedergutwerdung eigentlich der Wahrheit entspricht. Diese Perspektiven werden vielen Menschen unangenehm sein […]. Aber so ist das mit einer Pluralität, die ihren Namen auch verdient« (Czollek, S. 157).