Die Anfänge des SS-Sonderlagers/KZ Hinzert: Das Polizeihaftlager

02/2011Gedenkstättenrundbrief 159, S. 15-20
Beate Welter

Historischer Überblick

Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert, 30 Kilometer von Trier entfernt in den Ausläufern des Hunsrücks gelegen, bestand in den Jahren 1939 bis 1945. Zunächst als Polizeihaftlager wurde es alsbald als eine Art »Erziehungslager« für die beim Bau des Westwall eingesetzten, im nationalsozialistischen Sinne straffällig gewordenen, Arbeiter der Organisation Todt (OT) genutzt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es organisatorisch in ein Konzentrationslager für Deportierte aus allen von der Wehrmacht besetzten Ländern umgewandelt. In diesem Zeitraum waren zwischen 13 000 und 14 000 Männer im Lager gefangengehalten und durch Zwangsarbeit ausgebeutet worden.

Erster Kommandant des SS-Sonderlagers – diese Bezeichnung taucht ab November 1939 auf – wurde der Standartenführer der Allgemeinen SS Hermann Pister am 9. Oktober 1939. Sein Nachfolger wurde im Dezember 1941 Egon Zill. Zu diesem Zeitpunkt war die Stellung des Lagers bereits aufgewertet worden. Denn zum 1. Juli 1940 war es dem Inspekteur der Konzentrationslager unterstellt worden. Eine weitere Aufwertung im KZ-System erfuhr Hinzert am 7. Februar 1942, als es auf Veranlassung Himmlers dem Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS (WHVA) zugeordnet wurde. Dies fiel noch in die Amtszeit Zills, der im April des Jahres stellvertretende Kommandant des KZ- Natzweiler wurde. Paul Sporrenberg war der dritte und letzte Kommandant des Lagers. Formal behielt das SS-Sonderlager/KZ Hinzert seine Eigenständigkeit bis zum 21. November 1944, als es in das Außenlagersystem des Konzentrationslager Buchenwald eingegliedert wurde. Jedoch ist nicht nachweisbar, in wie weit die Unterstellung auch in die Praxis umgesetzt wurde.

Dokumentiert sind in der gesamten Lagerzeit über 300 Todesfälle. Darunter fallen drei größere Mordaktionen: die Ermordung von 70 sowjetischen Kriegsgefangenen im Oktober 1941 sowie die Hinrichtung von luxemburgischen Widerstandskämpfern in der ersten Septemberwoche 1942 und am 25. Februar 1944.

Es ist davon auszugehen, dass nicht alle Opfer gefunden wurden und die Zahl der Opfer weit höher ist. Der Großteil der Verstorbenen kam durch die Lebensumstände im Lager, wie z.B. Misshandlungen durch die SS-Wachmannschaft, die mangelnde Ernährung, die fürchterlichen Arbeitsbedingungen, die unzureichenden hygienischen Zustände zu Tode.

Teile des Lagers wurden bei Luftangriffen am 31. Dezember 1944 und 22. Februar 1945 zerstört. Das Lager bestand bis zum März 1945, erst kurz vor dem Anmarsch amerikanischer Truppen wurde es teilweise geräumt und die Gefangenen auf einen Marsch mit dem Ziel Buchenwald geschickt. Es ist nicht bekannt wie viele Männer die Strapazen dieses Marsches nicht überlebten. Es ist jedoch überliefert, dass zumindest drei Gefangene auf diesem Marsch zu Tode kamen. Bekannt ist der Fall eines luxemburgischen Häftlings, der wegen Schwäche nicht mehr weiter konnte, und im rheinhessischen Heidesheim eine tödliche Spritze erhielt. In Nordhessen wurden die noch verbliebenen Häftlinge befreit.

Die Bedeutung der SS-Sonderlager für den Bau des Westwalls

Soweit der kurze Überblick über die Zeit 1939 bis 1945. Wenden wir uns nun den Anfängen des SS-Sonderlagers zu.

Bei dem Bau des Westwalls von Sommer 1938 an verpflichteten die Landesarbeitsämter rund 340 000 Arbeiter an der Westgrenze. Hinzu rechnen muss man noch Festungspioniereinheiten der Wehrmacht sowie des Reichsarbeitsdienstes (RAD) so dass man auf fast 500 000 Männer kommt, die im Arbeitseinsatz waren. Berücksichtigen muss man nun, dass diese Männer weit weg von Zuhause waren und auch in Massenunterkünften, sprich in einem Lager und in Baracken, untergebracht waren. Zudem mussten die Männer durchschnittlich 13 Stunden am Tag arbeiten und das 14 bis teilweise 21 Tage am Stück ohne einen Tag frei zu haben. Um möglichen Arbeitsniederlegungen vorzubeugen, wurde ihnen zunächst eine bessere Bezahlung gewährt und auch die Heimfahrt unterstützt. So wurden Verheirateten Heimfahrten in Abständen von zwei bis zu acht Wochen gewährt. Um der nachlassenden Arbeitsmotivation entgegenzutreten wurde die Arbeitszeit zunächst auf zwölf, später auf zehn Stunden reduziert,

Durch die Arbeits- und Unterbringungsbedingungen ergaben sich jedoch Alkoholexzesse, Schlägereien, unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz, Verspätung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einem Heimaturlaub sowie Arbeitsniederlegungen. Um diese Probleme zu beseitigen, arbeitete die örtliche Polizei mit den Sicherungsstäben der OT und den Stapostellen zusammen. Die Folge war eine Überwachung der am Westwallbau eingesetzten Arbeiter. In erster Linie Denunzierung durch Kollegen führten zu Anzeigen. Weitergegeben wurden Informationen über potentielle politische Unruheherde, partei- und staatsfeindliche Parolen oder negative Äußerungen über die Lebens- und Arbeitverhältnisse der Westwallarbeiter. Diese »Vergehen« sowie das »Bummelantentum« wurden vor Kriegsausbruch mit einer Polizeihaft von zehn Tagen bestraft, nachher erschien dies nicht abschreckend genug und es wurde mit der Einweisung in ein Konzentrationslager gedroht.

Nach Kriegsausbruch wurden massenhaft am Westwall arbeitende Männer zur Wehrmacht eingezogen, es kam vermehrt aber auch zu Arbeitsvertragsbrüchen in dem sich die Männer in ihre Heimat absetzen. Dies führte zur weiteren Verschärfung der Arbeitsbedingungen am Westwall und Bau der Autobahn.

Nun erschien den am Westwallbau beteiligten Firmen sowie der OT zum einen die Polizeihaft zur Disziplinierung als nicht ausreichend genug, zum anderen eine Einweisung in ein Konzentrationslager zu hart. Die Notarrestlokale (notdürftig eingerichtete, inoffizielle und provisorische Haftanstalten) sowie die Gefängnisse waren restlos überfüllt. Daher wandte sich der Führer der OT Heinz Todt im Herbst 1939 an SS-Führer Heinrich Himmler, mit der Bitte, ihm genügend notverpflichtetes SS-Personal als Aufseher und sogenannte Erzieher zur Verfügung zu stellen, um eigene Lager einrichten zu können. In den Nachkriegsaufzeichnungen Hermann Pisters heißt es:

»Der Bau des Westwalls verzögert sich durch schleppende Arbeitsleistung. […] Es müssen einige Lager errichtet werden, wo diese gestrauchelten zu geordneter Arbeit erzogen werden müssen. Diese Lager dürfen aber keine Konzentrationslager sein oder denen ähneln.«[1] Auf diese Weise vollzog sich ein Wandel für die Disziplinierung der Häftlinge, in dem die sogenannte Erziehung zur Arbeit durchgesetzt wurde. Es entstand das Experiment der polizeilichen Haftlager mit dem Ziel der Umerziehung im nationalsozialistischen Sinne aber auch der abschreckenden Züchtigung. Offizielle Zielsetzung der neuen Polizeihaftlager war es nicht die eingewiesenen Männer zu bestrafen, sondern im nationalsozialistischen Sinne zu erziehen. Dementsprechend wurde von den eingesperrten Männern als »Zöglingen« gesprochen. Es war auch eine deutliche Abgrenzung von »gewöhnlich Kriminellen«, denn die Männer galten als nicht vorbestraft. Mittel dieser Erziehung sollte Arbeit sein, in der wenig verbliebenen »Freizeit« im Lager eine paramilitärische Beschäftigung sowie militärisch-schikanöser Drill.

Dass SS-Sonderlager Hinzert

Das Lager Hinzert wurde 1938 als RAD-Lager für am Westwall und an der Reichsautobahn eingesetzte Arbeiter eingerichtet. Im August 1939 durch einen Brand teilweise zerstört, wurde es neu aufgebaut und erhielt die Bezeichnung »SS-Sonderlager Hinzert«. Die genauen Umstände, die zu dieser neuen Bezeichnung führten, sind noch unklar. Die ersten Dokumente mit dieser Bezeichnung datieren vom 23. November 1939. Dem SS-Sonderlager unterstellt waren eine Reihe von Polizeihaftlagern, die, entsprechend den Oberbauleitungen des Westwalls, errichtet worden waren:

Für Aachen, Bonn Düren und Gelder: Vicht

Für Trier, St. Wendel und Bitburg: Hinzert

Für Homburg, Pirmasens und Saarbrücken: Homburg

Für Bremen: Uhtlede

Zudem wurde für Reichsautobahnarbeiter in Frankenthal/Mörsch ein Polizeihaftlager errichtet. Somit hatte das SS-Sonderlager von Anfang an eine überregionale Funktion inne.

Das Lagerbuch von 1940 für das Polizeihaftlager Homburg ist erhalten geblieben. Aus ihm geht hervor, dass Gefangene auch mit der Absicht beim Westwallbau eingesetzt wurden, eine abschreckende Wirkung gegenüber den Arbeitern der Organisation Todt – als Zeichen was mit demjenigen passieren kann, der nicht im nationalsozialistischen Sinne funktioniert.

Ein anderer Arbeitseinsatz erfolgte beim Bau der Reichsautobahn z.B: bei Wittlich. In einem Schreiben an den Lagerkommandanten Hermann Pister von der am Reichsautobahnbau beteiligten Firma Christian Krutwig heißt es: »Der Einsatz Ihrer Zöglinge auf meiner RAB-Baustelle im Zuge der Westbefestigung veranlasst mich, Ihnen einen kurzen Bericht über den Arbeitseinsatz und die Leistung der Männer und deren günstige Einwirkung auf die übrigen Gefolgschaftsmitglieder zu geben, es Sie bestimmt interessieren wird. Ihrer Anforderung entsprechend wird von der Betriebsleitung strickte darauf geachtet, dass die Zöglinge in möglichst übersichtigen Gelände in geschlossenen Kolonnen bis zu 20 Mann an einer Arbeitsstelle eingesetzt werden, damit den Wachmannschaften eine Beaufsichtigung leicht ermöglicht ist. Die Leistungen der intensiven pausenlosen Arbeit bei strengster Disziplin ist unbedingt eine Erfolg Ihrer geschulten Aufsichtsbeamten, der dem Fortschritt der mir kurzfristig gesetzten Arbeit zu gute kommt. Man kann sagen, es ist bewundernswert, was der Mensch leisten kann wenn er will, in diesem Falle, wenn er zur intensiven Arbeit angehalten wird. Auf meiner Baustelle sind vorläufig 500 Männer eingesetzt […] Insbesondere ist bei den arbeitsunwilligen Gefolgschaftsmitgliedern festgestellt worden, dass sie regelmäßig zur Arbeitsstelle kommen. Bei den hier eingesetzten Zöglingen befinden sich drei frühere Gefolgschaftsmitglieder meines Betriebes, die von hier aus wegen Arbeitsunwilligkeit dem Lager Hinzert zugeführt wurden […] Ich bin jedoch überzeugt, dass im Laufe der Zeit angesichts der hier von Ihnen eingesetzten Zöglinge, sich auch diese Elemente eines besseren besinnen werden und einsehen, dass in unseren nationalsozialistischen Staate eine Faulenzer keine Existenzberechtigung hat. Denjenigen aber, die den Weg durch Ihr Lager gegangen sind, müssen Ihnen danken, dass Sie zu brauchbaren Menschen erzogen, wieder Anspruch darauf haben, in die Volksgemeinschaft aufgenommen zu werden.«[2]

Die intensive Arbeit sah übrigens folgendermaßen aus: Einteilung in drei Schichten: Schicht eins belegt mit 60 Zöglingen: Wecken um 1.30 Uhr, Abfahrt vom Lager 3.15 Uhr, Arbeiten von 5 bis 14 Uhr, anschließend Rückfahrt ins Lager und dort um 17 Uhr Essen. Die zweite Schicht war mit 100 Gefangenen belegt. Wecken war bei dieser Gruppe um 4 Uhr, Abfahrt um 6 Uhr und gearbeitet werden musste zwischen 8 und 18 Uhr. Danach Rückfahrt ins Lager und anschließend Essen. Die dritte Schicht bestand wieder aus 60 Mann die um 8 Uhr geweckt wurde, nach der Abfahrt um 10 Uhr Arbeiten von 12 bis 21 Uhr erfolgte die Rückkehr ins Lager um 23 Uhr. Zunächst wurden die »Zöglinge« immer mit Bussen vom SS-Sonderlager zu der Baustelle gebracht, um die Transportzeit einzusparen (immerhin waren dies für eine Fahrt fast 2 Stunden) wurde in Wittlich ein Außenlager gegründet, dessen Kommandant Paul Sporrenberg, der spätere Lagerkommandant war.

Die Haftzeit in den dem SS-Sonderlager unterstellten Polizeihaftlagern sollte zwischen 21 und 56 Tagen dauern, War eine Haftzeit von drei Monaten angeordnet worden, erfolgte eine direkte Einweisung nach Hinzert. Die Haftzeit dort konnte aber nach der Einschätzung des Lagerkommandanten verlängert werden. So gibt es den Fall von Alois S. (44 Jahre) aus einem kleinen Ort bei Zweibrücken, der am 14. April 1940 verhaftet und am 26. April in das SS-Sonderlager eingewiesen wurde, er kam erst am 28. Februar 1941 zur Entlassung und das auch nur wie der Lagerkommandant Pister schrieb« das SS-Sonderlager vom Reichsicherheitshauptamt übernommen wird und sämtliche von den Sicherungsstäben hier eingelieferten Zöglingen zu entlassen (sind).«[3]

Nur wenig lässt sich bisher über die Einzelschicksale der Häftlinge des SS-Sonderlagers zu seiner Frühzeit sagen, zu spärlich sind die vorliegenden Informationen: wir wissen, dass einige Gefangene bevor sie in das SS-Sonderlager eingeliefert wurden zuvor bereites in anderen Polizeihaftlagern inhaftiert gewesen waren und dass Arbeiter, die zum zweiten Mal verhaftet wurden direkt in das SS-Sonderlager eingewiesen wurden. In diesen beiden Fällen dauerte die Haftzeit zwischen sechs und zwölf Monaten.

Im Mai 1940 ist das erste Todesopfer verzeichnet. Walter Scheerer, der wegen verbotenem Arbeitsplatzwechsels und Widerstandes gegen die Staatsgewalt verhaftet wurde, am 10. Mai in das Polizeihaftlager Homburg kam und am 18. Mai in das SS‑Sonderlager überstellt wurde, kam dort zwei Tage später zu Tode. Wie es in den Akten heißt, wurde er auf der Flucht erschossen.[4]

Nach dem Westfeldzug im Mai 1940 und der Verlegung des OT-Einsatzes nach Frankreich verloren die Hinzert unterstellten Polizeihaftlager ihre Berechtigung und wurden nach und nach, ebenso wie die OT-Zentrale in Wiesbaden oder die SS-Sicherungsstäbe, aufgelöst.

In diesen Zusammenhang, als es um den Fortbestand des SS-Sonderlagers ging, ist auch der Bericht des Lagerkommandanten Hermann Pister zu sehen. Er hebt die positive Auswirkung, einen Arbeiter in ein Lager zu stecken, hervor. »Wenn in der ersten Zeit des Bestehens des SS-Sonderlagers Hinzert gegen die Unterbringung des deutschen Arbeiters in ein derartiges Lager Sturm gelaufen wurde, wird heute überall die Erziehungsmethode gelobt. Selbst Reichstatthalter, Gauleiter und Führer der DAF lehnten sich gegen das Verfahren, die deutschen Arbeiter in ein Arbeitszwangslager unterzubringen, so lange auf, bis sie sich selbst oder durch Bevollmächtigte überzeugten, dass diese Erziehung bedeutend besser ist, als monatelange Unterbringung in Gefängnissen, während die Angehörigen der öffentlichen Fürsorge zur Last fielen und die Arbeitskraft verloren ging.«[5]

Am 1. Juli 1940 wurde das SS-Sonderlager Hinzert der Inspektion der Konzentrationslager unterstellt. Die ihm unterstellten Polizeihaftlager wurden nach und nach geschlossen: Vicht, Mitte 1941, allerdings ist bereits zur Jahreswende 1940/41 keine Nutzung mehr nachweisbar, Uthlede war bereits vor der Unterstellung Hinzerts unter die Inspektion der Konzentrationslager im April aufgelöst worden, Rheinzabern im Mai, Homburg im November, wann genau das Polizeihaftlager Frankenthal-Mörsch aufgelöst wurde ist nicht bekannt.
 

Dr. Beate Welter ist seit 2005 Leiterin der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz.
 

[1] Institut für Zeitgeschichte (IfZ) NO 254

[2] Bundesarchiv Koblenz (BAK) NS4 Hi 7

[3] LA Speyer Bestand H 91

[4] LA Speyer Bestand H 91

[5] BAK NS4 Hi 2