Die digitalen Angebote des Gedenkstättenreferats

Eine Bestandsaufnahme
07/2023Gedenkstättenrundbrief 210, S. 154-159
Sven Hilbrandt

Seit 30 Jahren ist das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors eine Anlaufstelle zur Beratung und Information für Gedenkstätten und Initiativen, Kommunen und Länder, für Medien, Politik und Forschung.[1] Die Gedenkstättenlandschaft und die alltägliche Arbeit der Gedenkstätten haben sich in dieser Zeit durch die Nutzung von Computer und Internet stark gewandelt. Im Jahr 2023 bietet das Gedenkstättenreferat daher unterschiedliche digitale Angebote an, um einer Nachfrage der Gedenkstätten zu entsprechen.

 

Das GedenkstättenForum und die GedenkstättenÜbersicht

Zur übersichtlichen Darstellung des Informationsangebots setzt das Gedenkstättenreferat schon seit dem Jahr 2000 eine eigene Website, das GedenkstättenForum, ein. Als Ort des Überblicks und des Erfahrungsaustauschs hat sich seine Grundidee bis heute erhalten.[2] Die GedenkstättenÜbersicht wurde zwar bereits in ihrer Grundkonzeption als Teil des GedenkstättenForum gedacht, war aber durch Webadresse, Design und Aufbau vom Forum getrennt. Auch mit Blick auf den enzyklopädischen Charakter und den nach Ländern getrennten, verschachtelten Aufbau unterschied sich die Übersicht von der flach hierarchisierten Struktur des Forums, welches auch durch seine tagesaktuellen Nachrichten, Veranstaltungen und deutschlandweiten Stellenangebote kurze Navigationswege ermöglichte.

Mit der jüngsten Überarbeitung des GedenkstättenForums im Jahr 2020 sind beide Bereiche nun unter einer gemeinsamen URL zu finden und bieten erweiterte Informationen zu den einzelnen Gedenkstätten.[3] Diese Informationen, seien es aktuelle Nachrichten, Veranstaltungen oder Beiträge des GedenkstättenRundbriefs, sind nun direkt mit der GedenkstättenÜbersicht verknüpft. Aus der früheren, die Übersicht, die ausführliche Überblicksinformationen zu 180 Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus bot, wurde damit eine heute für Deutschland weitgehend vollständige Übersicht zu annähernd 300 Einrichtungen, die durch das Verweisprinzip laufend aktualisiert und ergänzt wird. Weltweit sind heute mehr als 750 Orte in der GedenkstättenÜbersicht eingetragen.

Teil des neuen GedenkstättenForums ist auch der Unterbereich »Gedenkstätten erklärt«, in dem grundlegende Erläuterungen zu Aufbau und Charakter der Gedenkstättenlandschaft in Deutschland gegeben und zentrale Begriffe und Fragestellungen erläutert werden, die bislang nur schwer online zu finden sind. Auch mit Blick darauf, dass die Gesamtgeschichte der deutschen Gedenkstättenlandschaft nach 1945 noch nicht geschrieben ist, erscheint der Bereich »Gedenkstätten erklärt« als ein für jeden zugängliches und erweiterbares digitales Angebot. Im Print-Bereich bietet einzig Habbo Knochs Einführung für Studierende einen vergleichbaren Ansatz.[4]

Welches Potenzial ein mögliches digitales Angebot entfalten könnte, zeigt der GedenkstättenRundbrief. Mit ihm unterhält das Gedenkstättenreferat ein im deutschsprachigen Bereich der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus etabliertes Publikationsformat.[5] Das als Sprachorgan für die Gedenkstätten konzipierte, ursprünglich nur in einer Print-Version veröffentlichte Medium erreicht über das GedenkstättenForum auf digitalem Weg inzwischen mehrere tausend Nutzende. Seine Bedeutung geht über die einfache Informationsweitergabe unter Gedenkstättenmitarbeitenden und Interessierten hinaus, indem es mit einem breiten Themenspektrum Diskussionen initiiert, begleitet und fördert.

Die Ausgaben des Rundbriefs geben einen tieferen Einblick in die heterogene Arbeit der Gedenkstätten. Durch die öffentlich zugängliche Bereitstellung auf dem GedenkstättenForum und die mögliche Volltextsuche wird dieser wertvolle Wissensspeicher für alle nutzbar und mit Blick auf das heutige digitale Arbeiten schneller verwertbar. Dabei dient der GedenkstättenRundbrief in Zeiten von Social Media und Instant Messaging eher einer tiefergehenden thematischen Auseinandersetzung.[6] Der Verweis auf Rundbriefbeiträge in Dissertationen verdeutlicht die Bedeutung auch für die wissenschaftliche Arbeit.

Die genannten dauerhaft bereitgestellten Inhalte des GedenkstättenForums werden flankiert von den werktäglich bereitgestellten Informationen über die Arbeit der einzelnen Gedenkstätten: Nachrichten, Veranstaltungen, Stellenanzeigen und Projekte.

Durch die jahrelange Kontaktpflege im analogen und digitalen Raum erreichen das Gedenkstättenreferat regelmäßig Informationen aus der bundesweiten Gedenkstättenarbeit, welche das GedenkstättenForum für eine breite Nutzerschaft zur Verfügung stellt. Für eine einzelne Gedenkstätten kann dieser Bereich des GedenkstättenForums neben den jeweils eigenen Kanälen als zusätzliche Möglichkeit der Bewerbung dienen, etwa von Veranstaltungen. Es ist überdies auf User-Seite auch eine einfache und nervenschonende Alternative zum Abonnement diverser Newsletter. Das Forum bündelt bereits viele dieser Informationen an einem Ort und speist sich zudem aus den Ergebnissen aktiver eigener Recherche.

 

Projekttätigkeiten und neue Angebote

Der Relaunch des GedenkstättenForums, die Neukonzeption der GedenkstättenÜbersicht, die Einrichtung des erwähnten Bereiches »Gedenkstätten erklärt« und die erweiterte digitale Bereitstellung des GedenkstättenRundbriefs fanden im Zuge des Bundesprogramms »Jugend erinnert« von 2020 bis 2022 statt. Das Gedenkstättenreferat verfolgte mit seinem Begleitprojekt den Auftrag, die »Unterstützung, Vernetzung und öffentliche Darstellung« von insgesamt 31 Bildungsprojekten zu fördern.[7] Es wurde die Gelegenheit genutzt, für die »Jugend erinnert«-Projekte einen digitalen Raum zu generieren, der ihnen die Möglichkeit bot, ihre Projekte im Internet zu präsentieren und sie einem größeren und breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Parallel zum »Jugend erinnert«-Programm führte das Gedenkstättenreferat das Projekt »Gedenkstättenpräsentation digital« durch. Über die Jahre wurde im Gedenkstättenreferat ein Wissen um gelungene praxisnahe Anwendungsbeispiele gesammelt, welches nun in den digitalen Raum überführt werden konnte. So wirft der neue Bereich »Digitale Vermittlung« mit kurzen, präzisen Einführungen in die dargestellten Projekte ein Schlaglicht auf die digitalen Angebote der bundesweiten Einrichtungen. Darüber hinaus entwickelte das Gedenkstättenreferat mit einer befristeten Stelle zur Begleitung und Umsetzung digitaler Vermittlungsformate eigene Angebote im Bereich der Sammlungsverwaltung und -darstellung sowie der multimedialen Präsentation.

Wie die Ergebnisse einer im Juni 2020 erfolgten Onlineumfrage verdeutlichen, werden durch Gedenkstättenmitarbeitende die Themen Wahrnehmbarkeit, Fortbildung und Vernetzung besonders nachgefragt.[8] In Reaktion darauf baute das Gedenkstättenreferat das Portal gedenkstätte-digital zur Sammlungsverwaltung und -präsentation auf[9], und erstellte eine multimediale Einführung in die Vielfalt der Gedenkstättenlandschaft in Deutschland mittels der multimedialen Storytelling-Software Pageflow[10]. Pageflow illustriert, welches Angebot das Gedenkstättenreferat im Bereich der digitalen Vermittlung bereitstellen kann: Das Gedenkstättenreferat bot Schulungen für die Entwicklung eigener Pageflows sowie auch das Hosting der fertigen Pageflows an. Der Mitarbeiter des Gedenkstättenreferats und Autor des vorliegenden Beitrags ließ sich zuvor selbst in der Nutzung der Software schulen, erstellte den erwähnten für die Öffentlichkeit bestimmten Pageflow und diente aufgrund der gewonnenen Praxiserfahrung als Ansprechpartner für andere Gedenkstätten, die die Software nach einer Präsentation, Einführung und Schulung selbstständig nutzen konnten. So sammelte das Gedenkstättenreferat auch in weiteren Bereichen wie cloudgestützter Arbeit, Social Media und der Durchführung von Onlineumfragen ein fundiertes Wissen, um es mit Kolleginnen und Kollegen in Gesprächsrunden, Workshops und Beratungen zu teilen. Damit kam das Gedenkstättenreferat seinem Kernauftrag zur Beratung und Vernetzung auch im digitalen Bereich nach.

In der Form des digitalen Fachaustausches bei einem monatlichen »Jour Fixe« mittels Videokonferenz ermöglichte das Gedenkstättenreferat den Projektträgern von »Jugend erinnert« einen Austausch zu verschiedenen für sie relevanten Themen, wozu auch Formen digitaler Arbeit gehörten. Auch ein Podcast-Workshop wurde beispielsweise angeboten. Dieser vom Gedenkstättenreferat mithilfe von Florian Kemmelmeier bereitgestellte digitale Kommunikationsraum erfuhr regen Zuspruch unter den »Jugend erinnert«-Projekten und sollte als gutes Beispiel für die Begleitung zukünftiger Projektlinien dienen.[11]

 

Der Mensch hinter der Digitalität

Nicht vergessen werden sollte, dass es auch in der digitalen Kommunikation um Menschen geht:

Digitale Angebote werden am Ende durch konkrete Menschen genutzt, auch wenn diese oft nicht face-to-face sichtbar sind. Konkrete Menschen sind zugleich nicht nur auf der Seite der Nachfrage relevant, sondern auch auf der Seite der Bereitstellung der Angebote.

Das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors hat eine in der bundesrepublikanischen Erinnerungslandschaft besondere Position, ist es doch deutschlandweit beratend und koordinierend tätig und bringt eine Expertise als Ansprechpartner der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus ein. Hinter jedem der erwähnten digitalen Angebote des Gedenkstättenreferats – seien es die Inhalte des GedenkstättenForums, die Bereitstellung neuer Software oder die digitalen Kommunikationsräume und Schulungen – stehen Menschen. Mit der temporären Erweiterung des Gedenkstättenreferats um zwei Stellen für die digitale Vermittlung und den Fachaustausch im Rahmen des Projekts »Jugend erinnert« war ein Kompetenzausbau und zugleich der Ausbau des Angebots im digitalen Bereich möglich. Die Diskontinuität nach Auslaufen der Stelle für digitale Angebote im Jahr 2022 brachte mit sich, dass über einen längeren Zeitraum wieder nur unmittelbar notwendige Entwicklungen und das Tagesgeschäft gewährleistet waren und ein deutlicher Bruch erfolgte, der die entwickelten digitalen Angebote gefährdete, ob nun gedenkstätte-digital, Pageflow, oder die technische und redaktionelle Weiterentwicklung des GedenkstättenForums. Auch wenn die Stelle zur Weiterentwicklung digitaler Angebote im Gedenkstättenreferat unlängst durch Arno Helwig neu – allerdings wiederum nur temporär – besetzt wurde, bleibt festzuhalten, dass gerade auch die digitale Kommunikation eine kontinuierliche und nachhaltige Planung erfordert.

 

Fazit und Ausblick

Das breite Spektrum der Angebote und Projekte, die das Gedenkstättenreferat seit 2020 durchgeführt hat, zeigt das künftige Potenzial des Gedenkstättenreferats auch im Bereich der Digitalisierung auf. Bei einer kontinuierlichen Stärkung der personellen Kapazität durch die Verstetigung von Stellen ließe sich das Beratungsangebot und der Wissensspeicher des Gedenkstättenreferates so zugänglich halten und erweitern, dass die dargestellte Arbeit der gesamten Gedenkstättenlandschaft zugutekommt.

Es ist das Verdienst von Thomas Lutz, den zukunftsführenden Weg des Ausbaus digitaler Angebote eingeschlagen zu haben. Auf diesem Weg in die Zukunft sind alte wie neue Kernangebote des Gedenkstättenreferats dabei: Der inzwischen 40 Jahre alte GedenkstättenRundbrief, die GedenkstättenÜbersicht und das ebenfalls vor über 20 Jahren als eine der ersten Websites im Bereich der Erinnerungskultur begründete GedenkstättenForum. Über die absehbar bleibende Relevanz dieser »Klassiker« hinaus wird das Gedenkstättenreferat sich künftig auch verstärkt der Netzwerkpflege im digitalen Bereich samt der damit verbundenen Beratungs- und Schulmöglichkeiten widmen können – entsprechende Personalausstattung vorausgesetzt.

Sven Hilbrandt ist Projektmanager für digitale Transformation an der Stiftung Topographie des Terrors. Von Juni 2020 bis Juni 2022 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Gedenkstättenreferat und dort für digitale Vermittlungsformate zuständig.

 

[1]    Detlef Garbe: Entwicklung der Gedenkstätten in Deutschland und ihre Vernetzung. Rückblick und Perspektiven. In GedenkstättenRundbrief 189 (2/2018), S. 14.

[2]    Vgl. Thomas Lutz und Michael R. Seidinger: Gedenkstättenforum im Internet, in: GedenkstättenRundbrief 94 (4/2000), S. 24–5.

[3]    Sven Hilbrandt: Eine Plattform für Gedenkstätten. Zum Relaunch des Gedenkstättenforums und der Gedenkstättenübersicht, in: GedenkstättenRundbrief 206 (7/2022), S. 45–52. [URLs ergänzen]

[4]    Vgl. Habbo Knoch: Geschichte in Gedenkstätten. Theorie – Praxis – Berufsfelder, Tübingen 2020

[5]    Vgl. Detlef Garbe: Entwicklung der Gedenkstätten in Deutschland und ihre Vernetzung. Rückblick und Perspektiven, in: GedenkstättenRundbrief 189 (2/2018), S. 11–21.

[6]    Vgl. Thomas Lutz: GedenkstättenRundbrief – in eigener Sache, in: GedenkstättenRundbrief 165 (4/2012), S. 3–4.

[7]    Siehe Florian Kemmelmeier: Von Leuchttürmen und den Mühen der Ebene. Begleitung und Vernetzung im Förderprogramm »Jugend erinnert«, in: GedenkstättenRundbrief 207 (9/2022), S. 15–25.

[8]    Siehe Sven Hilbrandt: Wahrnehmbarkeit, Fortbildung, Vernetzung. Die Ergebnisse der Digitalisierungsumfrage des Gedenkstättenreferates der Topographie des Terrors, in: GedenkstättenRundbrief 199 (9/2020), S. 22–31.

[9]    gedenkstaetten.museum-digital.de

[10]  gedenkstaettenforum.pageflow.io/gedenkstaetten-fuer-ns-opfer-in-deutschland

[11]  Vgl. Florian Kemmelmeier: Von Leuchttürmen und den Mühen der Ebene, S. 22–23.