Laut der Gedenkanstoß MEMO-Studie 2025 wollen sich mehr als ein Drittel der Befragten, besonders Studierende, in der Erinnerungsarbeit zur NS-Zeit engagieren. Die Studie zeigt auch auf, dass freiwillige Gedenkstättenbesuche besonders berührend und wirksam für dieses Engagement sind. Mehr als die Hälfte der ersten Aufenthalte in einer Gedenkstätte finden jedoch im Rahmen von verpflichtenden Schulveranstaltungen statt. Die Stärkung der außerschulischen Vermittlungs- und Bildungsangebote der Gedenkstätten ist daher von besonderer Bedeutung, um Wissen über die NS-Zeit und die Erinnerung an ihre Opfer lebendig zu erhalten.
Das vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sowie von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) finanzierte Programm JUGEND erinnert vor Ort & engagiert widmet sich dieser Aufgabe. Das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors sorgt für die Vernetzung und den Wissenstransfer der teilnehmenden Projektträger. Mit diesem Beitrag stellen wir die zwölf an Gedenkstätten und Geschichtsinitiativen organisierten Projekte von JUGEND erinnert vor Ort vor. Mehr Informationen zum Begleitprojekt des Gedenkstättenreferats sowie zu den geförderten Projekten des Programms JUGEND erinnert engagiert finden sich auf der Website GedenkstättenForum.
Zum Förderprogramm JUGEND erinnert 2019–2022
Das Förderprogramm JUGEND erinnert wurde 2018 im Rahmen des Koalitionsvertrags der Großen Koalition ins Leben gerufen. Ziel war es, Wissen zu vertiefen, historische Orte stärker in die Bildungsarbeit einzubeziehen und neue Formate für die Auseinandersetzung zu entwickeln. Das Programm entstand durch gemeinsame Bemühungen und mit finanzieller Unterstützung der BKM, des Auswärtigen Amts (AA) und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Gefördert wurden vier Bereiche:
1. Programmlinie zur Auseinandersetzung mit der NS-Zeit (BKM)
2. Programmlinie zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BKM, organisatorisch bei Bundesstiftung Aufarbeitung)
3. Internationale Programmlinie JUGEND erinnert (AA, Stiftung EVZ)
4. Gedenkstättenfahrten (BMFSFJ, Zentralstelle IBB gGmbH, ergänzt mit AA-Mitteln)
Von 2019 bis 2022 wurden im Rahmen der Programmlinie »Auseinandersetzung mit der NS-Zeit« deutschlandweit mehr als 30 Projekte gefördert. Die Projekte legten besonderen Wert auf innovative und multimediale Formate und richteten sich sowohl an Schüler:innen als auch an Zielgruppen wie u. a. Sportvereine, Auszubildende der Polizei und Feuerwehr sowie Jugendliche mit Flucht- und Migrationshintergrund. Nicht selten eröffnete die Auseinandersetzung mit der Geschichte neue Zugänge zur Gegenwart: Die Thematisierung von Zwangsarbeit warf Fragen nach heutiger Arbeitsmigration auf, Diskussionen über die Rolle der Medizin im Nationalsozialismus führten zu Reflexionen über aktuelle ethische Debatten im Gesundheitswesen, und das Lernen über Ausgrenzung in der NS-Zeit schuf einen Rahmen für den Austausch über eigene Diskriminierungserfahrungen heute.
Das Gedenkstättenreferat organisierte für die Projektbeteiligten in diesem Rahmen einen intensiven Austausch. Im kollegialen Umfeld konnten die Projektleiter:innen ihre Erfahrungen teilen sowie Lösungen für Probleme und Herausforderungen diskutieren. Florian Kemmelmeier, der Projektleiter und Organisator der Vernetzung, bot der Gruppe eine Reihe von Veranstaltungen an, die zur Vertiefung und Bereicherung der Bildungsprogramme der Projekte dienten. Trotz der Pandemieumstände traf sich die Gruppe dreimal in Präsenz, wodurch ein lebendiges Netzwerk der Akteur:innen der Erinnerungsarbeit entstand.
Zum Förderprogramm JUGEND erinnert vor Ort & engagiert (2024—2026)
2024 startete die neue Runde des Bundesprogramms JUGEND erinnert der BKM, mit finanzieller Beteiligung der Stiftung EVZ, die das Programm koordiniert. JUGEND erinnert vor Ort & engagiert besteht aus zwei Förderschienen:
1 Die Förderlinie JUGEND erinnert vor Ort richtet sich an Gedenkstätten und Geschichtsinitiativen an historischen Orten mit Blick auf deren Neu- oder Weiterentwicklung und die praktische Anwendung innovativer analoger, digitaler und audiovisueller Vermittlungsformate für junge Menschen.
2 Die Förderlinie JUGEND erinnert engagiert unterstützt Projekte der selbstbestimmten Jugendarbeit zur historisch-politischen Bildung bei der kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte und ihrer Gegenwartsbezüge.
Bis Ende 2026 realisieren zwölf Gedenkstätten und Geschichtsinitiativen und 22 gemeinnützige Organisationen – häufig in Zusammenarbeit mit einer Gedenkstätte – Bildungsprojekte für Jugendliche, die auf Kooperation, innovative Vermittlungsmethoden sowie digitale Formate und partizipative Arbeit setzen. Das Gedenkstättenreferat gestaltet die Vernetzung und Weiterbildung der Beteiligten im Rahmen des Begleitprojekts JUGEND erinnert vernetzt, das in einer Reihe von Online-Treffen, Workshops und zwei Vernetzungstreffen vor Ort besteht.
Einer der thematischen und methodischen Schwerpunkte der JUGEND erinnert vor Ort Projekte ist die Geschichte der NS-Zwangsarbeit. Durch biografische Zugänge werden hier größere historische Zusammenhänge erzählt und die Verflechtung des Lokalen mit globalen Kontexten sichtbar gemacht. Der Fokus vieler weiterer Projekte liegt auf digitaler Erinnerung im Stadtraum: Sie erstellen interaktive Kartografien von NS-Verfolgen oder entwickeln digitale Stadtrundgänge, die den urbanen Raum neu erschließen. Schließlich hat auch die Auseinandersetzung mit Musik und Kunst in und über die NS-Zeit ihren Platz unter den Projekten und dient zugleich als Ausgangspunkt für die eigene künstlerische Praxis der Jugendlichen.
Partizipation und die gemeinsame Entwicklung von Ideen, Projekten und künstlerischen Formaten stehen bei allen teilnehmenden Gedenkstätten und Dokumentationszentren im Vordergrund. Häufig geschieht dies mithilfe digitaler Anwendungen, in denen die jungen Menschen z. B. eigene Stadt-Apps, digitale Stadtrundgänge oder Social-Media-Inhalte entwerfen. Andere arbeiten mit Soundproduktion, Theater, Podcasts oder Videoclips. Durch diese vielfältigen und multimedialen Ansätze entstehen partizipative und lebendige Vermittlungsangebote, die in vielen Fällen dauerhaft in die Bildungsarbeit der Institutionen eingebunden werden.
Dank der methodischen und thematischen Vielfalt der Projekte eröffnen sich unterschiedliche Zugänge zur Geschichte der NS-Zeit, die auch diversen anderen Zielgruppen offenstehen. Mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement machen die Projekte deutlich, wie zeitgemäß und lebendig die Erinnerungskultur sein kann.
»Heimatgeschichte International. Auf den Spuren von NS-Zwangsarbeit in Villingen-Schwenningen« Uhrenindustriemuseum der Stadt Villingen-Schwenningen
Gemeinsam mit Schüler:innen, jungen Menschen in Betrieben und Studierenden die NS-Zwangsarbeit als internationale Lokalgeschichte erforschen
Seit 2023 besteht in Villingen-Schwenningen die Initiative zur NS-Zwangsarbeit. In ihr engagieren sich verschiedene Akteur:innen: der Schwenninger Heimatverein, Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen e. V., zwei Schulen, das Stadtarchiv, das Uhrenindustriemuseum sowie Einzelpersonen.
Den Anstoß zur Initiative gab der Kontakt zu einem 96-Jährigen in Mykolajiv/Ukraine:
Wolodymyr Shcherbina wurde 1944 zur Zwangsarbeit nach Schwenningen verschleppt. Inzwischen konnten die Namen von mehr als 3.400 Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen aus zahlreichen Ländern recherchiert werden, die während des Zweiten Weltkriegs in Schwenningen arbeiten mussten.
Doch vieles ist weiterhin unbekannt. Das Projekt Heimatgeschichte International bindet junge Menschen ein, um diese Geschichte zu erforschen, zu erzählen und zu fragen, was sie für unsere Gegenwart bedeutet:
Schüler:innen erarbeiten in Workshops, Erzählcafés und bei einer Exkursion zu Lern- und Erinnerungsorten der NS-Zwangsarbeit die vielfältigen internationalen Bezüge ihrer eigenen Lokal- und Heimatgeschichte. Durch Kooperationen mit ver.di und der IG Metall werden junge Menschen in Betrieben eingebunden. Eine dritte Säule des Projekts bildet die Kooperation mit lokalen Hochschulen, insbesondere der Polizei-Fachhochschule sowie der Hochschule Furtwangen University.
Gemeinsam wird eine analoge und digitale Ausstellung entwickelt, die die lokale Geschichte der NS-Zwangsarbeit darstellt.
www.uhrenindustriemuseum.de/projekte/initiative-ns-zwangsarbeit
»MusikMachtGeschichte« Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
Mit Soundproduktion nutzt das Projekt Zugänge aus der Lebenswelt von jungen Menschen, um Raum für individuelle Emotionen und Reflexionen zu schaffen, die auch ihre heutigen Lebensrealitäten einbeziehen können.
In dem musikpädagogischen Projekt setzen sich Jugendliche und junge Erwachsene in mehrtägigen Workshops mit der komplexen Bedeutung von Musik im Konzentrationslager Sachsenhausen auseinander. Jeder Workshop bietet einen neuen inhaltlichen Zugang und basiert auf vielfältigen historischen Quellen wie Objekten, Audios, Videos, Fotografien, Zeichnungen, Selbstzeugnissen etc. aus der Sammlung der Gedenkstätte und anderen Archiven.
Daran anknüpfend begleiten Musikproducing- und Songwriting-Professionals die Teilnehmenden in einem kreativen Prozess, in dem sie am historischen Ort mit einem mobilen Musikstudio eigene Songs, experimentelle Sounds oder Soundcollagen, Fieldrecordings oder Samples entwickeln. Die künstlerische Form bleibt ihnen selbst überlassen: Sie können selbst Melodien einspielen, eigene Texte schreiben und vertonen und Instrumente in die Hand nehmen. Ebenso können sie Sounds auf dem Gelände der Gedenkstätte sammeln, Quellen vertonen oder historisches Soundmaterial neu samplen.
Die Workshops werden in Kooperation mit dem Projekt »Blockbox« von der Hans-Werner-Henze Musikschule Marzahn-Hellersdorf (Berlin) durchgeführt.
Am Ende des Projekts werden die von den Gruppen produzierten Sounds zusammen mit den neu erschlossenen historischen Inhalten in einer mobilen Web-App veröffentlicht, die das Thema Musik im Lager für die Selbsterkundung vor Ort dauerhaft zugänglich machen soll.
www.blockbox.info
»Sound in the Silence: Raise your Voice«
Wenn Kunst auf Geschichte trifft – Jugendliche gestalten Erinnerung
Das Performance-Projekt Sound in the Silence: Raise Your Voice ermöglicht Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine künstlerische und persönliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück. Ausgangspunkt ist die Lebensgeschichte der Ravensbrück-Überlebenden Emmie Arbel, die von Barbara Yelin in der Graphic Novel »Die Farbe der Erinnerung« festgehalten wurde.
In unterschiedlichen Kunst-Workshops (Tanz, Rap, Sound, Voice) haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich zunächst ihrer Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, um Wege zu finden, diese künstlerisch auszudrücken. Im Mittelpunkt steht die Ermutigung, das Schweigen über die nationalsozialistischen Verbrechen zu brechen, eine eigene Stimme und Haltung zu finden und Bezüge zur eigenen Biografie sowie zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen herzustellen.
Begleitet vom Bildungsteam der Gedenkstätte und dem künstlerischen Team unter der Leitung des amerikanisch-jüdischen Rappers Dan Wolf entsteht schließlich eine Performance – als immer neue Form der Erinnerung, jenseits standardisierter Rituale.
Kooperationspartner:innen sind das Berliner Theater Strahl, dessen Jugendensemble die Impulse des Workshops in dem Stück »Manche Sachen weiß ich, aber ich erinnere mich nicht« aufgreift, und die Gedenkstätte Osthofen, in der Ende August eine neue Edition von Sound in the Silence: Raise Your Voice stattfinden wird.
»Apping history. Ulm und der Nationalsozialismus«
Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. / KZ-Gedenkstätte
Im Rahmen des Projekts wird eine App für junge Menschen und als Partizipationsprojekt mit jungen Menschen entwickelt. Ausgehend von der Frage, wie der Nationalsozialismus Ulm geprägt hat, bietet die App Hintergrundinformationen zu verschiedenen Orten, Biografien, Ereignissen und Themen, auch zu Verbindungen zwischen der Stadt und dem frühen Konzentrationslager Oberer Kuhberg. Alle Spuren und Informationen laden junge Menschen dazu ein, sich kritisch, aktiv und kreativ mit der Geschichte des Nationalsozialismus vor Ort auseinanderzusetzen. Die App nimmt die heutige Stadt als Ausgangspunkt, damit sich Lerngruppen und individuell Interessierte durch die Geschichte bewegen können. Dafür entwickeln Jugendliche eine ca. 1,5-stündige Tour durch die Ulmer Innenstadt, die die Real- und Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus exemplarisch, jugendgerecht und multiperspektivisch erschließt. Anhand ausgewählter Stationen ermöglicht dieser Rundgang späteren Nutzer:innen, sich mit Kurzvideos, Audios und Text-/Bildkompositionen selbst erkundend auf den Spuren des Regimes, der »Volksgemeinschaft«, der Verfolgten und des Widerstands zu bewegen.
Das grundlegende Ziel besteht darin, dass junge Menschen – ausgehend von ihrer eigenen Lebenswelt – die gesellschaftlichen und politischen Strukturen der nationalsozialistischen Gesellschaft vor Ort kennenlernen. Die Teilnehmenden finden innovative Formen und Inhalte, wie sie das erworbene Wissen multimedial in der App an andere Jugendliche weitergeben können. Sie erleben sich so als selbstwirksame Gestalter:innen der Stadt- und Geschichtskultur. Die gewählten Formate und Ausdrucksweisen können dabei so heterogen sein wie die Lerngruppen selbst. Auch nach Abschluss des Projekts gibt die App jungen Menschen die Möglichkeit, neue Themen, Stadtgänge und Schauplätze sowie Geschichten von Inklusion und Exklusion zu integrieren.
»Was geht mich der Nationalsozialismus noch an?!«
Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
Azubis auf Spurensuche im eigenen Betrieb
Im Mittelpunkt des Projekts steht ein berufsspezifischer und lokalhistorischer Ansatz in der Auseinandersetzung mit dem Thema NS-Zwangsarbeit, verknüpft mit Fragen nach Kontinuitäten und aktuellen Formen von Rassismus und Diskriminierung.
Den historischen Hintergrund und zugleich Ausgangspunkt des Projektes bildet der Themenkomplex NS-Zwangsarbeit bei kommunalen Leipziger Betrieben und der städtischen Verwaltung. Während des Zweiten Weltkrieges leisteten mindestens 75.000 Menschen aus ganz Europa in Leipzig Zwangsarbeit. Sie mussten nicht nur in Rüstungsbetrieben, Privathaushalten und Handwerksbetrieben arbeiten, sondern auch in zahlreichen kommunalen und städtischen Betrieben und Einrichtungen, z. B. bei den Stadtwerken, der Trümmerbeseitigung, der Instandsetzung von Wohnraum und den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB). Zugleich waren zahlreiche städtische Einrichtungen mit administrativen Aufgaben innerhalb der Verwaltung und Organisation des Zwangsarbeitseinsatzes betraut.
Hier setzt das Projekt an: Gemeinsam mit einer Pilotgruppe von Azubis der LVB und der Leipziger Stadtverwaltung werden digitale Vermittlungsangebote konzipiert und erprobt. Diese entstehenden Angebote richten sich dann an Azubis zukünftiger Jahrgänge. In den Workshops werden sie eingeladen, sich ausgehend von ihrem beruflichen Alltag und ihren damit verbundenen Erfahrungen und Kompetenzen mit NS-Zwangsarbeit im eigenen Betrieb bzw. Verwaltungszweig zu befassen. Dabei erarbeiten sie verschiedene Biografien (Zwangsarbeiter:innen, deutsche Mitarbeiter:innen etc.), lernen unterschiedliche Handlungsoptionen innerhalb eines Betriebs während der NS-Zeit kennen und diskutieren sie.
Begleitet und dokumentiert wird das Projekt durch einen dreiteiligen Podcast.
»StoryFinder. Partizipative Beiträge für eine WebApp über NS-Verfolgungsgeschichten im Zentrum Hamburgs«
Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen
Wie wollt ihr euch an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern? Welche Biografien findet ihr spannend und wie wollt ihr sie erzählen? Und was hat die Geschichte eures Viertels im Nationalsozialismus mit euch heute zu tun?
Diese und weitere Fragen stehen im Zentrum des zweijährigen Jugendbildungsprojektes StoryFinder. In mehreren Workshopreihen diskutieren Jugendliche und junge Erwachsene ihre Perspektiven auf die Hamburger Stadtgeschichte im Nationalsozialismus, lernen Biografien kennen und erschließen sich historische Orte rund um den Geschichtsort Stadthaus in der Neustadt und den Standort des ehemaligen Deportationsbahnhofs Hannoverscher Bahnhof in der Hafencity. Unterstützt von Medienpädagog:innen probieren sich die Teilnehmenden in Methoden des Storytellings und verschiedenen Medienformaten aus. Sie kuratieren Geschichten von Orten und Biografien von Verfolgten und Deportierten, aber auch von Täter:innen und Zuschauer:innen und veröffentlichen sie als Beiträge in einer App für digitale Stadtrundgänge.
Seit Januar 2025 koordiniert die Historikerin und politische Bildnerin Malina Emmerink das Projekt StoryFinder für die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte. Unterstützt wird sie im Geschichtsort Stadthaus von Dr. Christiane Heß und im Projekt Dokumentationszentrum denk.mal Hannoverscher Bahnhof von Juliane Podlaha.
Das Projekt wird von der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen durchgeführt und von der Stiftung EVZ und der BKM im Rahmen des Programms JUGEND erinnert vor Ort & engagiert gefördert.
»BreiteNOW: Was muss ein Ort erzählen?«
Gedenkstätte Breitenau
BreiteNOW: Was muss ein Ort erzählen? ist ein partizipatives, außerschulisches Projekt mit Jugendlichen aus lokalen Strukturen mit und ohne Migrationsgeschichte. Die Jugendlichen erschließen mit biografischem Zugang den historischen Ort Breitenau in digitalen Ausstellungsmodulen.
Unter der Leitfrage »Wie möchten junge Menschen die Erinnerungskultur an ihrem Wohnort gestalten?« entwickeln Jugendliche in Kleingruppen digitale Ausstellungsmodule. Ausgangspunkt der Beschäftigung mit dem historischen Ort Breitenau sind Biografien von Verfolgten, die bislang in der Gedenkstätte kaum sicht- und hörbar werden. Die Jugendlichen rekonstruieren die Biografien. Sie lernen die historischen Zusammenhänge sowie die Mechanismen von Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung während der NS-Zeit kennen, aber auch gesellschaftliche Abwehr nach 1945.
Fragen, zu denen die Jugendlichen arbeiten, sind unter anderen: Unter welchen Umständen erfolgte die Inhaftierung? Was waren die Verfolgungsgründe? Wie erlebten die Jugendlichen den Alltag in Breitenau und welche individuellen Handlungs- und Überlebensstrategien entwickelten sie? Wie ging das Leben für die Jugendlichen nach 1945 weiter?
Ziel des Projektes ist es, die Jugendlichen zu Expert:innen ihrer Themen zu machen und ihnen zugleich die Bedeutung erinnerungskultureller und digitaler Vermittlung näherzubringen. Die in den gemeinsamen Workshops entwickelten Module werden in einen interaktiven 360-Grad-Rundgang eingebunden. Die Jugendlichen entscheiden gemeinsam, wie die Geschichte von Menschen, die 1933–1945 in Breitenau waren, erzählt wird – ob mit Audio-Aufzeichnungen, Audio-Podcasts, Erklärvideos, Infotexten oder Fotografien.
»Anne Frank Jugendnetzwerk. Gemeinsam aktiv für die Erinnerung vor Ort«
Anne Frank Zentrum
Das Anne Frank Jugendnetzwerk befähigt Jugendliche, sich für eine lebendige Demokratie und gegen Antisemitismus und Rassismus und weitere Formen von Diskriminierung einzusetzen. 439 Mitglieder bundesweit haben in ihrem direkten Umfeld wirksame Projekte dazu durchgeführt.
Das Anne Frank Jugendnetzwerk führt zweimal im Jahr ein Qualifizierungsseminar für Jugendliche durch. Dieses vermittelt Jugendlichen vertieftes Wissen zu historisch-politischen Zusammenhängen und befähigt sie, ein eigenes Projekt in einer Kleingruppe realistisch zu planen. Dazu bekommen sie Grundlagen zu Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising vermittelt. Inhaltlich engagieren sich die Projekte für eine lebendige Erinnerungskultur und eine demokratische Gesellschaft und gegen Antisemitismus und Rassismus. Im Seminar erfahren die Jugendlichen Selbstwirksamkeit und eine Stärkung ihrer demokratischen Überzeugungen durch die Gruppe. Im Anschluss an das Seminar setzen die Jugendlichen ihre Projekte um. Die Mitarbeitenden des Anne Frank Zentrums betreuen und unterstützen die Jugendlichen bei der Umsetzung ihrer Projekte. In der Vergangenheit wurden Zeitzeug:innengespräche, Workshops, historische Stadtspaziergänge, Ausstellungen und Theaterstücke, Postkartenaktionen, Podcasts, Instagram-Accounts, Konzerte und Filme realisiert. Nach Abschluss der Projekte werden die Jugendlichen im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung ausgezeichnet und zu weiteren Veranstaltungen des Jugendnetzwerks eingeladen.
Darüber hinaus bietet das Jugendnetzwerk für seine Mitglieder ein Memory Walk-Vernetzungstreffen an. Das Format Memory Walk ermutigt junge Menschen dazu, sich aktiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust anhand der spezifischen Geschichte ihres Ortes auseinanderzusetzen. Durch die Reflexion mit Peers und Passant:innen stellen sie einen Bezug zu ihrer heutigen Lebenswelt her. Im ersten Teil beschäftigen sich die Jugendlichen mit verschiedenen Arten von Denkmälern und deren Funktionen und Wirkungsweisen im öffentlichen Raum. Im zweiten Teil geht es um die Produktion von Videoclips. Die Jugendlichen führen kurze Interviews mit Passant:innen und befragen sie zu deren Verbindungen, Meinungen und Wissen zu einem Denkmal. Ziel der Clips ist es, innerhalb weniger Minuten möglichst vielfältige Perspektiven und Meinungen in Bezug auf dasselbe Denkmal sichtbar werden zu lassen. Die Ergebnisse werden in einer Online Veranstaltung präsentiert und auf unserer Website www.annefrankbotschafter*innen geteilt.
»Alt Rehse revisited«
Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e.V.
Der Lern- und GeDenkOrt Alt Rehse strebt gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Entwicklung innovativer, vor allem digitaler Vermittlungsformate zur Aufarbeitung der NS-Geschichte an, mit denen nicht zuletzt junge Menschen erreicht werden sollen. Im Projekt Alt Rehse revisited. Multimediale Geschichtsarbeit im ländlichen Raum steht der partizipative und reflexive Blick der Teilnehmenden auf die nationalsozialistische »Führerschule der Deutschen Ärzteschaft« im Zentrum.
Als Stätte der ideologischen Ausrichtung medizinischen Personals zwischen 1935 und 1942 kommt der idyllischen Anlage Alt Rehse gerade im Zusammenhang mit Zwangssterilisationen, Euthanasie und anderen Medizinverbrechen im Nationalsozialismus eine entscheidende Bedeutung als Ort der Erinnerung zu. Innerhalb des explorativen Projektraums kreieren die Beteiligten eigenaktiv Medienformate, durch die sie nicht allein ihren Reflexionsprozess dokumentieren, sondern ebenso unterschiedliche Perspektiven auf Exklusionsdynamiken im Nationalsozialismus werfen. Die entwickelten Podcasts, Videoclips, Radio- und Social-Media-Beiträge greifen zugleich in etablierte Erinnerungskulturen ein und stellen Gegenwartsbezüge zum historischen Ort her.
Das Projekt pflegt und erweitert in diesem Zusammenhang sein bestehendes Netz an Kooperationspartner:innen, sowohl um Jugendliche zu aktivieren als auch um mit Expert:innen über projektspezifische Themen und gegenwärtige Herausforderungen ins Gespräch zu kommen. Auf diese Weise leistet Alt Rehse revisited zugleich einen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten um Diversität und Inklusion.
»#MemoryMaker«
Förderverein Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne e. V.
Nur wenigen ist bisher bekannt, dass auch mehrere Hundert Kinder und Jugendliche im Stalag 326 untergebracht waren. Sie wurden als sowjetische Kriegsgefangene registriert, als Kriegsgefangene in Arbeitskommandos überstellt oder oftmals als »Zivilisten« entlassen und als ausländische Arbeitskräfte im NS-Zwangsarbeiter:innensystem ausgebeutet. Die Gedenkstätte Stalag 326 verfügt über zahlreiche historische Quellen, anhand derer sich einzelne Kriegsgefangengenverläufe rekonstruieren lassen.
Im Zentrum des Projekts #MemoryMaker steht der Aufbau einer digitalen Plattform als virtueller Erinnerungsraum. Jugendliche gestalten in kreativen und medialen Workshops Inhalte, etwa in Form von Streetart, kreativem Schreiben, Fotografie und Film, die dort in einer digitalen Ausstellung veröffentlicht werden. Dabei setzen sich die Teilnehmenden kritisch mit der Verschleppung und systematischen Ausbeutung minderjähriger Kriegsgefangener im Nationalsozialismus auseinander. Die künstlerisch-mediale Annäherung eröffnet ihnen individuelle Zugänge zu historischen Themen und fördert eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur. Methodenworkshops ergänzen das Angebot und vermitteln den Teilnehmenden Wissen und Werkzeuge, um andere für das Thema zu sensibilisieren. Sie werden zu Multiplikator:innen – MemoryMaker – , die das Bewusstsein für die (lokale) Erinnerungskultur in ihre Lebenswelt tragen und an nachfolgende Generationen weitergeben.
Das Projekt richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene aus der Region Ostwestfalen-Lippe.
Um die Plattform barrierearm zu gestalten, sollen Inhalte auch in Gebärdensprache angeboten werden. Dafür ist eine Kooperation mit einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation vorgesehen.
»Kartographie von Verfolgung und Widerstand der Bibelforscher/Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus«
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
»Gedächtnis der Namenlosen« – Jugendliche erinnern an eine weniger bekannte NS-Opfergruppe
Mit diesem Projekt wird an die vielen bislang »Namenlosen« aus der NS-Opfergruppe der Bibelforscher:innen bzw. Zeug:innen Jehovas erinnert. Junge Menschen errichten damit ein digitales Mahnmal, um das 2023 vom Bundestag beschlossene und von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu betreuende physische Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Zeug:innen Jehovas (im Nationalsozialismus überwiegend Bibelforscher:innen genannt) zu ergänzen.
Angeleitet von Lehrkräften und in der Jugendarbeit Engagierten, kuratorisch und redaktionell betreut durch Historiker:innen, erstellen junge Menschen eine interaktive und partizipative Karte der Orte des Widerstands, der Verfolgung und der Erinnerung. Räumlicher Ausgangspunkt ist der historische Gedenkort am Goldfischteich im Berliner Tiergarten, einer der Knotenpunkte des Bibelforscher:innenwiderstands bis 1936. An diesem Ort entsteht das künftige Mahnmal.
Schulprojekte sowie Jugendgedenkinitiativen erstellen aus von ihnen exemplarisch rekonstruierten Biografien sukzessive und partizipativ eine immer umfassendere Datenbank, die als Karte visualisiert wird. Historische Dokumente und Fotos sowie Videoclips, die die eigene Arbeit präsentieren, sollen die biografischen Informationen ergänzen.
Die beteiligten jungen Menschen sollen auch in Austauschformaten die Widerstands- und Leidensgeschichte der von ihnen erforschten Menschen reflektieren. Dabei treten ganz unterschiedliche junge Menschen miteinander in Kontakt, um ihre Perspektiven zu erweitern.
»Remembrance Lab: Kids« Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen
Das Projekt »Remembrance Lab: Kids« entwickelt inklusive und niedrigschwellige Bildungsangebote, die den Zugang zu NS-Unrecht für Kinder erleichtern sollen. Durch interaktive Lern-, Austausch- und Reflexionsbereiche werden Kinder ermutigt, sich aktiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Die gesellschaftliche Realität zeigt, dass Kinder bereits früh mit Themen wie Diskriminierung, Gewalt und Erinnern konfrontiert werden. Schließlich sind Klassenräume und Lebensrealitäten von Kindern nicht losgelöst von gesellschaftlichen Ereignissen, Konflikten oder aktuellen Herausforderungen.
»Kinder im Grundschulalter erfahren auf verschiedenen Wegen etwas über die Zeit des Nationalsozialismus und Holocaust. Sie haben Fragen dazu und ein Recht auf Antworten.«1 Der Denkort Bunker Valentin sucht gemeinsam mit einem geplanten Gremium aus Pädagog:innen, Multiplikator:innen und Wissenschaftler:innen nach altersgerechten, multiperspektivischen und interaktiven Zugängen. Dabei sollen Fragen, Perspektiven und Erfahrungen von Kindern und ihrem sozialen Umfeld leitend in der Entwicklung dieser Zugänge sein: Was verbindest du mit Krieg? Warum erleben Menschen oder konkret Kinder Gewalt? Was ist Zwangsarbeit? Was bedeutet Kinderarbeit? Warum sollten wir alle Menschen gleich behandeln? Oder wann fangen wir an, Menschen ungleich zu behandeln?
Mit den entwickelten Formaten und Materialien möchte »Remembrance Lab: Kids« auch über Bremen hinaus Möglichkeiten bieten, historisch-politische Bildungsangebote für diese junge Altersgruppe zu entwickeln und das Thema Nationalsozialismus schon früher in der außerschulischen Bildungsarbeit zu besprechen.