»Erfolg hat nur, wer nicht aufgibt«

Thomas Lutz und die IHRA
07/2023Gedenkstättenrundbrief 210, S. 122-124
Michaela Küchler

Es gilt einen Großen der Erinnerungskultur aus dem aktiven Berufsleben zu verabschieden und zu ehren. Dr. Thomas Lutz hat als Gedenkstättenreferent der Stiftung Topographie des Terrors an vielen Stellen gewirkt: Er war Herausgeber des GedenkstättenRundbriefs und Initiator des Gedenkstättenforums. Er war Mitglied im Expertengremium zur Vergabe der Mittel im Rahmen der Bundesgedenkstättenkonzeption und Gründungsmitglied der Fachgruppe IC MEMO im Weltmuseumsrat ICOM. Nicht zuletzt war er aber seit ihrer Gründung auch Mitglied der deutschen Delegation der Internationalen Allianz für Holocaust-Erinnerung (International Holocaust Remembrance Alliance – IHRA).

Ich bin Thomas Lutz zum ersten Mal im Herbst 2018 begegnet, kurz vor meiner ersten Teilnahme an der Plenarsitzung der IHRA in Ferrara. Der IHRA, die 1998 als Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research gegründet wurde, gehören über 30 Mitgliedsstaaten und acht internationale Partnerorganisationen an. Gemeinsames Ziel der Allianz aus Fachleuten und Regierungsvertreterinnen und -vertretern ist es, Bildung, Forschung und Erinnerung an den Holocaust und den Genozid an den Sinti und Roma zu fördern. Für mich war es extrem hilfreich, im Kreis der Expertinnen und Experten mit Thomas Lutz jemanden zur Seite zu haben, der seit mehr als 20 Jahren Mitglied der deutschen Delegation in der IHRA war. Thomas Lutz hat die Memorial and Museums Working Group mitgegründet und an unzähligen Projekten der IHRA mitgewirkt, darunter dem Multi-Year Work Plan »Killing Sites« zu Orten von Massenerschießungen und dem Projekt »Safeguarding Sites«.

Als ehemalige deutsche Delegationsleiterin (2018–2022) und Präsidentin (2020–2021) der IHRA bin ich Herrn Lutz zu großem Dank verpflichtet. Mit seinem reichen Erfahrungsschatz über die Funktionsweise der IHRA und seinem profunden Wissen über Gedenkstätten war er mir über die vier Jahre, in denen ich die deutsche Delegation leiten durfte, ein unverzichtbarer Ratgeber. Er hat mich laufend auf problematische Entwicklungen in den IHRA-Mitgliedsländern hingewiesen. Nicht immer war es mir möglich, alle Punkte aufzugreifen. Und doch fühlte ich mich sicher, gut Bescheid zu wissen. Es half in Diskussionen die Positionen der einzelnen Mitgliedsländer zu verstehen und Kompromisslinien zu finden.

Als Experte für Gedenkstätten hat Thomas Lutz an wegweisenden Papieren und Initiativen der IHRA mitgearbeitet. Die Gedenkstättenarbeit der IHRA beruht dabei auf der 2012 von der Vollversammlung verabschiedeten International Memorial Museums Charter, in der es heißt: »Gedenkstätten tragen Verantwortung für den Schutz der Würde der Opfer vor allen Formen der Ausbeutung und sie müssen, jenseits des herkömmlichen Geschichtsunterrichts, gewährleisten, dass die Interpretation politischer Ereignisse zu kritischem und unabhängigem Nachdenken über die Vergangenheit anregt.«[1]

Besonders geschätzt habe ich, dass mir Thomas Lutz über seine dienstlichen Verpflichtungen hinaus für Beratung zur Verfügung stand. So hat seine Beurteilung des Globalen Restaurierungsplans für die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau mit dazu beigetragen, dass sich Bund und Länder mit jeweils 60 Millionen Euro daran beteiligten. Auch die Restaurierung im zum ehemaligen Lager Groß-Rosen gehörenden Außenlager Schlesiersee I durch die Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen hat Thomas Lutz begutachtet und mich darin bestärkt, die Förderung durch das Auswärtige Amt fortzusetzen.

Thomas Lutz war nicht immer bequem. Wenn er von etwas überzeugt war, verfolgte er es mit einer guten Portion Hartnäckigkeit. So gelang es, eine von der IHRA unterstützte Veranstaltung zu Jasenovac, die während der Pandemie hätte stattfinden sollen, wiederzubeleben und trotz anfänglicher Widerstände durchzuführen. »Erfolg hat nur, wer nicht aufgibt« ist das Motto von Thomas Lutz.

Damit hat er einen immensen Beitrag zur deutschen Erinnerungskultur geleistet und zu einem erheblichen Teil zu ihrem guten Ruf beigetragen. 2022 verlieh ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Anerkennung seiner Verdienste das Bundesverdienstkreuz, das ich Herrn Dr. Lutz im Auswärtigen Amt übergeben konnte.

Ich danke Dr. Thomas Lutz für seine vielfältigen nationalen und internationalen Beiträge zur Erinnerungskultur. Er hat damit international das Bild Deutschlands, das sich seiner Verantwortung für den Mord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden und Hunderttausenden Sinti und Roma stellt, mitgezeichnet.

Michaela Küchler ist deutsche Generalkonsulin in Chennai. Von 2018 bis 2022 war sie Leiterin der deutschen IHRA-Delegation, von 2020 bis 2021 Präsidentin der IHRA.

 

[1]    www.holocaustremembrance.com/de/resources/working-definitions-charters/internationale-gedenkstaetten-charta?focus=expertiseremembrance