»Erinnerung ins Land tragen!«

Einblicke in ein gedenkstättenpädagogisches Ausbildungsprojekt aus Schleswig-Holstein und dessen Potenziale für andere Gedenkstätten für NS-Opfer
03/2022Gedenkstättenrundbrief 205, S. 19-30
Freya Kurek

Worum es geht

Im Rahmen des Förderprogramms "Jugend erinnert" der Bundesministerin für Kultur und Medien wird an der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen seit September 2020 ein Projekt zur Aus- und Fortbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich der Gedenkstättenpädagogik realisiert.

Mit dem Angebot einer fundierten Ausbildung ist die Hoffnung verbunden, Menschen zu gewinnen, die sich an den durchweg kleinen NS-Gedenk- und Erinnerungsorten im ländlichen Raum in Schleswig-Holstein engagieren wollen. Dadurch soll die Gedenkstättenarbeit im Land insgesamt gestärkt werden.

Es geht bei "Erinnerung ins Land tragen!" um die Vermittlung eines gedenkstättenpädagogischen Rüstzeugs, dass für die Arbeit an Erinnerungsorten sensibilisiert und vorbereitet. Zukünftige Mitarbeitende insbesondere kleiner Gedenkstätten im ländlichen Raum sollen vorbereitet werden auf die vielfältigen Erwartungen mit denen sie konfrontiert werden und sich professionell begleitet mit der Frage nach einer inneren Haltung in der pädagogischen Arbeit beschäftigen, um in diesem besonderen Kontext gut arbeiten zu können. Zentral ist dabei die Frage, was eine gute und zeitgemäße Gedenkstättenpädagogik ausmacht, welche Kompetenzen es bei den pädagogischen Mitarbeitenden braucht und wie diese in einem Fortbildungsprojekt erfahren und vermittelt werden können.

Dies passiert vor dem Hintergrund einer sich dynamisch entwickelnden Gedenkstättenlandschaft in Schleswig-Holstein, die nach einem Jahrzehnte langem Kampf um Anerkennung, aktuell sowohl von zunehmender Institutionalisierung und Professionalisierung geprägt ist, als auch vor der Herausforderung eines Generationenwechsels steht.

Vor diesem Hintergrund sollen in diesem Beitrag einige inhaltliche Überlegungen zur Vermittelbarkeit gedenkstättenpädagogischer Grundlagen dargestellt werden, die für die Ausbildungspraxis im Rahmen von "Erinnerung ins Land tragen!" signifikant und prägend sind. Diskutiert werden dabei insbesondere subjektorientierte Zugänge und deren Vermittelbarkeit. Ausgangspunkt ist dabei die spezifische Situation in Schleswig-Holstein als ländlich strukturiertem Raum mit einer - selbst für bundesdeutsche Verhältnisse starken - nationalsozialistischen Tradition. Es folgt ein Überblick über den bisherigen Verlauf des Projekts sowie ein knapper Ausblick, in dem Herausforderungen benannt werden und erläutert wird, unter welchen Prämissen die Aus- und Fortbildung nachhaltig und qualitätssichernd auch über das Projektende hinaus fortgesetzt und verstetigt werden kann.

Im bisherigen Verlauf des Projekts konnten wir einige Erkenntnisse gewinnen, die wir für die Diskussion um eine Professionalisierung der Aus- und Fortbildung von Honorarkräften an Dokumentations- und Gedenkstätten für NS-Opfer auch über Schleswig-Holstein hinaus für relevant halten. Dieser Text möchte diese Überlegungen ausführen und damit einen Beitrag zur weiteren Diskussion leisten.

Gedenkstättenpädagogik unter erschwerten Bedingungen: Anmerkungen zur Erinnerungskultur in Schleswig-Holstein

Gedenkstättenpädagogik ist ein viel beackertes und doch gleichzeitig "offenes Feld": wissenschaftliche Debatten zu möglichen und unmöglichen Zielen; inhaltlich-theoretischen Grundlagen und Standards werden seit vielen Jahren geführt; die Anzahl der Publikationen zum Thema sind immens. Für die praktische Vermittlungsarbeit vor Ort an den Gedenkstätten bildete die Veröffentlichung des Buches "Verunsichernde Orte. Selbstverständnis und Weiterbildung in der Gedenkstättenpädagogik" von Barbara Thimm, Gottfried Kößler und Susanne Ulrich im Jahr 2010 sicherlich eine besondere Wegmarke.[1] Mit diesem Buch formulierten die Autorinnen und Autoren vor dem Hintergrund theoretischer Reflexionen Fragen und Impulse, die für die tägliche praktische Arbeit und für die pädagogischen Mitarbeitenden vielfältiger NS-Gedenkstätten relevant waren und geblieben sind. Sie zeichnen hier konkret ein "Berufsbild Gedenkstättenpädagogik" und formulieren vielfältige Kompetenzen und Qualitätsmerkmale, die es braucht, um an NS-Gedenk- und Erinnerungsorten pädagogisch tätig zu sein.[2] Was die Autorinnen und Autoren deutlich machen, und was wohl von allen Praktikerinnen und Praktikern bestätigt werden kann: die Anforderungen an Gedenkstättenpädagoginnen und -pädagogen sind komplex und anspruchsvoll. Dass die Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen nicht nur für (jugendliche) Besucherinnen und Besucher verunsichernd sein können, sondern auch für die Mitarbeitenden an den "verunsichernden Orten" ist dann auch - neben anderen Gründen - ein entscheidendes Argument für die Notwendigkeit professioneller Aus- und Fortbildung, kollegialer Beratung und regelmäßiger (Selbst-)Reflexion: "Die Qualität der historisch-politischen Bildung kann nur durch die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitarbeiter(innen) zur (Selbst-)Reflexion gesichert werden."[3]

Seit dem Erscheinen von "Verunsichernde Orte" sind mehr als zehn Jahre vergangen, die Institutionalisierung einer Berufsausbildung für den Bereich "Gedenkstättenpädagogik" hat bisher nicht stattgefunden und die Diskussionen zur Professionalisierung von pädagogischen Mitarbeitenden an Gedenkstätten halten an.[4] Viele Gedenkstätten, die pädagogische Programme anbieten, arbeiten mit Honorarkräften (zumeist "Guides"), die sie hausintern für deren Aufgaben ausbilden und vorbereiten. Die Inhalte, Schwerpunkte und Intensität dieser Vorbereitungen unterscheiden sich zum Teil stark, einen gemeinsamen Standard gibt es nicht.

Wo an großen Gedenkstätten Schulungen für die pädagogischen Mitarbeitenden schon lange selbstverständlich sind, sind diese an kleinen Orten oft nicht möglich.[5] Nicht wenige Gedenkstätten haben nur sehr wenige, zum Teil gar keine hauptamtlichen Mitarbeitenden, dazu kommt eine häufig herausfordernd schmale Finanzierung und mangelnder Nachwuchs im Kreis der Ehrenamtlichen. In Schleswig-Holstein zählen nahezu alle Gedenkstätten zu diesem Typus.

Schleswig-Holstein im NS und Gedenkstätten heute

Schleswig-Holstein ist ein kleines Bundesland, 97 Prozent der Landfläche zählen zum ländlichen Raum, 78 Prozent der Bevölkerung leben in diesem.[6]

Die beschauliche ländliche Lage zwischen Nord- und Ostsee und die geringe Bevölkerungszahl sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schleswig-Holstein die Region war, in welcher der Aufstieg der NSDAP so "schnell, nachhaltig und umfassend"[7] geschah wie nirgendwo sonst im damaligen Deutschen Reich. Die Wahlerfolge der NSDAP ab Mitte der 1920er-Jahre wurden begleitet von Gewalt und Verfolgung - und nach 1933 mit der Errichtung verschiedener Konzentrations-, Strafgefangenen- und Zwangsarbeitslager. Die meisten dieser Lager - gelegen in Dörfern, an Hauptstraßen, in Wäldern und der Heide - wurden ab 1945 aktiv der Erinnerung entzogen, bauliche Überreste wurden abgerissen und es wuchs nicht nur sprichwörtlich Gras über die Vergangenheit.

Beigetragen hat dazu auch die Weiterführung nationalsozialistischer Traditionen: Die überproportionale Präsenz teilweise hochrangiger Nationalsozialisten im Land durch die sog. Rattenlinie Nord[8] und die frühzeitige Beendigung der Entnazifizierung bereits 1950, veranlassten den damaligen Innenminister Paul Pagel (CDU) zur Feststellung, dass in Schleswig-Holstein eine aktive "Renazifizierung" stattfinde. Pagel war das einzige Mitglied der ersten frei gewählten CDU-Landesregierung Schleswig-Holsteins ohne NSDAP-Parteibuch, eine, wie er sie nannte, "Koalition aus SA, SS und NSDAP."[9]

Insbesondere diese gesellschaftspolitische Gemengelage verhinderte entsprechend lange Zeit die Aufklärung von und einen angemessenen Umgang mit der NS-Vergangenheit und den begangenen Verbrechen. Im bundesdeutschen Vergleich muss man daher in Schleswig-Holstein in institutioneller, struktureller und finanzieller Hinsicht von einer nachholenden Erinnerungskultur sprechen. Erst in den 1990er-Jahren entstanden an NS-Verbrechensorten zivilgesellschaftliche Strukturen, die sich um eine Institutionalisierung der Orte bemühten und erst ab den 2000er-Jahren etablierten sich die ersten ehrenamtlich betriebenen Gedenkstätten. Bis zuletzt blieb die finanzielle Förderung dieser Orte aber äußerst prekär, seit 2015 gibt es ein Landesgedenkstättenkonzept und erst ab diesem Zeitpunkt kann man überhaupt von einer nennenswerten Landesförderung für Gedenkstätten und Erinnerungsorten in Schleswig-Holstein sprechen. Erstmals 2019 sind hauptamtliche Stellen an den KZ-Gedenkstätten Kaltenkirchen, Husum-Schwesing und Ahrensbök eingerichtet worden.[10]

Bis heute ist die "Gedenkstättenlandschaft" in Schleswig-Holstein entsprechend klein und stark von Ehrenamtlichkeit geprägt. In Initiativen und Vereinen engagieren sich ungebrochen aktive Bürgerinnen und Bürger mit viel Elan, aber, wie in anderen Bereichen des Ehrenamts auch, fehlt es an Nachwuchs junger Menschen. Doch auch wenn die regionalen Gedenkstätten für NS-Opfer noch häufig unbekannt sind, entstehen vermehrt Kooperationen mit Schulen, Vereinen und Verbänden und die Anforderungen an die gedenkstättenpädagogische Arbeit wachsen stetig.

Neue Zugänge, Formate und Methoden sind notwendig, die aktuelle Themen aufgreifen, sich gegenwärtigen Herausforderungen annehmen und heutige Jugendliche aktiv in die Arbeit der Gedenkstätten einbindet. Diese notwendigen inhaltlichen Entwicklungen und das wachsende Interesse von Schulen an regionaler NS-Geschichte sind durch die ehrenamtlichen Vereine und vereinzelten hauptamtlichen Mitarbeitenden allein nicht mehr angemessen zu erfüllen. Umso erfreulicher ist es, dass gleich drei Projekte im Land im Rahmen des Programms "Jugend erinnert" gefördert werden, die durch innovative Zugänge die Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein weiterentwickeln[11].

Vor dem Hintergrund dieser nicht einfachen Rahmenbedingungen will "Erinnerung ins Land tragen!" Standards der gedenkstättenpädagogischen Bildungs- und Vermittlungsarbeit entwickeln, junge Menschen für das Engagement an regionalen Gedenkstätten im ländlichen Raum gewinnen und sie für eine innovative und kritische Gedenkstättenpädagogik aus- und weiterbilden. Grundlage dafür ist eine kritische Auseinandersetzung mit selbstreflexiver und subjektorientierter Bildungsarbeit.

Subjektorientierte Bildung, aber wie?

Die Wendung aufs Subjekt, wie sie von Adorno in seinem viel zitierten Radiobeitrag "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit"[12] 1969 gefordert wurde und die für die Gedenkstättenpädagogik mittlerweile seit Jahrzehnten zentral ist[13] - beginnt mit einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen den pädagogischen Mitarbeitenden und den Jugendlichen und gibt letzteren Raum, sich in ihrer Subjektivität einzubringen. Die Forderung nach einer subjektorientierten Bildungsarbeit ist schnell aufgestellt, dass aber zwischen Anspruch und alltäglicher Wirklichkeit nicht selten Differenz herrscht, zeigt nicht zuletzt auch die Arbeit von Verena Haug "Am 'authentischen Ort' - Paradoxien der Gedenkstättenpädagogik", in der sie die vielfältigen Herausforderungen der pädagogischen Praxis an Gedenkstätten beleuchtet und die Bedeutung von Kommunikation und Interaktion betont. [14] Die Vorbereitung für und die kritische Reflexion auf die eigene Rolle in diesen Interaktionen ist daher ein wichtiges Ziel von "Erinnerung ins Land tragen!"

Die Rolle der gedenkstättenpädagogischen Vermittlerin - eine Frage der inneren Haltung?

Zu Beginn stellt sich bei vielen Teilnehmenden des Projekts die Frage: Wie begegne ich den Jugendlichen am Ort Gedenkstätte? Wie gehe ich bestimmte Themen an und wie verhalte ich mich in herausfordernden Situationen? Was ist eigentlich meine eigene Rolle? Nicht nur sind die Anforderungen an gedenkstättenpädagogische Arbeit vielfältig, auch die Erwartungen, die an Mitarbeitende von Gedenkstätten gestellt werden sind hoch. Dabei sind sowohl die Erwartungen von Schülerinnen und Schülern und deren Lehrkräften häufig nicht deckungsgleich und zudem oft unausgesprochen, sie unterscheiden sich zudem oft von jenen, die die Gedenkstätte als Arbeitgeber an ihre Mitarbeitenden richtet. Hinzu kommen Ansprüche an die Wirkung der eigenen Arbeit durch die Mitarbeitenden selbst. Je nach Ziel und Anspruch haben die Mitarbeitenden der pädagogischen Vermittlung damit unterschiedliche Rollen inne - und diese zum Teil gleichzeitig.

Bei "Erinnerung ins Land tragen!" beschäftigen wir uns mit drei Ebenen, auf denen pädagogische Mitarbeitende an Gedenkstätten in der Vermittlungsarbeit aktiv sind und in denen sie jeweils unterschiedliche Rollen einnehmen.

  1. Die Vermittlung historischen Wissens ist eine zentrale Aufgabe, die pädagogischen Mitarbeitenden lehren Geschichte, treten als Historikerinnen und Historiker auf. Sie sind verantwortlich für die Wissensvermittlung über den historischen Ort und seine Nachgeschichte, über gesellschaftliche Bedingungen des NS sowie über Betroffene und Beteiligte und deren Handlungsmöglichkeiten.
  2. Die pädagogischen Mitarbeitenden bewegen sich zudem auf der Ebene der Gegenwart, setzen sich aktiv und zielgerichtet ein für ein "Lernen aus der Geschichte" und für ein Engagement gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und andere Formen der Diskriminierung. Auf dieser Ebene findet sich häufig eine hohe intrinsische Motivation für das eigene Engagement, um durch die gedenkstättenpädagogische Arbeit auf die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft einzuwirken.
  3. Die dritte Ebene ist jene der klassischen Pädagogik: die pädagogischen Mitarbeitenden begleiten die Jugendlichen in ihrem Lernprozess und geben Anregung zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Es gilt, Räume für Irritationen, Austausch und Diskussion zu schaffen, in denen die Jugendlichen sich Geschichte erschließen und Fragen an Gegenwart und Zukunft stellen können. Gerade in Anbetracht der verunsichernden Themen bedeutet das, positive Lernerfahrungen zu ermöglichen, wozu auch gehört, verletzendes Verhalten zu stoppen.

Wissen vermitteln, gesellschaftspolitisches Engagement stärken und einen geschützten Lernraum gestalten - alles Aufgaben, die bei der Gedenkstättenpädagogin gleichzeitig zusammenlaufen.

Das Zusammenspiel aller drei Bereiche ist in der konkreten Arbeit wichtig, um dem Anspruch subjektorientierter Bildung gerecht zu werden. Wenn die Jugendlichen die Frage "Was hat das mit mir zu tun?" stellen können und während des Bildungsformats eine Antwort für sich finden können, ist es gelungen, einen Lernraum zu gestalten, in dem sowohl Wissensvermittlung sowie die Auseinandersetzung mit Werten und Fragen der Gegenwart zusammenkommen. Diesen Findungs- und Lernprozess junger Menschen zu begleiten, erfordert Sensibilität, Offenheit und pädagogische sowie kommunikative Kompetenzen. Gerade auf dieser pädagogischen Ebene beobachten wir bei vielen Teilnehmenden große Unsicherheiten.

Im Projekt "Erinnerung ins Land tragen!" wird diesem dritten Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet, sowohl bei der Gestaltung und dem Aufbau der einzelnen Workshops, als auch bei den gewählten Inhalten und ihrer methodischen Vermittlung. In den Aus- und Fortbildungseinheiten werden gedenkstättenpädagogische Methoden praktisch ausprobiert. Die Teilnehmenden befinden sich immer wieder in der Rolle der Jugendlichen und erfahren nicht nur, wie eine Methode funktioniert, sondern auch wie sie sich "anfühlt". Durch einen sich wiederholenden Zyklus findet über die Ausbildung hinweg erfahrungsbasiertes Lernen statt: die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren nehmen am pädagogischen Programm teil und werden im Anschluss aufgefordert, in sich reinzuhören und ihre Erfahrungen und Gefühle als Teilnehmende zu reflektieren und zu benennen. Erst im Anschluss erfolgt der Perspektivwechsel auf die Vermittlungsrolle und im Austausch mit anderen werden die Potenziale und Herausforderungen der Methoden diskutiert. Diese Selbsterfahrung und die Reflexion auf den eigenen Lernprozess helfen bei der Klärung der eigenen Rolle in Bezug auf die eigene pädagogische Arbeit, was wiederum bei der Gestaltung eines subjektorientierten Lernsettings hilft. So können die zukünftigen Mitarbeitenden aus ihren Erfahrungen Schlüsse für die eigene pädagogische Praxis ziehen.

Subjektorientiertes Lernsetting. Wie will ich lernen und was bringe ich mit?

Die Entwicklung eines vertrauensvollen Raumes, in welchem subjektorientiertes Arbeiten mit möglichst allen Teilnehmenden realisiert werden kann und offene Selbstreflexion möglich ist, steht daher ganz am Anfang eines jeden Aus- und Fortbildungszyklus. Es geht um die subjektiven Wahrnehmungen der Teilnehmenden am Projekt, die Suche nach der eigenen Motivation, den Intentionen, persönlichen Schwerpunkten und Interessen und die Ermutigung, diese kritisch in die Arbeit einzubringen. Geschaffen werden kann dieses Lernsetting zu Beginn der Ausbildung durch die gemeinsame Herstellung einer gültigen Wertebasis für die Beschäftigung mit dem Thema der nationalsozialistischen Verbrechen an dem jeweils konkreten Ort.

Wir nehmen uns Zeit für ein intensives Kennenlernen der Teilnehmenden und die Herstellung eines persönlichen Bezugs sowie die Bestimmung gemeinsamer Ziele und Werte für die Dauer der gemeinsamen Zeit im Projekt. Dieser Einstieg stellt Vertrauen in der Gruppe her. Noch bevor sich dem Themenbereich Nationalsozialismus genähert wurde, werden die Teilnehmenden ermuntert, sich über ihre Zugänge zum Lernen und Arbeiten in Gruppen bewusst zu werden und diese offen zu artikulieren. Gemeinsame und divergierende Bedürfnisse und Interessen werden deutlich und es wird ein kritisch-solidarischer Arbeits- und Lernprozess angeregt.

Über die Herstellung eines persönlichen Bezugs zum Thema Nationalsozialismus werden die Teilnehmenden angeregt, ihre Vorannahmen, Erfahrungen und Erwartungen zu finden, zu benennen und zu diskutieren. Eine Reflexion auf die eigene innere Haltung und die inneren Bilder kann Multiplikatorinnen und Multiplikatoren darin stärken, subjektorientiert mit Jugendlichen zu arbeiten: auch sie bringen eigene Einstellungen, Erfahrungen und Erwartungen mit, die ebenso einen Einfluss auf das Lernen haben wie die jeweilige Gruppendynamik, der Kontext des Besuchs und andere Rahmenbedingungen. Subjektorientiertes Arbeiten denkt diese Kontexte mit und ermöglicht einen flexiblen und wertschätzenden Lernraum, in welchem die Jugendlichen und ihre Interessen (soweit möglich) Ausgangspunkt der Auseinandersetzung vor Ort sind. Die Formulierung von Interessen und Fragen steht daher ganz am Anfang einer jeden Maßnahme. Die bisherige Erfahrung aus dem Projekt zeigt, dass dieser Prozess zu Beginn immer wieder als Referenz genutzt wird, wenn es im weiteren Verlauf der Aus- und Fortbildung darum geht, eigene Positionen und Zugänge kritisch zu reflektieren.

Dabei werden durchaus auch Fragen und Unsicherheiten der Teilnehmenden transparent gemacht, eigene familiäre Prägungen und die eigene Eingebundenheit in gesellschaftliche Narrative kommen zum Vorschein. Die Erfahrung einer kritischen und dabei wertschätzenden Auseinandersetzung in der Gruppe sensibilisiert, so die Hoffnung, für die Arbeit mit Jugendlichen und deren vielfältigen Zugängen und Fragen. Zudem verdeutlicht diese selbst gemachte Erfahrung die Wichtigkeit eines subjektorientierten Lernsettings und die Prozesse, die darin pädagogisch begleitet werden können.

Hier vollzieht sich der Rückschluss auf die zu Beginn stattfindende Beschäftigung mit dem eigenen Zugang zum Thema Nationalsozialismus und was es für einen guten Lern- und Arbeitsprozess braucht. Im Laufe der Ausbildung wird darauf immer wieder aktiv Bezug genommen und Methoden daraufhin geprüft, welche Zugänge sie für unterschiedliche Teilnehmende ermöglichen und inwiefern ein persönlicher Zugang zum jeweiligen Thema gefunden werden kann. Selbst eigene Widerstände in der Arbeit zu erfahren und diese zu diskutieren schärft das Bewusstsein für die Herausforderungen und Potenziale subjektorientierter Bildungsarbeit und die eigene Rolle darin.

Grenzen der Subjektorientierung: Gesellschaftliche und räumliche Einflüsse

Wichtig bleibt bei aller Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Rollen von Gedenkstättenpädagoginnen und -pädagogen, auch die Grenzen der eigenen Arbeit zu (er)kennen. Katharina Rhein weist in ihrer Arbeit zu "Erziehung nach Auschwitz in der Migrationsgesellschaft"[15] auf die Gefahren einer "Pädagogisierung" sozialer und gesellschaftlicher Verhältnisse hin, die auch für die Frage nach Zielen und Grundlagen der Gedenkstättenpädagogik relevant sind und ins Projekt einfließen.

Die Erwartung, dass ein Besuch von Gedenkstätten Jugendliche gegen rechtsextreme Einstellungen, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung immunisieren würde, wird von den meisten Gedenkstättenmitarbeitenden zu Recht vehement zurückgewiesen. Trotzdem bleibt der Anspruch bestehen, mit der Bildungsarbeit an Gedenkstätten nicht nur Wissen über die Vergangenheit zu vermitteln, sondern durch dieses Wissen auch auf Gegenwart und Zukunft Einfluss zu nehmen. Die Motivation für die häufig herausfordernde Arbeit speist sich, wie oben dargestellt, oft zu einem großen Teil aus diesem Anspruch, die meisten Teilnehmenden des Projekts benennen diesen Anspruch als Motivation für ihre Teilnahme. Gleichzeitig liegt hier das Potenzial der größten Enttäuschung: wie viel Anstöße lassen sich in Bildungsformaten geben, die häufig nur wenige Stunden dauern? Wie viel Raum können Gegenwartsbezüge einnehmen, ohne die Vermittlung historischen Wissens zu vernachlässigen? Wie stark ist der Einfluss der Pädagogik auf diskriminierende Strukturen gesellschaftlichen Ursprungs? In Konsequenz: wie viel Einfluss hat die einzelne pädagogische Mitarbeitende an der Gedenkstätte?

Bei der Stärkung der Kompetenzen der Teilnehmenden für ihre zukünftigen Aufgaben gehört es bei der erwähnten Rollenschärfung daher auch dazu, sich diese Fragen zu stellen und sich die Grenzen der eigenen Arbeit bewusst zu machen und gleichzeitig nicht die Motivation zu verlieren. Ein Bewusstsein über die eigene Involviertheit in diskriminierende Gesellschaftsstrukturen ist ebenso Teil der erläuterten Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Gedenkstättenpädagogin, um Spannungen offen legen zu können. Statt auf moralisierende Appelle und einfache Antworten auf komplexe Fragen zurückzugreifen, ist es für eine Bildungsarbeit, der es um Mündigkeit und Kritikfähigkeit geht, zielführender, in die produktive Arbeit mit (jugendlichen) Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätte zu gehen. Das erfordert von Seiten der Mitarbeitenden dabei auch die Fähigkeit und Bereitschaft mit irritierenden und herausfordernden Situationen souverän umgehen zu können. Dafür braucht es Mut zur Auseinandersetzung und die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten - Kompetenzen, die durch eine professionelle Ausbildung, Vorbereitung und Begleitung gestärkt werden können, und die wir insbesondere durch einen offenen, wertschätzenden und selbstreflexiven Austausch in der Gruppe während der Ausbildungsmodule anregen wollen.

Der Zugang zum Ort

Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt liegt in der Beschäftigung mit dem ehemaligen Lager als historischem Tatort in der unmittelbaren Nachbarschaft, seine politische Entwicklung zu einem Gedenkort und seine Bedeutung für die Bildungsarbeit. Über die Auseinandersetzung mit dem ehemaligen KZ-Außenlager Kaltenkirchen und der heutigen Gedenkstätte wird im Projekt der Blick auf NS-Geschichte, insbesondere im regionalen Kontext gelegt. Damit einher geht aber auch eine kritische Reflexion auf den Ort als solchen.

An Orte des "NS-Geschehens" wird bekanntlich häufig eine hohe Erwartung gestellt - besonders von Seiten der Lehrkräfte, die sich nicht selten die Verknüpfung historischer Lerninhalte mit Emotionen bei ihren Schülerinnen und Schülern erhoffen. Aber auch die Jugendlichen selbst bringen oft konkrete Vorstellungen mit, die aufgeladen sind mit Bildern, die (pop)kulturell geprägt sind. Diese mitgebrachten Vorstellungen von Konzentrationslagern werden beim Besuch einer Gedenkstätte häufig enttäuscht. Das trifft für kleine Gedenkstätten in Schleswig-Holstein wie jene in Kaltenkirchen in besonderem Ausmaß zu, denn:

  1. In Kaltenkirchen ist von der ursprünglichen Bebauung so gut wie nichts mehr zu sehen, die Besucherinnen und Besucher treffen auf "grüne Wiese" mit nachgeschichtlicher Gestaltung.
  2. Das KZ Kaltenkirchen war als Außenlager von Neuengamme verhältnismäßig klein, dementsprechend ist das heutige Außenareal sowie der Ausstellungsraum gestaltet.
  3. Das KZ Kaltenkirchen ist ein Konzentrationslager für Zwangsarbeiter gewesen, die hier gezwungen wurden, eine Landebahn für den örtlichen Flugplatz der Luftwaffe zu bauen. Hier hat keine Vernichtung von Juden stattgefunden und es gibt keine Gaskammern, Krematorien, Rampen oder andere Baulichkeiten, die zu Symbolen für die Shoah geworden sind und damit allgemein die Vorstellungen geprägt haben "was ein Konzentrationslager ist".

Die oft sehr klaren Erwartungen an den Besuch einer KZ-Gedenkstätte werden dementsprechend oft - ausgelöst durch den vorgefundenen Ort - irritiert. Diese Irritationen machen wir im Projekt zum Ausgangspunkt des Zugangs zum Ort und sprechen mit den Teilnehmenden über Potenziale von Brüchen in Erwartungen und Bildern für eine kritische Bildungsarbeit. Dieses Bewusstsein für die Potenziale von Irritationsmomenten begleitet die gemeinsame Arbeit im Laufe der Aus- und Fortbildung.

Damit verbunden ist eine Auseinandersetzung über die Rolle der pädagogischen Mitarbeitenden, ebenso wie jene der Schülerinnen und Schüler als (potenzielle) Akteure der Gestaltung der Gedenkstätte als Lernort im Heute. Denn so, wie Geschichte immer auch die Geschichte einzelner Personen ist, so gestalten auch einzelne Personen im Kontext z.T. gegenläufiger gesellschaftlicher Verhältnisse heute Erinnerung. Dies zu vermitteln, kann zur Stärkung von Selbstwirksamkeitserfahrung bei (zukünftigen) pädagogischen Mitarbeitenden führen, die einen Ort in ihrer Nachbarschaft erleben, an dem sie jugendliche Besucherinnen und Besucher dabei begleiten sich Geschichte zu erschließen und dabei Gegenwart gestalten können.

Praktisches

Die dargestellten Themen und Fragestellungen begleiten das Projekt und sind in seine Gestaltung und Konzeptionierung eingeflossen. Sie sind die Grundlagen für das Ziel einer Entwicklung von und der Auseinandersetzung mit der Frage nach einer inneren Haltung von gedenkstättenpädagogischen Mitarbeitenden. Sie strukturieren den Aufbau der einzelnen Ausbildungsmodule von "Erinnerung ins Land tragen!" und werden in den regelmäßig dafür eingeplanten Zeiten reflektiert. Sie bilden die gemeinsame Basis der Ausbildungsreihen, die sich ansonsten von ihren inhaltlichen Schwerpunkten unterscheiden.

Die Ausbildung findet in Form von Workshopmodulen oder Summerschools statt, mit je eigenem thematischen Schwerpunkt: Menschenrechte, lokale Geschichtsvermittlung, Antisemitismus und rassismuskritische Bildungsarbeit - alle im Kontext der Gedenkstättenpädagogik - werden sich von den Teilnehmenden durch Methoden und begleitende Inputs erarbeitet. Die Geschichte des KZ-Außenlagers Kaltenkirchen und die Arbeit an der Gedenkstätte heute im Kontext der schleswig-holsteinischen Erinnerungskultur, bilden den konkreten Ansatzpunkt der Auseinandersetzung mit NS-Geschichte und den mit ihr spezifisch verbundenen Themenbereichen wie Zwangsarbeit, das System der Konzentrationslager, Widerstand und Solidarität innerhalb der Häftlingsgesellschaft. Die spezifischen Einheiten zum Schwerpunktthema werden dabei immer begleitet durch Einheiten zur Grundlagen der Gedenkstättenpädagogik und in wiederkehrenden Schleifen wird auf eigene Erfahrungen, Erwartungen und Erkenntnisse reflektiert. Das zentrale Ziel, das mit all diesen Themen verbunden ist, bildet die Entwicklung einer selbstreflexiven inneren Haltung für den Einstieg in die gedenkstättenpädagogische Arbeit.

Zwei Drittel des Projekts haben zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels erfolgreich stattgefunden. Was heißt erfolgreich? Zunächst ist festzuhalten, dass das Aus- und Fortbildungsangebot sehr gut angenommen wird. Für alle drei bisher stattgefundenen Formate gab es eine hohe Nachfrage - das war im Vorfeld nicht selbstverständlich. Wie hoch die Nachfrage an einer Weiterbildung zu diesem Thema in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein mit einer niedrigen Bevölkerungszahl und einer, wie beschrieben, in weiten Teilen wenig etablierten und bekannten Gedenkstättenlandschaft sein würde, war im Vorfeld eine offene Frage.

Nun haben allein im Jahr 2021 bereits 50 Personen bei "Erinnerung ins Land tragen!" teilgenommen, 2022 rechnen wir mit etwa 30 weiteren Teilnehmenden. Eine unabhängige Sozialwissenschaftlerin begleitet seit Juni 2021 das Projekt. Wie erfolgreich die benannten Ziele des Projekts tatsächlich erreicht wurden, wird eine von ihr erstellte wissenschaftliche Ergebnisevaluation zeigen. Diese soll dann auch ganz praktisch messbare Ergebnisse liefern, die auf der politischen Ebene die langfristigen Potenziale professioneller gedenkstättenpädagogischer Strukturen im ländlichen Raum in Schleswig-Holstein zeigten.

Deutlich ist geworden, dass es ein großes Interesse an beruflicher Weiterbildung im Feld der Gedenkstättenpädagogik gibt und diese als Berufsfeld für viele Menschen attraktiv erscheint. Eine Aus- und Fortbildung wie "Erinnerung ins Land tragen!", die zwar ihren Ausgangspunkt an der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen nimmt, aber eine Teilnahme auch unabhängig von einem späteren Einstieg als Mitarbeitende anbietet, bietet hier einen guten Einstieg für sehr unterschiedliche Interessierte. Auch wenn von Seiten der Projektträger der Wunsch besteht, das Teilnehmende des Projekts in die Arbeit vor Ort einsteigen, so ist dies nicht der einzige praktische Erfolg. Absolventinnen und Absolventen der Aus- und Fortbildung nehmen die Zugänge, Themen und das erworbene Wissen in ihren Alltag und vielfältigen Berufe mit. Damit wird ganz praktisch, über die konkreten Gedenkstätten hinaus, Erinnerung ins Land getragen.

Herausforderungen. Und: wie weiter?

Was sich aktuell als eine besondere Herausforderung darstellt, ist die Einbindung der Teilnehmenden am Projekt in die praktische Arbeit vor Ort. Hier offenbaren sich noch einmal die bereits genannten Herausforderungen, mit denen sich kleine Gedenkstätten im ländlichen Raum konfrontiert sehen: so ist die KZ-Gedenkstätte in Kaltenkirchen nicht an den ÖPNV angebunden, es fehlt (noch) an ausreichend Mitteln für Honorare und es müssen Strukturen für die Einbindung der Guides an den Orten selbst geschaffen werden.

Hinzu kommt, dass die Covid-19-Pandemie einen deutlichen Einfluss auf die Veranstaltungen an der Gedenkstätte hat. Bildungsformate müssen immer wieder verschoben oder abgesagt werden. Die Einbindung der ausgebildeten Guides verzögert sich dadurch deutlich.

Eine wesentliche, wenn auch nicht unbedingt neue Erkenntnis des Projekts ist daher: motivierte Personen für ein gedenkstättenpädagogisches Engagement zu finden ist gut möglich, auch in strukturschwächeren und ländlichen Regionen - der Aufbau verlässlicher Strukturen um diese an Gedenkstätten im ländlichen Raum einzubinden ist dagegen eine Herausforderung.

Im Zuge der Erfahrung des Projekts wird daher der Aufbau eines landesweiten Netzwerks ins Auge gefasst, in dem sich Absolventinnen und Absolventen perspektivisch gedenkstättenübergreifend organisieren und austauschen können. Angedacht sind regelmäßige Vernetzungstreffen, Workshops zur Fortbildung, die gemeinsame Entwicklung von Projekten und mehr. Die im Projekt geschulten Guides könnten wiederum nicht nur an einer Gedenkstätte aktiv werden, sondern, je nach Bedarf, ihre Kompetenzen an verschiedenen Orten einbringen. Inwiefern das in Zukunft umsetzbar ist, wird sich zeigen - die Herausforderungen bezüglich der Organisation und Begleitung dieses Netzwerks bleiben. Eine stabile und auskömmliche Finanzierung besonders kleiner und ländlicher Gedenkstätten würde daher auch die Weiterentwicklung und Etablierung von Qualitätsstandards in der gedenkstättenpädagogischen Bildungsarbeit stärken, wie sie hier skizziert wurden.

Das Projekt "Erinnerung ins Land tragen!" selbst wird dieses Jahr enden, in der ersten Jahreshälfte 2022 finden zwei weitere Ausbildungsformate statt, dann ist die Umsetzungsphase abgeschlossen. Die Erfahrungen, die in den dann zweieinhalb Jahren Laufzeit gemacht wurden, sollen im Anschluss des Projekts im Rahmen einer Publikation zusammengetragen und allgemein zugänglich gemacht werden und damit auch anderen Gedenkstätten als Ressource dienen.

Subjektorientiertes Arbeiten, internationale Perspektiven auf das System Konzentrationslager, verstärkte Multiperspektivität, wachsender Antisemitismus und Rechtsextremismus sowie die Auseinandersetzung mit der Entstehung der Gedenkstätten und der Geschichte von Erinnerung und Gedenken sind nur eine kleine Auswahl von aktuellen Themen, mit denen sich die Gedenkstättenpädagogik konfrontiert sieht. Um diesen angemessen und subjektorientiert zu begegnen, können professionelle Aus- und Weiterbildungsstrukturen, wie sie im Rahmen von "Erinnerung ins Land tragen!" entwickelt und erprobt werden, beitragen.

Wir erhoffen uns damit nicht nur die Stärkung und Weiterentwicklung der Gedenkstättenlandschaft in Schleswig-Holstein, sondern auch Impulse für andere Orte und insbesondere kleine Gedenkstätten ohne professionelle Bildungsabteilung. Darüber hinaus können die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Projekt für die Debatte um Grundlagen einer professionellen Gedenkstättenpädagogik insgesamt genutzt werden.

 

Freya Kurek ist Politikwissenschaftlerin und historisch-politische Bildnerin aus Frankfurt am Main. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Gedenkstättenpädagogik, Antisemitismus, Kritische Theorie und die Frage nach den gesellschaftlichen Aus- und Fortwirkungen des NS heute. Seit 2020 leitet sie das Projekt "Erinnerung ins Land tragen!" an der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen.

 

Literatur

Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit, Suhrkamp 2008.

Broden, Anne/Hößl, Stefan E./Meier, Marcus (Hrsg.): Antisemitismus, Rassismus und das Lernen aus Geschichte(n), Beltz Juventa 2017.

Haug, Verena: Am "authentischen Ort". Paradoxien der Gedenkstättenpädagogik, Metropol 2015.

Hoffmann, Erich/Wulf, Peter: "Wir bauen das Reich": Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholtz 1983.

Popp, Susanne: Universitäre Ausbildung, Geschichtsdidaktik und die Gedenkstättenpädagogik, Gedenkstättenrundbrief Nr. 189; 6/2018.

Stephan Link: "Rattenlinie Nord". Kriegsverbrecher in Flensburg und Umgebung im Mai 1945, in: Paul/Schwensen (Hrsg.): Mai '45. Kriegsende in Flensburg. Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte 2015.

Thimm, Barbara/Kößler, Gottfreid/Ulrich, Susanne: Verunsichernde Orte. Selbstverständnis und Weiterbildung in der Gedenkstättenpädagogik, Brandes & Apsel 2010.

Rhein, Katharina: Erziehung nach Auschwitz in der Migrationsgesellschaft. Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus als Herausforderungen für die Pädagogik, Beltz 2019.

 

[1] Thimm/Kößler/Ulrich, 2010.

[2] Ebd., S. 25ff.

[3] Ebd., S. 13.

[4] Siehe z.B. Susanne Popp: Universitäre Ausbildung, Geschichtsdidaktik und die Gedenkstättenpädagogik, Gedenkstättenrundbrief Nr. 189; 6/2018.

[5] Das soll nicht unterschlagen, dass es auch an kleinen Orten im ländlichen Raum nicht an spannenden Initiativen und Projekten mangelt, die sich diesem Thema widmen. Anzuführen wären hier z.B. die Ausbildung zum "Jugendguide zur NS-Geschichte vor Ort in Brandenburg" bei "Zeitwerk" oder das Ebenfalls von der BKM geförderte Projekt "Mehr als Vergangenheit" an den KZ-Gedenkstätten Ladelund und Husum-Schwesing in Zusammenarbeit mit der Nordseeakademie Leck in Schleswig-Holstein.

[6] www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/Themen/Landwirtschaft/LaendlicheRaeume/laendlicheraeume.html (abgerufen am 20. 1. 2021)

[7] Hoffmann/Wulf, S. 13.

[8] Siehe dazu Stephan Link: "Rattenlinie Nord". Kriegsverbrecher in Flensburg und Umgebung im Mai 1945, in: Paul/Schwensen (Hrsg.): Mai '45. Kriegsende in Flensburg. Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte 2015.

[9] Zu Paul Pagel: https://geschichte-s-h.de/sh-von-a-bis-z/r/renazifizierung/ (abgerufen am 18. 1. 2022)

[10] Eine umfassendere Darstellung zur Geschichte und Entwicklung der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein siehe u.a.: Schmid, Harald: Gedenkstätten und Erinnerungsorte, BGSH 2020.

[11] "Mehr als Vergangenheit", ein Multiplikator*innen Projekt an den Gedenkstätten Ladelund und Husum-Schwesing in Kooperation mit der Nordseeakademie Leck und "Was geht uns das an?", ein Jugendprojekt an der Gedenkstätte Ahrensbök.

[12] Adorno 2008, S. 27.

[13] Davon zeugen vielfältige Publikationen, nicht zuletzt "Adorno revisited", 2010 herausgegeben von Klaus Ahlheim und Matthias Heyl, oder "Politische Bildung nach Auschwitz", 2015 herausgegeben von Benedikt Widmaier und Gerd Steffens.

[14] Haug: Am "authentischen" Ort, 2015.

[15] Rhein, 2019.