Freiwillige im Gedenkstättenreferat – zwei Generationen

Zoom-Gespräch am 6. März 2023. Interviewer: Florian Kemmelmeier
07/2023Gedenkstättenrundbrief 210, S. 101-109
Interview mit Wolfang Madl und Caroline Tupikowski

Florian Kemmelmeier (FK): Ich wollte euch beide zunächst bitten zu sagen, was ihr überhaupt mit dem Gedenkstättenreferat zu tun hattet.

Wolfgang Madl (WM): Ich bin Österreicher und in Österreich gibt es nach wie vor einen Wehrdienst, den man auch als Zivildienst absolvieren kann, und ich war von Mai 2000 bis Ende Juni 2001, also 14 Monate lang, bei der Stiftung Topographie des Terrors, als Auslands-Zivildienst. Das ist in Österreich eine fest verankerte Institution, eine Möglichkeit, dass man einen sogenannten Gedenkdienst an einer Einrichtung, die sich mit den Verbrechen des Nazi-Regimes auseinandersetzt, absolvieren kann.

FK: Caro, wie ist das bei dir?

Caroline Tupikowski (CT): Das erste Mal war mein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) Kultur, als erste FSJ-lerin nach dem österreichischen Gedenkdienst, von September 2014 bis August 2015. Das war bei mir auch alles eher Zufall. Während meiner Abizeit wusste ich noch gar nicht, was ich machen will. Meine Schwester hat ein normales FSJ in einem Hort gemacht und dann hab’ ich mich informiert und das FSJ Kultur gefunden. Ich glaub’ so um die 120 Einrichtungen waren es damals, da konnte man sich drei aussuchen. Ich hatte mir ausgesucht: die Topo, Sachsenhausen und Ravensbrück. Also da war schon immer so eine Tendenz bei mir zur NS-Geschichte, aber ich war mir nicht ganz sicher, was ich damit machen soll.

FK: Wie kam das bei dir, dass du da so einen starken Fokus hattest?

CT: Insgesamt sind es bei dem FSJ Kultur, wie der Name schon sagt, kulturelle Einrichtungen, tatsächlich ist der Teil von Erinnerungskultur da sehr klein. Ich glaub’ neben den drei erwähnten gab es noch das Museum Karlshorst und das war’s eigentlich, was NS-Geschichte oder Erinnerung anging. Mir war klar, ich will nicht aus Berlin weg, das heißt, entweder ich erreich’ es mit der Bahn, oder es ist raus für mich. Irgendwie hat mich die Topo vom Namen extrem angezogen, denn obwohl ich in Berlin geboren und aufgewachsen bin, kannte ich die Topo nicht! Darum war das auf jeden Fall mit in der Auswahl. Mein Opa war zu Kriegszeiten ein Kind, und hat mir, als ich jünger war, auch viel davon erzählt, und irgendwie hat er mir diese Affinität zu Geschichte vermittelt und dadurch war dann für mich klar, ich will nicht in ein Theater und Kulissen bauen, sondern ich will in Richtung Geschichte gehen und schauen, ob mir das gefällt.

FK: Und Wolfgang, wie war das bei dir?

WM: Welche Einrichtung speziell, da war ich jetzt nicht so fixiert. Mir war ein bisschen daran gelegen, dass ich in eine größere Stadt komme. Es war sicher etwas mehr Berlin als die Topo, muss ich ganz ehrlich gestehen. Es war damals eine enorm spannende Stadt. Und dann ist es halt die Topo geworden. Ich war da, wie gesagt, relativ unbelastet, in dieser ganzen Erinnerungskultur.

FK: Kannst du dich noch erinnern, wann du das erste Mal diesen Titel »Topographie des Terrors« gehört hast?

WM: Das war definitiv, nachdem ich eigentlich den Dienst fest hatte. Dass man sich auch mit der Organisation, mit der Täter-Struktur auseinandersetzt, das hab’ ich sehr interessant gefunden. Allerdings muss ich sagen: Wenn ich danach ins Berufsleben eingestiegen bin, und dann einen Lebenslauf geschrieben hab, und da hat man immer so ein Buzzword »Terror«, das war immer etwas erklärungsbedürftig … Ich bin zurückgekommen, da war 9/11, da wurde man schon des Öfteren angesprochen.

FK: Sehr spannend. Ich würde allerdings gerne noch mal ein Stück an den Anfang gehen. Als ihr im Gedenkstättenreferat gearbeitet habt, stell’ ich mir vor, waren die Umstände komplett verschieden. Wolfgang, wenn ich dich erst noch mal fragen darf: Wo war denn das Gedenkstättenreferat überhaupt? Also, wie hast du da gearbeitet? Wie viele Leute waren da? Wie muss man sich das vorstellen?

WM: Das war ja dazumals noch am Breitscheidplatz, im Bikini-Haus, glaub’ ich, heißt das, oder? Also im obersten Stock, ein wunderschönes Büro mit der Aussicht in den Zoo, wenn die Fenster offen waren, hat man die Affen schreien gehört. Mitten in der Stadt, sehr zentral gelegen. Per Zufall hatte ich auf der anderen Seite des Breitscheidplatzes in der Rankestraße, am Ende vom Ku’damm eine Wohnung. Auf dem heutigen Topo-Gelände war eine Bauruine, eine neue Bauruine, zwei Stiegenhäuser , die dann ja abgetragen wurden in weiterer Folge. Da gab’s noch die Ausstellung, entlang der Mauer in dem Graben. Aber alles andere war ja in der Schwebe, wie es überhaupt weitergeht. Das Team hat halt in diesem Bürogebäude am Breitscheidplatz gearbeitet, da gab’s eine kleine Bibliothek, ein kleines Archiv, und eben die einzelnen Büros. Also keine Besucher, keine Tagungen oder sonstige Veranstaltungen, das war dort im Wesentlichen ein Bürobetrieb, bis auf ein paar Studenten, die die Bibliothek für sich entdeckt hatten.

FK: Blick auf den Zoo, oberstes Stockwerk, das hört sich auf jeden Fall gut an. Caro, wie war das bei dir 2014?

CT: Bei mir stand der Neubau. Von außen hat man einfach diesen grauen Würfel mit außen Metallgittern dran. Innen hat man dann oben die ganze Ausstellungsfläche, mit einem Café, mit dem Auditorium dran, und wenn man runtergegangen ist, hat man noch die Bibliothek, nach links die Seminarräume und das Gedenkstättenreferat und nach rechts alle anderen Büros. Das Referat war und ist immer komplett abgetrennt von allen anderen. Aber ich hab’ mich nie ausgeschlossen gefühlt, das fand ich immer sehr schön. Ich saß immer in diesem Büro mit Betonwänden, und Wände auch voll mit allen Akten, mit allem, was Thomas Lutz so gesammelt hat.

FK: Du hast eben gesagt, das Ambiente war eher bürokratisch. War denn auch der Arbeitsalltag dadurch geprägt? Was habt ihr überhaupt gemacht?

CT: Bei mir 2014 war’s viel Arbeit mit den Websites damals, nämlich das GedenkstättenForum und die GedenkstättenÜbersicht. Man macht täglich die News, man sucht Artikel zu Gedenkstätten, zu historischen Ereignissen und stellt die rein oder auch Veranstaltungen aus verschiedenen Einrichtungen. Das war ein sehr großer Teil meines Alltags. Und grade als ich angefangen hab, hatte ich das Glück, dass Thomas an einer Ausstellung gearbeitet hat, die in Warschau gezeigt werden sollte, im damals neuen Museum für die Geschichte der polnischen Juden. Und ich weiß noch, ich war komplett überfordert, aber er hat mir mehrere Seiten Text in die Hand gedrückt und meinte, »wär’ schön, wenn du das bis morgen übersetzt hast!« und ich hatte noch nie … ich bin zwar muttersprachlich polnisch, aber ich musste nie so Fachbegriffe nutzen, und dann hab’ ich angefangen das zu übersetzen, mit meiner Mutter zuhause, weil ich einfach komplett überfordert war. Aber das war tatsächlich eine der besten Erfahrungen, die ich gemacht hab’, weil ich eben in diese Ausstellungseröffnung sofort eingebunden wurde und das hat mir so viel Spaß gemacht! Das war aber ein Sonderfall, nicht jeder FSJ-ler hatte dann so eine ähnliche Erfahrung.

FK: Wolfgang, wie lief bei dir der Arbeitsalltag?

WM: Ja, erstaunlich, dass sich die Inhalte nicht ganz so verändert haben, über die Jahre. Auch dazumals war es eben das GedenkstättenForum und diese – ich hätt’s nicht mehr gewusst – die GedenkstättenÜbersicht, so eine Karte mit den ganzen Punkten und Informationen. Zu dem Zeitpunkt war das Forum noch relativ neu. Ich hatte das übernommen von meinem Vorgänger, mit dem hatte ich mich zwei Monate überschnitten. Neben der Pflege – also Zeitungen durchsuchen, Artikel einstellen, Veranstaltungen pflegen – hatten wir die Seite auch noch inhaltlich und von der Struktur ausgebaut, das ist mir entgegengekommen, weil ich ein bisschen Webdesign oder Programmieren auch mitgebracht hatte.

FK: Gab’s auch bei dir, Wolfgang, besondere Momente in der Zeit als Freiwilliger, an die du dich erinnern kannst?

WM: Es gab einmal so ein jährliches Treffen, da waren wir auf der Wewelsburg, kann das sein? Da war rundherum etwas anderes zu tun. Und zum anderen war damals Rechtsextremismus im Internet irgendwie neu aufgekommen. Dazu hatten wir etwas recherchiert, dann auch einen Beitrag zum GedenkstättenForum dazu geschrieben und an ein paar Tagungen, die in Berlin waren, teilgenommen. Wir haben dann auch Adressen gesammelt, wo Inhalte sind, die verdächtig sind, auch mit der Domain ».kz« hinten. Da sind wir darauf gestoßen, dass die ganzen gängigen KZ-Bezeichnungen mit dieser Domain geschützt wurden. Da hatten wir dann mit der Botschaft von Kasachstan Kontakt, ob man da was machen kann, damit man diese Domains sperrt. Und, was auch sehr angenehm war – das bringt vielleicht auch der österreichische Gedenkdienst mit sich –, dass man ganz gut vernetzt ist mit anderen Einrichtungen. Also sei es jetzt Karlshorst oder Oranienburg, oder Ravensbrück, oder eben auch in Hamburg. Das haben wir dann öfters selbst organisiert mit anderen Gedenkdienstleistenden, dass man da mal wohin fährt, Ausstellungen anschaut, und … ja, Austausch auf dieser Ebene pflegt. So ist man ziemlich gut rumgekommen, überall wo es jemand gegeben hat in dem Bereich.

FK: Caro, wie war das bei dir mit dem Austausch und der Vernetzung mit anderen FSJ-lern?

Caro: Bei dem FSJ ist es so, dass man sowieso Weiterbildungsseminare hat. Mit den Leuten, die in Karlshorst, in Sachsenhausen und Ravensbrück waren, war ich zusammen in der Seminargruppe. Und dann gab’s noch ein Weiterbildungsseminar mit einer Vertiefung, bei mir war’s tatsächlich auch die Vertiefung »Erinnerungskultur«, ich meine aber, dass es die nach mir nicht mehr gab, weil die unter den FSJ-lern nicht so ganz beliebt war und es sehr schwierig war, für das Seminar Leute zu finden. Aber da waren wir dann auch eine Woche in Ravensbrück und haben auch zwei Überlebende kennengelernt, mit der einen hatte ich auch nach dem Seminar noch ganz lange Kontakt.

FK: Mich würde jetzt noch mal interessieren, wir haben übers Arbeiten gesprochen, wie ihr die Atmosphäre im Referat einschätzt. Also, ich nehme jetzt mal an, Thomas Lutz hat dabei eine Rolle gespielt. Wer war denn sonst noch da?

WM: Also ich kann sagen, wie’s zu meiner Zeit war: Da war’s ein Zivildienst-, oder ein Gedenkdienstleistender, dann war’s Thomas, das waren sozusagen zwei Büros nebeneinander, und dann gab’s noch eine Dame, die glaub’ ich zweimal die Woche kam, ich bin nicht gut mit Namen. Und das war’s schon.

Und Thomas war wenig anwesend. Ich glaub, das ist so ein bisschen immanent, oder? Also da war man sehr – im Positiven auch – sehr selbstständig. Dieses Forum, diese Sachen sollten ja laufen, und die haben, glaub’ ich, auch ganz gut funktioniert. Es war auf den Gängen durchaus ruhig, muss man auch dazu sagen.

FK: Okay! [lacht], wir sagen mal positiv: »entspannte Atmosphäre«, ich höre jetzt mal weiter: »an der Grenze zur Langeweile«, oder wäre das zu viel gesagt?

WM: Nein, ich denke, es gab so einen klassischen Tagesablauf. In der Früh war man – ich weiß nicht, ob das bei Caro ähnlich war – beschäftigt, damit alles läuft. Da hat man mal zwei Stunden ordentlich zu tun gehabt. Ich bin durchaus jemand, der früh startet. Mein Ehrgeiz war immer, dass um neun die Website auf Stand ist, und alles passt, und alle News drauf sind … und dann halt je nachdem, was noch an anderen »Projekten« anstand, sei es an Verbesserung der Website, sei es an Sonderthemen oder Ausstellungen, oder auch Seminarvorbereitung, oder etwas rund um den neuen GedenkstättenRundbrief, ein paar administrative Tätigkeiten.

CT: Bei uns war’s auch ein kleines Team, eben Thomas, Michaela, die, ich glaube, damals bei Wolfgang auch schon da gewesen sein müsste …

WM: Ich glaub’ sie war neu! Ich glaub’, sie war gerade gestartet, in meinen letzten zwei Monaten oder so.

FK: Michaela Illner, die jetzt heute auch im Referat ist.

CT: Genau, Michaela ist ja auch schon sehr lange dabei. Und Thomas und sie waren quasi der Kern des Referats. Dann gab’s noch mich als FSJ-lerin und ich habe mich in dem Jahr, das ich da war, mit zwei Praktikanten überschnitten, sonst waren wir eigentlich hauptsächlich zu dritt. Ja, bei mir war die Arbeitsatmosphäre insgesamt auch sehr entspannt. Wie Wolfgang es gesagt hat, man macht halt morgens seine ganzen alltäglichen Arbeiten, aber dann ist es auch irgendwann durch. Und dann sucht man sich Arbeit! Ich hab’ dann zum Beispiel die Aktenablage ordentlicher gemacht, hab’ alte Akten ins Archiv gebracht, neue Akten angelegt, so Sachen. Was ich auch machen konnte und durfte, war, mich selbst zu beschäftigen, mit einem Thema. Ich weiß noch, damals hatte ich die Biografie von Amon Goeth gelesen, weil da grade das Buch seiner Enkelin rauskam, mit dem Titel »Mein Opa hätte mich erschossen«. Es war immer flexibel und entspannt. Weil, wie bei Wolfgang: Thomas war immer viel auf Dienstreise. Und dann ist es natürlich immer angenehm, wenn einem auch das Vertrauen entgegengebracht wird, dass man seine Aufgaben macht, und niemand steht dahinter und kontrolliert einen, und man kann sich auch noch selber beschäftigen, das fand ich immer sehr schön.

WM: Dieser Gedenkdienst ist ja auch ein bisschen ein Geben und Nehmen. Ich glaub’, das hat der Topo und dem Gedenkstättenreferat was gebracht, weil es einfach doch einen wesentlichen Teil der Kontinuität ermöglicht hat. Und andererseits hat es den jungen Leuten ermöglicht, ins Ausland zu kommen, sich mit den Themen zu beschäftigen. Solange das funktioniert hat, das beide so verstanden haben, war das sehr angenehm. Und man hat sich, wie Caro das sagt, ein Stück weit halt auch schon selbst organisieren müssen.

FK: Habt Ihr das so erlebt, dass das Gedenkstättenreferat der unmittelbare Bezug war und die anderen Kollegen dann eher ein Stückchen weiter weg waren oder war das für euch gerade nicht so?

CT: Ich hatte ja mit mir im Büro Michaela immer als Ansprechpartnerin, also sie war schon mein Hauptbezugspunkt für jede Frage, die ich hatte. Aber ich hab’ die Topo damals auch als sehr offen erlebt. Ich erinnere mich noch genau an meine Vorstellungsrunde, wie ich alle kennengelernt hab’, ein paar davon sind ja jetzt auch immer noch da. Man hat sich dann zwar irgendwie nur beim Kaffeeholen gesehen, aber sich dann sehr nett unterhalten. Also ich hatte auch, ähnlich wie bei Wolfgang, durch Eigeninitiative kleine Mini-Projekte am Laufen, bei mir waren’s dann die Volontäre, die grade an einer Ausstellung gearbeitet haben zu »Massenerschießungen« und verschiedene Dokumente hatten, die noch nicht übersetzt waren. Man hatte so seine Home Base im Referat, aber man konnte auch gut rauskommen damals.

FK: Wolfgang, bei euch war alles noch so ein bisschen übersichtlicher, hab’ ich das noch richtig im Ohr?

WM: Ja, da war zuerst jeder ein bisschen in seinem Büro, geschlossene Türen, das war für mich etwas Neues von der Uni kommend, wo alles immer offen war, alles überbelegt. Hier war plötzlich sehr viel Platz, sehr viel Ruhe. Nach einer gewissen Zeit haben sich dann doch einige gefunden, die entweder als Hiwi gearbeitet haben oder Dissertationen gemacht haben, oder eben festangestellt waren, wie Ulrich [Tempel] dazumals, ein paar so jüngere Leute, die grob in der gleichen Altersschiene waren, also das hat sich eigentlich sehr gut entwickelt. Das halte ich schon für enorm wertvoll, dass das entstanden ist in der Zeit, dass neben der inhaltlichen Beschäftigung auch Bekanntschaften fürs Leben entstanden sind. Mit ein paar wenigen natürlich.

FK: Wie würdest du die Nachwirkungen bei dir beschreiben, Caro, von diesem FSJ?

CT: Die Topo hat mich ja über die Jahre schon begleitet, mein FSJ 2014/15, dann bin ich zurückgekommen fürs Praktikum während des Studiums und ab Februar 2021 hatte ich eine zweijährige studentische Aushilfsstelle. Diese ganzen Kontakte aus dem FSJ sind halt einfach noch geblieben. Man weiß nicht, wo es hinführt, aber es hat mich eben… das FSJ hat mich auf den Weg des Geschichtsstudiums gebracht mit der Sicherheit ich will das 100 % machen, und ich hoffe, dass es auch einfach so bleibt.

FK: Ich fand ja interessant, Wolfgang, dass die Topographie des Terrors im Lebenslauf erst mal so ein irritierender Moment war. Wenn du da jetzt noch mal mit diesem längeren Abstand zurückschaust, wie würdest du den Platz für die Topographie beruflich einschätzen?

WM: Ich mach’ fachlich ganz was anderes. Ich fand es irrsinnig spannend zu sehen, wie im geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich gearbeitet wird, ganz anders mit Sprache umgegangen wird, viel sensibler.

Ich muss sagen, persönlich hab ich viel mitgenommen. Ich find’s toll, dass es die Möglichkeit immer noch gibt, weil mittlerweile mein Größter langsam in das Alter kommt, wo er über solche Dinge nachdenken muss. Ich find es nach wie vor toll, dass da viele junge Leute aufbrechen, und damit eben auch mit dem Thema nach wie vor in Berührung kommen.

FK: Caro, wenn du jetzt noch mal aus der Gegenwart auf diese Zeit, die du an der Topo bisher verbracht hast, zurückschaust, was würdest du sagen, was hat sich verändert?

CT: Ich hab’ das Gefühl, dass Corona ein bisschen was verändert hat. Zwischen meinem FSJ und meinem Praktikum habe ich es als sehr ähnlich empfunden. Im Februar 2021 kam ich wieder und hab’ nen Laptop bekommen: »Bleib bitte zu Hause, das ist ein Dreier-Büro, du solltest hier nicht sitzen.« Bei der letzten Anstellung hatte ich viel weniger Kontakt zu den Leuten insgesamt. Ich habe drei FSJ-ler erlebt, die während Corona da arbeiten mussten, und das ist natürlich viel schwieriger, wenn die Hälfte der Belegschaft nie da ist. Das tut mir immer so ein bisschen leid, weil die selber auch sehr isoliert in diesem Büro sitzen. Ich hab’ einfach das Gefühl, dass man vielleicht den Kontakt zu den Kollegen irgendwie anders wieder aufbauen muss, also gerade als FSJ-ler. Was wirklich schade ist, weil es für mich eine riesige Bereicherung war, diese ganzen Kontakte zu haben, ich wurde sehr herzlich empfangen damals. Aber insgesamt ist die Topo gleich geblieben, es ist immer noch eine ähnliche Arbeit. Wir haben zwar das GedenkstättenForum gerelauncht, aber die FSJ-ler machen immer noch quasi genau die Arbeit, die ich gemacht hab’, nur eben ein bisschen moderner sozusagen.

FK: Ich fand interessant, dass eben doch vieles ähnlich geblieben ist. Es gibt eine große Kontinuität, und das spricht ja eigentlich auch dafür, dass in der einen oder anderen Form dieser Freiwilligendienst auch nicht vor dem Ende steht.

CT: Wir haben jetzt wenig zu Thomas gesagt. Ich habe ihn als einen der besten Vorgesetzten die ich jemals hatte, empfunden. Wir haben beide gesagt, er war viel nicht da, und klar ist das so, aber ich habe zum Beispiel nichts gemacht, ohne das mit ihm abzustimmen. Das Vertrauen, dass man diese ganzen Aufgaben auch schafft und dass man die nicht beaufsichtigt machen muss, finde ich toll. Es hat alles immer sehr viel Spaß gemacht, auch wenn es mal stressige Momente gab, aber es war immer toll, wirklich!

WM: Gut, dass Caro es angesprochen hat. Wir hatten jetzt ein sehr angenehmes Gespräch, ich hatte vorab etwas Bedenken, weil ich eben zur Person, aus dem Abstand heraus so viel gar nicht sagen kann. Aber ich glaube, ich habe das vorhin auch schon angesprochen, es war da ein sehr großes Vertrauen, dass die Freiwilligen diesen Teil der Arbeit übernehmen: »Kannst du das mal anschauen? Oder kannst du mal einen Bericht schreiben?« Dass man nur mitläuft, dass man nur assistieren kann, nicht selber arbeiten kann, das war definitiv nicht der Fall. Das war vielleicht auch zu meiner Zeit noch ein Stück weniger selbstverständlich wie es heute ist.

FK: Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie’s dann weitergeht, wenn Thomas und das Gedenkstättenreferat nicht mehr ein und dasselbe sein werden. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Euch beiden für das interessante Gespräch!

Wolfgang Madl ist studierter Umwelttechniker und arbeitet als Bereichsleiter Energie & Umwelt. Von Mai 2000 bis Juni 2001 war er als österreichischer Gedenkdiener des Vereins »Niemals vergessen« im Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors.

Caroline Tupikowski studiert Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2014 bis 2015 absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur (FSJ-Kultur) im Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors, wo sie später auch als Praktikantin, sowie zwischen 2021 und 2023 als studentische Hilfskraft tätig war.