»Perspektiven öffnen – Geschichten teilen«

Ein prozessorientiertes und partizipatives Projekt der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu multiperspektivischem Erinnern in der Migrationsgesellschaft
03/2023Gedenkstättenrundbrief 209, S. 23-30
Eyleen Grinda und Susann Lewerenz

Kurzer Überblick zum Projekt

Mit der Veröffentlichung eines »Pageflows«[1] hat im Juni 2022 das partizipative und prozessorientierte Projekt »Perspektiven öffnen – Geschichten teilen« der KZ-Gedenkstätte Neuengamme[2] seinen Abschluss gefunden. Das im Januar 2021 gestartete Projekt wurde im Rahmen des an der Universität Hildesheim verankerten Transferprojekts »Migration Lab Germany«[3] mit Förderung der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«[4] durchgeführt. Das Anliegen des Projekts war es, in Deutschland lebende Menschen mit ost- und mittelosteuropäischer Herkunfts- sowie Familiengeschichte dazu einzuladen, sich über ihre Perspektiven auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg und speziell die nationalsozialistischen Massenverbrechen im östlichen Europa auszutauschen. Auf diese Weise sollten gängige Narrative der Erinnerungskultur sowie damit verbundene Annahmen hinsichtlich relevanter Sprechpositionen kritisch reflektiert, »Leerstellen« der Erinnerung ausgeleuchtet und vielfältige Perspektiven auf die Erinnerungskultur in der deutschen Migrationsgesellschaft eröffnet werden. Die Projektergebnisse sollten in ein digitales Bildungsmodul einfließen.

In zwei Workshops sowie in zahlreichen Einzel- und Kleingruppengesprächen entwickelte das Projektteam, bestehend aus der Projektleiterin Dr. Susann Lewerenz sowie Eyleen Grinda, Nina Weber und Yeliz Irene Yilmaz, gemeinsam mit den zwölf Projektteilnehmenden den Rahmen und die inhaltlichen Schwerpunkte des geplanten digitalen Bildungsmoduls, das in Form eines Pageflows umgesetzt wurde. Der Pageflow »Perspektiven öffnen – Geschichten teilen«[5] dokumentiert den Diskussionsverlauf und die vielfältigen Zugänge und Themen, die die Teilnehmenden in das Projekt einbrachten bzw. gemeinsam erarbeiteten. Darüber hinaus kann er als assoziativer Einstieg in die Bildungsarbeit zu multiperspektivischer Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland vor allem mit Fokus auf das östliche Europa genutzt werden.

Die Beiträge des Pageflows befassen sich unter anderem mit »Leerstellen« in der Erinnerungskultur in Deutschland und in verschiedenen Ländern im östlichen Europa sowie mit den unterschiedlichen Bezugnahmen auf und Deutungen der nationalsozialistischen Geschichte in der Gegenwart. Ausgehend davon wird die Frage verhandelt, wie eine Erinnerungskultur in Deutschland aussehen kann, die Perspektiven von Menschen mit ost- und mitteleuropäischer Herkunfts- und Familiengeschichte stärker berücksichtigt.

 

Voraussetzungen und Vorgehensweise des Projekts

Zentrales Anliegen war es, das Projekt partizipativ und prozessorientiert zu gestalten. Daher war es dem Projektteam von Beginn an wichtig, die Teilnehmenden mit ihren jeweiligen Perspektiven, Interessen und Fragen in den Mittelpunkt zu rücken und eigene Vorstellungen und Vorannahmen entsprechend zurückzustellen. Zwar gab es gewisse Rahmenbedingungen, die zu erfüllen waren, wie zum Projektabschluss ein Online-Bildungsmodul für das »Migration Lab Germany«-Archiv bereitzustellen. Die Ausgestaltung des Arbeitsprozesses und der Projektinhalte wurden jedoch bewusst offen gehalten und das Projektteam ließ sich auf das ein, was sich aus den Vorgesprächen, dem Zusammentreffen und dem Austausch innerhalb der Projektgruppe ergab.

Die Idee war es, innerhalb der Institution Gedenkstätte einen offenen und zugleich sicheren Raum für einen Austausch auch über Unterschiede hinweg anzubieten. Die Teilnehmenden, die gemein hatten, dass ihre mit dem östlichen Europa verbundenen Familiengeschichten während der Zeit des Nationalsozialismus in der hegemonialen deutschen Erinnerungskultur marginalisiert sind, waren dazu einladen, sich untereinander über ihre Geschichten, Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen und zu vernetzen. Teilhabe und Mitbestimmung waren damit zentrale und unerlässliche Voraussetzungen für den Diskussions- und Arbeitsprozess. Zudem sollten die Positionen des Projektteams sowie der Institution Gedenkstätte macht- und diskriminierungskritisch reflektiert werden. Als seine primäre Rolle sah das Projektteam die Moderation, die Begleitung und Unterstützung des Arbeitsprozesses, die Dokumentation des Austausches sowie die Erarbeitung von Vorschlägen für die Entwicklung des Bildungsmoduls. Ziel war es, hier möglichst wenig inhaltlich vor- oder einzugreifen. Das Erarbeitete stets zurückzuspielen und gemeinsam mit den Teilnehmenden partizipativ weiterzuentwickeln, war eine wichtige Grundlage für die Realisierung des Pageflows.

 

Meilensteine und Herausforderungen im Arbeitsprozess

Ein erster Meilenstein waren die Anfragen und Einladungen von Teilnehmenden zur Projektgruppe. Einen wichtigen Ausgangspunkt hierfür bildete das bereits bestehende Netzwerk der Gedenkstätte. Eine Herausforderung war es, im Sinne der angestrebten Multiperspektivität eine heterogene Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Herkunfts- und Familiengeschichten, Interessen, Erfahrungen und Perspektiven zusammenzubringen. Um verschiedene Zugänge zum Thema in das Projekt einzubinden, ging das Projektteam bei den Anfragen nach folgenden Kriterien vor:

Die Teilnehmende sollten entweder berufliche Erfahrungen, z.B. im wissenschaftlichen, gedenkstätten-pädagogischen, publizistischen oder künstlerischen Bereich, zum Thema Erinnerungskultur mitbringen oder sich ehrenamtlich bzw. aus familiengeschichtlichem Interesse mit diesem Thema befassen.

Die Teilnehmenden sollten unterschiedliche Bezüge zu ost- und mittelosteuropäischen Ländern mitbringen, wobei der Schwerpunkt auf Polen sowie Nachfolgestaaten der Sowjetunion, vor allem auf Belarus, Russland und die Ukraine gelegt wurde.

Unter den Teilnehmenden sollten Menschen mit jüdischem Hintergrund sowie Personen sein, die NS-Verfolgte unter ihren Angehörigen haben oder hatten. Daneben sollten auch Menschen mit anderen familiären, etwa »russlanddeutschen«, Zusammenhängen in das Projekt eingebunden werden.

Die Teilnehmenden sollten ein grundsätzliches Interesse an einem Austausch zum Thema Erinnerungskultur auch über Unterschiede hinweg mitbringen.

In einem intensiven Austausch- und Reflexionsprozess wurden die ausgewählten Kriterien innerhalb des Projektteams immer wieder hinterfragt, auch um der Gefahr eines Tokenisms, also einer allein symbolisch vollzogenen statt strukturell wie inhaltlich eingelösten Diversität, zu begegnen. Es wurden zahlreiche individuelle Vorgespräche geführt, um eine Vorstellung von den möglichen Fragen, Themen und Interessen zu gewinnen, die die Teilnehmenden in das Projekt mitbringen wollen. Wichtig war es dem Projektteam dabei, die Teilnehmenden als zentrale Akteure des Projektes zu gewinnen, statt sie lediglich in der Funktion von auskunftgebenden Expertinnen und Experten einzubeziehen.

Ein zweiter Meilenstein war der erste Workshop im September 2021, dessen Fokus auf dem Austausch der Teilnehmenden untereinander lag. Entsprechend galt es, jenseits der im Vorfeld gesammelten Frage- und Themenstellungen keine konkreten Inhalte vorzugeben, sondern lediglich einen geeigneten Rahmen für den Austausch zu bieten und den Austauschprozess gemeinsam mit den Teilnehmenden zu reflektieren und abschließend zu dokumentieren. Sprich: Es sollte eine Basis für den weiteren Arbeitsprozess geschaffen werden, um ausgehend davon konkretere Themenfelder für das Bildungsmodul erarbeiten zu können. Themen, die sich aus Workshop I ergab, waren unter anderem familiengeschichtliche und gesellschaftliche Prägungen, »Leerstellen« in der Erinnerung, Kontinuitäten und Brüche, die Frage nach Zugehörigkeiten und dem Zusammenhalt in der Gesellschaft sowie Erinnerungskulturen in und »zwischen« verschiedenen Ländern. Daneben wurde die grundlegende Frage nach den Bedingungen für einen Austausch über unterschiedliche Geschichten und Erfahrungen intensiv und bisweilen kontrovers diskutiert und danach gefragt, was ein gemeinsames Erinnern ermöglichen kann: Sind hierfür ähnliche Geschichten oder geteilte Erfahrungen relevant? Oder eher gemeinsame Haltungen oder Anliegen? In den Gesprächen ging es viel um Anknüpfungspunkte, die Teilnehmende untereinander finden konnten (oder auch nicht), und darum, wie ein konstruktiver und respektvoller Austausch auch und gerade über Unterschiede hinweg möglich sein kann.

Deutlich wurden hierbei die Herausforderungen, vor denen historisch-politische Bildungsarbeit und eine Institution wie die Gedenkstätte angesichts der Forderung nach einer Pluralisierung der Perspektiven stehen. Es galt, den Rahmen für eine solche Öffnung zu schaffen und diesen Rahmen gleichzeitig so auszugestalten, dass der darin stattfindende Austausch dem Anspruch von Multiperspektivität im Ansatz gerecht werden konnte. Herausforderungen und Einschränkungen hierbei waren unter anderem die Ressourcen, die dem Projekt seitens der Gedenkstätte zur Verfügung standen: ein eng abgesteckter Zeitraum, begrenzte Mittel und wenig Personal. Aber auch die Ressourcen der Teilnehmenden, insbesondere in Bezug auf die ihnen zur Verfügung stehende Zeit, waren beschränkt. Das aktive Einbeziehen aller Akteure in den Prozess erforderte beiderseitig ein hohes Maß an Engagement und Verbindlichkeit und war nur durch fortlaufenden, intensiven Austausch realisierbar.

 

Die gemeinsame Erarbeitung des Bildungsmoduls

Auf Basis der Auswertung von Workshop I erstellte das Projektteam eine Übersicht aus Themenclustern, die sich im bisherigen Austauschprozess mit und unter den Projektteilnehmenden als besonders relevant erwiesen hatten. Die Themencluster bildeten den Ausgangspunkt sowohl für den Entwurf einer ersten Struktur des Bildungsmoduls als auch für die inhaltliche Konzeptualisierung des zweiten Workshops, der im März 2022 stattfand. Ziel war es, im Sinne eines transparenten und partizipativen Prozesses die Teilnehmenden über die verschiedenen Schritte im Prozess stets zu informieren und jederzeit die Möglichkeit zu eröffnen, darin zu intervenieren und ihre Ideen einzubringen. Workshop II bot dann als weiteren Meilenstein den Rahmen, um die Struktur und die Themenschwerpunkte des Pageflows gemeinsam weiter zu entwickeln, sie auf Leerstellen hin zu befragen und konkrete Ideen für deren Bearbeitung zu diskutieren.

Parallel zu den Vorarbeiten zu Workshop II fand die Konzeptualisierung und Aushandlung individueller Beiträge der Teilnehmenden statt, die den Kern des digitalen Bildungsmoduls bilden sollten. Die ausgewählten Themencluster lieferten hierfür das Gerüst, in dem sich die Teilnehmenden mit ihren vielfältigen Themen, Zugängen und Perspektiven individuell verorten konnten. Die Form der Beiträge war hierfür frei wählbar und wurde lediglich von den technischen Möglichkeiten des digitalen Bildungsmoduls vorgegeben – so waren Beiträge in Video-, Audio-, Foto- und/oder Textform möglich. Das Bildungsmodul wurde gemeinsam mit der Agentur BE|YOND[6] über das Website-Format Pageflow[7] realisiert. Hierfür wurden für einen Zeitraum von drei Monaten Prozessbausteine definiert, sodass alle multimedialen Inhalte eingepflegt und das finale Bildungsmodul rechtzeitig bis zur Abschluss-Konferenz[8] von »Migration Lab Germany« fertiggestellt werden konnten. Die Reportage-Website Pageflow wurde eigens mit dem Ziel narrativen Storytellings entwickelt und erschien dem Projektteam für das Vorhaben, vielfältigen und vielschichtigen Themen, Zugängen und Perspektiven auf gleicher Ebene Raum zu geben, als sehr passend, da es, jenseits des Haupterzählstrangs, ausgesprochen flexibel ist.

Für den Pageflow galt es einen angemessenen Weg zu finden, sowohl der Projektdokumentation als auch dem daran anschließenden Bildungsvorhaben gerecht zu werden. Priorität in der Ausgestaltung hatten letztlich die Dokumentation des Projektverlaufs und, damit verknüpft, vor allem die individuellen Beiträge der Teilnehmenden. Durch den starken visuellen Fokus des Website-Formats bestand eine wesentliche Aufgabe darin, die Beiträge durch zahlreiche Fotografien zu begleiten und visuell zu unterstützen. Hierfür entwickelte Nina Weber in Zusammenarbeit mit dem Projektteam und in Rücksprache mit der Projektgruppe ein visuelles Konzept, das im Haupterzählstrang, der den Projektverlauf dokumentiert, bildlich auf den Arbeitsprozess der Gruppe fokussierte. Die themenbezogenen Kapitel, von denen wiederum die Seitenstränge mit den individuellen Beiträgen der Teilnehmenden ausgehen, greifen wiederum die Themenfelder »Leerstellen« und »Perspektivwechsel« bzw. »Perspektiverweiterung« visuell auf. Die Seitenstränge selbst bieten Raum für individuelle Visualisierungen durch die Teilnehmenden, etwa in Form von Familienfotos.

 

Perspektiven von in Deutschland lebenden Menschen mit ost- und mittelosteuropäischer Herkunfts- oder Familiengeschichte auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg

Innerhalb der verschiedenen Kapitel dokumentiert der Pageflow die unterschiedlichen Zugänge, Geschichten, Erinnerungen und Anliegen der zwölf Projektteilnehmenden sowie zusätzlich Perspektiven von einigen weiteren Personen, die an den Workshops und damit am gemeinsamen Arbeitsprozess nicht teilnehmen konnten oder wollten, aber dennoch Interesse hatten, zu dem Projekt beizutragen. Ausgangspunkt des Haupterzählstrangs ist die Reflexion von und Auseinandersetzung mit Leerstellen in der Erinnerungskultur sowohl in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch in Ländern im östlichen Europa. Die Leerstellen innerhalb der hegemonialen deutschen Erinnerungskultur korrespondieren mit einer Marginalisierung von Stimmen innerhalb der deutschen Gesellschaft, die eng mit Migrationsbewegungen aus dem östlichen Europa nach Deutschland und damit auch mit der Geschichte des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges und der dort begangenen NS-Massenverbrechen verbunden sind. Diese Migrationsbewegungen sind in der deutschen Öffentlichkeit vielfach ebenso wenig bekannt wie die komplexe und vielschichtige Geschichte des östlichen Europas sowie des Zweiten Weltkrieges in der Region, weshalb der Pageflow sich eingangs mit diesen Themen auseinandersetzt.

 

Der Blick auf die Vergangenheit: Erinnern und Gedenken

Ausgehend davon geht es im Pageflow zunächst um die Frage, inwiefern die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg in Familien weitergegeben oder verschwiegen werden. Zudem wird die Vermittlung der Geschichte des Krieges in der Schule, in den Medien sowie in den staatlichen Erinnerungskulturen, zum Beispiel in Form von Denkmälern oder Gedenktagen, thematisiert. Gefragt wird hierbei, was es für Betroffene bedeutet, an Geschichten von Gewalt und Leid zu erinnern – und welche Folgen es für sie und, allgemeiner, für die Gesellschaft hat, wenn solche Geschichten nicht erzählt werden. Eine weitere Frage ist, inwiefern sich die Erinnerungskulturen in verschiedenen Ländern unterscheiden – welche Leerstellen lassen sich jeweils ausmachen und welche Rolle spielen hierbei politische Einflüsse? Einige Teilnehmende arbeiten am Beispiel konkreter Gedenkorte oder Jahrestage heraus, welche Leerstellen diese jeweils aufweisen, welche verschiedenen Schichten von Erinnerung sich hier abgelagert haben und welche unterschiedlichen Erinnerungen für sie darin aufeinandertreffen.

 

Die Geschichte in der Gegenwart

Die Projektteilnehmenden tauschten sich zudem darüber aus, welche unterschiedlichen Bedeutungen Geschichte und Erinnerung für sie in der Gegenwart haben. Inwiefern wirken diese in das eigene Leben hinein? In welcher Weise prägen sie die Identität und in welchen Momenten wird dies besonders spürbar? Im Rahmen des Projekts stellte sich nicht nur in dieser Hinsicht immer wieder die Frage nach Kontinuitäten über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus. Einige Teilnehmende verweisen im Pageflow auf die Repressionen, die viele ehemalige sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat erleben mussten. Andere machen auf die lange ausbleibende Anerkennung und Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem östlichen Europa von deutscher Seite aufmerksam. Zudem wird wiederholt der fortgesetzte Rassismus gegenüber Menschen aus dem östlichen Europa in Deutschland thematisiert – auch gegenüber ehemaligen NS-Verfolgten und deren Nachkommen.

Die Frage, was Geschichte und Gegenwart miteinander zu tun haben, stellten sich die Teilnehmenden nicht erst mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 – und auch nicht allein in Zusammenhang mit diesem Krieg. Und doch bedeutete der Kriegsbeginn einen massiven Einschnitt in das Projekt, sodass sich viele Fragen noch einmal neu oder anders stellten. Im Rahmen von Workshop II, der nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn stattfand, tauschten sich die Teilnehmenden intensiv darüber aus. Aus ihren Diskussionen gingen einige Beiträge hervor, die in den Pageflow eingeflossen sind.

 

Raum für vielfältige Erinnerungen

Wie kann eine Erinnerungskultur aussehen, in der unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven einen Platz finden – sowohl auf der historischen Ebene als auch auf der gegenwärtigen Ebene? Die Teilnehmenden brachten ganz unterschiedliche Herkunfts-, Migrations- und Familiengeschichten, Erfahrungen, Zugänge und Interessen in das Projekt mit. Eine Frage, die im Pageflow gestellt wird, ist daher, wie wir uns gemeinsam erinnern können und wollen in einer Gesellschaft, die von so vielfältigen Erfahrungen und Perspektiven geprägt ist. Braucht es Gemeinsamkeiten dafür – und wenn ja, welche Kriterien wären dafür relevant: eine gemeinsame Herkunft, ähnliche Erfahrungen oder geteilte Anliegen? Lassen sich Verbindungen auch über Unterschiede hinweg herstellen – und wenn ja, wie?

 

Ausblick

Wie können wir zur Etablierung einer Erinnerungskultur beitragen, in der verschiedene Geschichten, Erfahrungen und Perspektiven ihren Platz finden und ein differenzierter und reflektierter Austausch auch über Unterschiede hinweg stattfinden kann? Und wie können Gedenkstätten Räume für solche Austauschprozesse eröffnen und Ressourcen dafür zur Verfügung stellen? Dies sind Fragen, die wir als Projektteam aus dem Projekt »Perspektiven öffnen – Geschichten teilen« mitgenommen haben.

Um diese Fragen wird es auch in der nächsten Projektphase sowie in der konkreten Bildungsarbeit mit dem Pageflow gehen. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme plant, Bildungsformate und -materialien zum Thema »Der nationalsozialistische Vernichtungskrieg im östlichen Europa und die polnischen und sowjetischen Verfolgten im KZ Neuengamme: Geschichte(n) und Erinnerung(en)« zu erarbeiten. Auch dieses Projekt soll wieder partizipativ und prozessorientiert umgesetzt werden, sodass die Projektergebnisse weitere Bausteine für eine multiperspektivische und inklusive Bildungsarbeit liefern können.

 

 

Eyleen Grinda arbeitet als freie Konzepterin und Projektmanagerin. Sie macht zudem einen Master am Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin und befasst sich mit den Möglichkeiten multiperspektivischer und inklusiver Erinnerungskulturen in der postmigrantischen Gesellschaft.

 

Dr. Susann Lewerenz ist Historikerin aus Hamburg und arbeitet schwerpunktmäßig zu den Themen Post/Kolonialismus, Migration und Rassismus in Deutschland mit Fokus auf der Zeit des Nationalsozialismus. Sie leitet die Abteilung »Bildung und Studienzentrum« der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

 

[1]    Der direkte Link zum Pageflow ist:

      www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/perspektiven-oeffnen-geschichten-teilen

      (letzter Aufruf 18. 2. 2023).

[2]    www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de (letzter Aufruf 5. 2. 2023).

 

[3]    www.migration-lab.net (letzter Aufruf 5. 2. 2023).

 

[4]    www.stiftung-evz.de (letzter Abruf 5. 2. 2023).

 

[5]    www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/perspektiven-oeffnen-geschichten-teilen

      (letzter Abruf 5. 2. 2023).

[6]    www.be-yond.de/de (letzter Abruf 5. 2. 2023).

 

[7]    www.pageflow.io/de (letzter Abruf 5. 2. 2023).

 

[8]    www.migration-lab.net/internationale-konferenz-31–05–01–06–22 (letzter Abruf 5. 2. 2023).