Teamerweiterung – aus den ersten Jahren der »Topographie des Terrors«

07/2023Gedenkstättenrundbrief 210, S. 86-87
Klaus Hesse, Andreas Sander

Als Thomas Lutz im Februar 1993 zu uns stieß, tourte die erste große Sonderausstellung »Der Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945« gerade durch Russland, wurden eine englische Fassung der Hauptausstellung »Topographie des Terrors« für eine Präsentation in den USA und eine italienische Fassung für die Präsentation in Italien vorbereitet. Der Arbeitsdruck in unserem kleinen Team (Frank Dingel, Klaus Hesse, Andreas Sander) war entsprechend hoch. Da lag es nahe, dass wir uns durch ihn Unterstützung in den übrigen laufenden Tätigkeiten, vor allem bei der zeitintensiven Besucherbetreuung, erhofften. Führungen wurden zu der Zeit durch uns, die wissenschaftlichen Mitarbeiter, durchgeführt, zusätzlich zu den kuratorischen Aktivitäten wie Ausstellungsrecherchen und Arbeit an den Drehbüchern. Da, unter dem Dach der Berliner Festspiele GmbH, unsere eigentlichen Büroräume inzwischen in der Budapester Straße lagen, richteten wir für jeden von uns sogenannte wöchentliche »Präsenzdienste« vor Ort ein, in unserem Büro im Sockelgeschoss des Martin-Gropius-Baus (MGB), gegenüber dem Ausstellungspavillon der ersten Fassung der »Topographie des Terrors«. Sie dienten nahezu ausschließlich der Besucherbetreuung, vor allem den Führungen.

Mit Thomas konnten diese »Präsenzwochen« auf die Schultern von vier wissenschaftlichen Mitarbeitern verteilt und somit gut ein ganzer Monat abgedeckt werden. Dies alles spielte sich in einer sehr kollegialen Atmosphäre ab. Aus heutiger Sicht, nach 30 Jahren, erscheint es einem wie der letzte Rest der oft »familiären« Stimmung im Projekt in seinen Aufbruchsjahren.

Dabei übersahen wir etwas, dass Thomas mit dem Gedenkstättenreferat ein eigenes Tätigkeitsfeld mitbrachte, das ihn zunehmend beanspruchte. Er sagte später einmal, dass er sich damals erhofft hatte, dass jemand von uns ihn dabei unterstützen würde. Angesichts unserer umfangreichen Aufgaben blieb dies aber unrealistisch. So blieb das Gedenkstättenreferat sein eigener, weitestgehend autonomer Arbeitsbereich, dem er sein volles Engagement widmete.

Über das Gedenkstättenreferat ist auch die »Topographie des Terrors« zunehmend in das weitverzweigte internationale Gedenkstätten-Netzwerk einbezogen worden, das Thomas Lutz zusammen mit anderen entwickelte, auch wenn sie sich selbst immer eben nicht als Gedenkstätte, sondern als wissenschaftliches Dokumentationszentrum an einem zentralen »Ort der Täter« verstand. In den Gedenkstättenseminaren, die als Foren für einen intensiven Austausch dienten, gab es immer wieder die Möglichkeit, die unterschiedlichen Formen der Auseinandersetzung mit den historischen Orten, durchaus auch kontrovers, zu diskutieren und so die eigene Position zu überprüfen und zu schärfen.

Wir hoffen, dass das Gedenkstättenreferat auch nach Thomas Ausscheiden weitergeführt wird und es sein produktivesNetworking‹ fortsetzen kann. Die Voraussetzungen dafür hat Thomas Lutz in jahrzehntelanger Arbeit geschaffen.

Klaus Hesse war von 1987 bis 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ausstellungskurator der »Topographie des Terrors«

Andreas Sander war von 1989 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ausstellungskurator der »Topographie des Terrors«