Alfons Kenkmann

47. bundesweites Gedenkstättenseminar: Schule und Gedenkstätten - Protokoll

.Gedanken zum didaktischen und methodischen Umgang mit der Geschichte der NS-Verbrechen in Schulen und Gedenkstätten ..Alfons Kenkmann..Die pädagogische Praxis an den Gedenkstätten zur nationalsozialistischen Herrschaft hat ein Stadium erreicht, das sie nicht nur zum festen Bestandteil schulischer Bildungsangebote macht, sondern ebenso zum akzeptierten Unterrichtsinhalt. Ob die Gedenkstätten an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ein gesuchter Kooperationspartner der Schulen bleiben, hängt nicht nur von den Resultaten der in manchen Bundesländern sehr überstürzt betriebenen Umorganisation der Schullandschaft auf das 12-jährige Abitur ab. Diese Umstrukturierung hat häufig eine Verkürzung des Fächerdeputats in den gesellschaftswissenschaftlichen Schulfakultäten – mit dem Ergebnis, dass das Fach Geschichte in Unter- und Mittelstufe der Sekundarstufe I an den Gymnasien nur noch 3-jährig – zumeist in den Klassenstufen 6,7 und 8 – angeboten wird, mit sich gebracht. Gleichzeitig ist in machen Bundesländern umstritten, inwieweit „das gesellschaftliche Aufgabenfeld weiterhin im verbindlichen Fächerkanon der Sekundarstufe II verbleibt und ein Fach aus diesem Fächerkanon wahlweise als viertes schriftliches bzw. fünftes mündliches Fach in der Abiturprüfung gewählt werden kann.“ Ein fatales Signal in einer globalisierten Gesellschaft, die unbedingt der historischen Orientierung bedarf. ..Für Gedenkstättenpädagogen ist es deshalb unerlässlich, sich kontinuierlich mit den sich wandelnden institutionellen Kontextbedingungen auseinandersetzen. Neben den zuvor erwähnten schulstrukturellen und politischen „Verwerfungen“ zählen hierzu auch die Sensibilisierung für die Befindlichkeiten der nachwachsenden Schülergenerationen und mögliche stoffliche Veränderungen in den Richtlinien und Lehrplänen sowie Erweiterungen im methodischen Zugriff. ...Vom Verschweigen zum ´Ermüdungsbruch´..Gegenwärtig führen uns die nachwachsende Schüler- als auch Teile der Erwachsenengeneration eine veränderte, spezifische Aufmerksamkeit für die Zeit der NS-Diktatur vor Augen. Diese gilt es ernst zu nehmen. Einige Beispiele seien kurz angeführt. ..So erinnert sich Franz Xaver Kroetz in einem Interview:.„Mir geht das „Dritte Reich“ inzwischen vollkommen am Arsch vorbei. Wenn ich zu meinen Kindern sage, wisst ihr, der Zweite Weltkrieg …, dann sagen sie, ja, Papa, das ist Vergangenheit. Und es stimmt: Die alten Säcke, wenn sie noch leben, sollen ihre Geschichte ruhig aufarbeiten, es sind ihre 6 Millionen Juden. Das ist nicht mehr mein Thema. Wir haben genug Sachen erlebt, seit ich auf der Welt bin. Ich finde es geradezu unanständig, dass man der neuen Generation immer noch dieses „Dritte Reich“ aufpflanzen will. Ich weiß doch noch, wie ich in den siebziger Jahren Israel besucht habe, wie alle dachten, hoffentlich sagt er es, und natürlich habe ich es gesagt: Not guilty, but responsible. Aber ich habe keinen Juden umgebracht und keinen Russen. Die Generationen gehen weiter.“ ..In dem jüngst erschienenen Roman „Das bleiche Herz der Revolution“ von Sophie Dannenberg wird die Protagonistin Kitty Opfer des Vergangenheitsbewältigungs-“Wahns“ einer Angehörigen der APO-Generation:.„Frau Ihle war nervös, sie wollte mit uns in die DDR auf Klassenfahrt. Wochenlang hielten wir Referate. Freizeit in der DDR, Wirtschaft in der DDR, Konsumverhalten in der DDR, Bildung in der DDR, deutsch-sowjetische Freundschaft in der DDR..´Und du Kitty´, sagte sie, ´du machst was über das KZ Buchenwald.´.´Wieso ich?´ fragte ich..´Weil du aus einem fortschrittlichen Elternhaus kommst.´.Sie gab mir ein Buch über Buchenwald. Ich schlug es wieder zu, als ich das Foto mit dem Prügelbock sah. ´Du mußt in deinem Referat vor allem die Foltermethoden genau beschreiben´, sagte Frau Ihle..´Das kann ich nicht´, sagte ich. ´Das quält mich zu sehr.´.´Das soll es doch auch´, sagte Frau Ihle. ´Diese Greueltaten sollen euch quälen. Das ist Aufklärung. Ihr müsst das Böse kennen.´.´Aber wenn wir das Böse kennen, können wir es doch tun´, sagte ich..´Falsch. Ihr sollt das Böse kennen, damit ihr es nicht tut.´.´Dann sollen wir wohl auch lesen können, damit wir nicht lesen.´.´Kitty, hör auf mit diesen faschistischen Gedankenspielen, sonst gibt es gleich einen Eintrag ins Klassenbuch. Wenn ihr das Böse nicht kennt, könnt ihr nicht merken, dass es böse ist.´.´Aber wenn wir das Böse gar nicht erst kennen, können wir es doch auch nicht tun.´.´Ihr sollt es aber tun können, damit ihr es nicht tut. Und damit ihr euch wehren könnt, wenn es wieder mal soweit ist´..´Wie soll ich mich denn wehren in einer Gaskammer?´.´Kitty, bei dir ist wohl eine Schraube locker. Du bist doch nicht das Opfer, du bist die Täterin. Du bist eine KZ-Wächterin.´.´Ich will aber keine KZ-Wächterin sein.´.´Du sollst aber KZ-Wächterin sein – innerlich. Und im selben Moment dafür gedemütigt werden, mit Hilfe dieser grauenhaften Bilder. Und das soll geschehen, solange du noch jung und zart bist. Ihr Kinder sollt Monster werden, aber gebrochene Monster. Ein gebrochenes Monster tut keiner Fliege mehr was zuleide. Ein Kind mit einer unschuldigen Seele ist viel gefährlicher. Und wir wollen keine Unschuld zulassen, in diesem Land der Schuld.´“ ..Es handelt sich hierbei um kein ausschließlich deutsches Phänomen – wie eine Debatte in den Niederlanden unterstreicht. .Ältere Niederländer werfen dem Schriftsteller Arnon Grünberg vor, den Holocaust zu verharmlosen: Die jüngeren, die das Dritte Reich nur aus dem Unterricht, den Medien oder den Erzählungen der Eltern kennen, sehen in Grünberg hingegen einen Sprecher ihrer Generation. Die umstrittene und in vielen Schulbüchern nachgedruckte Passage des Romans „Der Vogel ist krank“ lautete: .„Eine Idee von unserem Geschichtslehrer. Schnell mal Shoah gucken. Alle saßen da und sahen sich diesen sterbenslangweiligen Film an, und zuletzt brach irgend so eine Tussi sogar in Tränen aus.“.Grünberg fühlt sich von beiden Seiten missverstanden. Was er aufgeschrieben hatte, war seine eigene Geschichte. Seine Eltern waren deutsche Juden. Sein Vater, 1912 in Berlin geboren, tauchte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in den Niederlanden unter, und seine Mutter, Jahrgang 1927, überlebte mehrere Konzentrationslager. ..Signale der Blockade und des Überdrusses ob der intensiven schulischen „Aufarbeitung“ der NS-Verbrechen sind immer wieder den öffentlichen Diskussionen zu entnehmen. Die unheilvolle Allianz von „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“-Parole und „Aus der Geschichte-lernen“-Diskurs zeitigt hier spektakuläre Folgen. Diese öffentlichen erinnerungskulturellen Parolen wurden und werden flankiert von unterschiedlichen kultusministeriellen Erlassen: Dem Erlass über die „Behandlung des Nationalsozialismus im Unterricht“ aus dem Jahre 1978, dem zur “Behandlung des Widerstandes in der NS-Zeit“, ergangen im Jahre 1980, sowie dem Erlass des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister „Zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust in der Schule“ aus dem Jahre 1997 . Zusätzliche Argumente und Gestaltungsmöglichkeiten für die Behandlung der NS-Zeit bietet seit 1997 z.B. zusätzlich für das Land Nordrhein-Westfalen der Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 14. Februar 1997, der der Verbreitung des Ansatzes der „Holocaust-Education“ sehr förderlich war, auch wenn dieser für die Spezifika der Erinnerungskultur in Deutschland kaum tauglich ist . ...Inhalt und Methode – der Innovationsschub Ende der 1960er Jahre..Nach der Irritation der nationalhistorischen Meistererzähler wurde als Kind einer Zeitenwende in den 1970er Jahren die Wissenschaftspropädeutik entwickelt. Ein Versuch, die negativen Auswüchse der deutschen Geschichte über den akademischen Methodenkanon zu brechen!..In den Richtlinien für das Fach Geschichte Gymnasium ist die Wissenschaftspropädeutik neben dem Auftrag, „Schülern Hilfen zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung zu geben“, die zweite zentrale Zielsetzung. Sie steht damit im „Zentrum aller schulischen Arbeit“. Geschichtsunterricht hat seither an der Schule den Auftrag zu erfüllen, „dem Schüler eine wissenschaftspropädeutische Ausbildung zu vermitteln“. Dieser Prämisse hat sich auch die Gedenkstättenpädagogik zu stellen...Mit PISA verband man damals noch von Hentig, nicht Schleicher. Und die Bildungspolitik suchte, das Schulklientel zum selbständigen Arbeiten zu befähigen. Ziel war es, die „Fähigkeit zu fördern, Methoden und Techniken der Informationsbeschaffung gegenstands- und Problem angemessen anzuwenden.“ Hier schimmert bereits durch, was heute dem Ankerwort „Medienkompetenz“ zugeordnet wird. ..Unter Vorwegnahme universitärer Standards wurde die „Einübung in grundlegende wissenschaftliche Verfahrens- und Erkenntnisweisen“ verlangt. Sie sollten „im Rahmen schulischer Möglichkeiten“ vor allem zur „Kenntnis wesentlicher Strukturen und Methoden von Wissenschaften sowie zum Verständnis ihrer komplexen Denkformen“ hinführen. Eine der Methoden, die sich in den folgenden Dekaden durchsetzen sollte, war das forschend–entdeckende Lernen. ..Sowohl konservative Lehrer als auch Jugendliche mit ausgesprochen subkulturellem Habitus griffen sie auf, wie der Viva-Moderator Rocco Schamoni in seinem Buch „Dorfpunks“ über seine Schulzeit um 1980 festhält:.„Und dann gab es noch den Geschichtskurs Nationalsozialismus. Er wurde von Lehrer Meese geleitet. Meese war wirklich speziell. Er war groß, dick und hatte ein cäsarenhaftes Auftreten. Er saß im CDU – Kreisvorstand und fuhr Mercedes. Alles eigentlich absolute Hassparameter für mich. Aber seltsamerweise mochte er uns junge Punks und ließ uns das spüren. … Er spitzte uns auf die Lokalgeschichte von Schmalenstedt an und empfahl uns, einmal die Papiere im Stadtarchiv durchzugehen, dann würden uns die Augen aufgehen. Ich weiß nicht mehr, was ich im einzelnen herausfand, aber für meine Arbeit und mein Engagement bekam ich sehr gute Zensuren. Am Jahresende hatte ich im Zeugnis die einzige Eins meiner Oberschullaufbahn stehen.“ ..Das tradierte Bild vom Schüler erfuhr also einen wesentlichen Wandel: Weg vom Wissens-“container“ – hin zum Akteur und Produzenten. Der Proband sollte die Lehranstalt zumindest temporär verlassen, um das erworbene propädeutische Knowhow im Praxistest zu überprüfen. Die neue Methode vereinte CDU-Studienrat und Pennäler-Punk. Morgens die Pädagogik und die Didaktik des Schulalltags, nachmittags die forschend-entdeckende Methode im Archiv...Über die Methodenreflexion hinaus forderten die Richtlinien für das Fach Geschichte fast zeitgleich mit der historischen Wissenschaft „die Einführung auch in speziellere wissenschaftliche Verfahrens- und Erkenntnisweisen“. Der Siegeszug der lebensgeschichtlichen Befragung in Schülerprojekten hatte auch mit deren Absicherung in den Richtlinien zu tun. Gleichzeitig konnte an der von den Schülern selbst mitproduzierten Quelle „lebensgeschichtliches Interview“ die in den Richtlinien geforderte „Erkenntnis von Grenzen wissenschaftlicher Aussagen“ paradigmatisch erhellt werden. Das ebenfalls angestrebte Ziel der Hinführung „zum Verstehen grundlegender wissenschaftstheoretischer Fragestellungen“ hieß im Bereich der Geschichte nichts anderes als die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen geschichtswissenschaftlichen Ansätzen. Neben Ereignis- und Politikgeschichte sowie historischer Sozialwissenschaft nahm die Alltagsgeschichte ihren Platz ein, die Hans –Ulrich Wehler so gerne in der „Besenkammer der Geschichtswissenschaft“ belassen hätte. ..Die wissenschaftspropädeutische Innovation der Kultusbürokratie verblieb nicht abgekapselt in den Reihen der Fachverwaltung, nein, Pädagogen und Lehrer „klappten“ hinterher. Denn die wissenschaftliche Ausrichtung löste für den Geschichtsunterricht ein fulminantes Nachbeben aus: Nicht mehr der inhaltliche Kanon, nicht mehr die deutsche Meistererzählung stand ausschließlich im Vordergrund, sondern exemplarisches Durcharbeiten zumeist schriftlicher Quellen. Nicht mehr der „Primat der Narration“, sondern eine neue Facette historischen Lernens sollte zukünftig im Vordergrund stehen: die unmittelbare Arbeit an den Quellen. Ein solches Design eines neuen Geschichtsunterrichts verlangte natürlich auch einen neuen Typus von Geschichtslehrer. Anhand von „Fragen an die Geschichte“ , einem Schulbuch, das mitunter ganz ohne darstellende Texte auskam, sollte sich die nächste Schülergeneration die Vergangenheit erschließen. Die Quellenbegegnung bei diesem schulischen historischen Forschungsprozess entpuppte sich oftmals als eine „Reise in die Vergangenheit“ mit dem Lehrer als „unvorbereitetem“ Tourismusführer...Die neuen Kompetenzzuschreibungen sollten die Schüler „fit“ für die Aneignung von Welt machen und gleichzeitig die Brücke zur Universität schlagen. Nicht mehr unbedarft wie ein Kleinkind an die Fakultät, sondern mit Vorwissen um das wissenschaftliche Handwerkszeug an die Brust der alma mater! Seither betreten nicht mehr historische überlegene Meister, sondern die Kleeschen „skeptischen Engel“ die Bühne der Geschichtsvermittlung. Hinter diesen erreichten Stand können und dürfen wir nicht wieder zurück...Richtlinien und Lehrpläne: Vom Allgemeinen zum Konkreten:..Anders als noch vor einem Vierteljahrhundert gelangen wir heute zu dem Befund, dass die Chancen der Nutzung authentischer außerschulischer Lernorte, wie die Gedenkstätten an die NS-Gewaltherrschaft sie darstellen, in den meisten Richtlinien und Lehrplänen Erwähnung finden. Dies gilt nicht nur für die Präambeln und grundsätzlichen methodischen Vorüberlegungen, sondern auch mitunter verstärkt für die stofflichen und inhaltlichen Konkretisierungen in den Lehrplänen selbst..Werfen wir als erstes einen Blick in die inhaltlich-methodischen Präambeln. Es fällt auf, dass ohne eine lokale oder regionale Konkretisierung des außerschulischen Lernortes erinnerungskulturelle Fragestellungen aufgegriffen werden. ..Rahmenpläne..Nehmen wir das Land Brandenburg. Der Rahmenlehrplan Geschichte, Sekundarstufe I aus dem Jahre 2002, herausgegeben vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, hebt den interdisziplinären sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansatz hervor, unter dessen Dach „das wichtige Feld der Erinnerungen im Rahmen von Geschichtskultur(en)“ thematisiert wird...In dem Lehrplan Gesellschaftswissenschaften, Erkunde/ Geschichte/ Sozialkunde in Rheinland-Pfalz für Hauptschule, Realschule, Gymnasium, regionale Schule für die Klassen 7-9/10 heißt es sehr konkret „Der Geschichtsunterricht muss der Schülerin/ dem Schüler einen großen Raum zur Eigentätigkeit bieten, wobei sie/ er Geschichte erfahren, nachvollziehen und vergegenwärtigen kann (Spurensuche, Regionalgeschichte, Familiengeschichte, Oral-History, etc.)“. Es müssen“ – so im O-Ton – „Unterrichtsmethoden gewählt werden, die der Schülerin/ dem Schüler historische Vorgänge in Vergangenheit und Gegenwart anschaulich und durchschaubar machen und ihm damit den Weg zur eigenen Erkenntnis ermöglichen (Projektunterrichtsform, offene Unterrichtsform, vielfältige Kommunikationsformen, etc.).“ ..Wesentlich kürzer fasst der Rahmenplan für den Stadtstaat Bremen, Sekundarstufe I, Welt/ Umwelt/ Gesellschaft (Geschichte, Geographie, Gemeinschaftskunde) seine Agenda zum Lernen außerhalb der Schule in seiner Präambel zusammen: „Ein großer Teil der Themenstellung der Fächer Welt/ Umwelt, Gemeinschaftskunde und Geschichte und auch zahlreiche Themen des Faches Geographie lässt sich mit dem regionalen Bezug erarbeiten und begleiten. Exkursionen, Museums- und Archivbesuche bieten reichhaltiges Material gerade für das selbstverantwortliche Lernen der Schülerinnen und Schüler. Es ist die Aufgabe der Lehrkräfte und Konferenzen, einen entsprechenden Raum für das außerschulische Lernen zu gewähren und im schulinternen Curriculum auszuweisen.“ ..Gleiches unterstreicht die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport in Berlin in ihrem Vorläufigen Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule, Wahlpflichtfach Geschichte, Gymnasium Klasse 9 und 10: Hier heißt es für das Wahlpflichtfach Geschichte „sollten außerschulische Lernorte und vorbereitende selbständige Informationsbeschaffung oder Darbietung maßgeblich [den Unterricht] bestimmen. Propädeutisch und altersgemäß sollte die eigenständige Formulierung von unterrichtlichen Fragestellungen geübt werden.“ ..In Sachsen heißt es kurz und bündig in den didaktischen Grundsätzen für das Fach Geschichte an der Mittelschule: „Nutzung außerschulischer Lernorte, um Geschichte lebensweltlich zu verorten“. ..Sekundarstufe I ..Im Rahmenlehrplan [Geschichte] Brandenburg für die Sekundarstufe I wird explizit der Besuch von „Mahn- und Gedenkstätten“ unter dem Rubrum „didaktisch-methodische Anregungen“ aufgeführt. ..Auch in den Erläuterungen zu den Arbeitsmethoden der Schülerinnen und Schüler im Lehrplan Hessen, Bildungsgang Hauptschule, Jahrgangstufe 9, wird explizit „der Besuch der Gedenkstätten“ genannt. Gleiches gilt für den Bildungsgang Realschule. Im Lernbereich III „Die nationalsozialistische Diktatur – ein System von Terror und Gewalt“ des Lehrplans Gymnasium Sachsen, Klassenstufe 9 2004/2005 wird ebenso wie im Lehrplan für die Mittelstufe vorgeschlagen, die „Exkursion zu einer Gedenkstätte“ . ..An den saarländischen Realschulen ist in der 9. Klasse der „Besuch von Soldatenfriedhöfen, Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten in der Region“ vorgesehen. Interessanterweise meint man von Seiten der Lehrplanmacher für die Förderschule in Sachsen bei der Thematisierung der NS-Zeit ohne einen Besuch von Gedenkstätten an die NS-Gewaltherrschaft auszukommen, während man gänzlich anderer Meinung beim Wahlpflichtbereich V „Geteiltes Deutschland“ ist, in dem explizit der Besuch von regionalen Gedenkstätten an Fluchtversuche an der Mauer und Opfer der SED-Diktatur vorgesehen ist. Auf diese Art und Weise wird die unerbauliche Diskussion um Opferkonkurrenzen weiter angeheizt. ..Sekundarstufe II..Nicht nur für den Bereich der Sekundarstufe I, sondern auch in den Vorüberlegungen und grundsätzlichen Erwägungen zur Gestaltung des Faches Geschichte in der Sekundarstufe II finden sich eine Fülle von Hinweisen auf die Nutzung außerschulischer Lernorte, wenn nicht sogar explizit der Gedenkstätten selbst. So formuliert das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Lehrplan für die Sekundarstufe II /Gymnasium Gesamtschule, Geschichte: „Der Geschichtsunterricht fördert in der Begegnung mit außerschulischen Lernorten wie Archiven und historischen Stätten den handlungsorientierten Zugang und forschend-entdeckende Arbeitsformen.“ ..In Bayern, Lehrplan Gymnasium, Geschichte wird die „lebensweltliche Bedeutung des Geschichtsunterrichts unterstrichen, indem die Schüler „den Formen öffentlicher Geschichts- und Erinnerungskultur“ begegnen. Dadurch, so die bayerischen Lehrplaner, würden sie befähigt, an öffentlichen geschichtskulturellen Debatten teilzuhaben. Gleichzeitig erlernten sie „den kritischen Umgang mit Geschichtsvorstellungen in Vergangenheit und Gegenwart“. ..In Hessen ist man am Bildungsgang Gymnasium der Jahrgangsstufen 6-13 für das Unterrichtsfach Geschichte darauf bedacht, „eine möglichst selbstständige Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen“ zu fördern. Diese werde vor allem durch „handlungs- und produktorientierte Verfahren, kreative Formen der Beschäftigung mit historischen Fragestellungen, Erkundungen, Befragungen von Zeitzeugen, Spurensuche im lokal- und regionalgeschichtlichen Bereich, das Nachspielen historischer Situationen, der Besuch von Gedenkstätten und Ausstellungen“ gefördert...Für die Senatsverwaltung Berlin für Bildung, Jugend und Sport, Rahmenplan für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule, politische Weltkunde/ Geschichte, Gymnasium der Klassen 11-13 besitzen „außerschulische Lernorte, wie Museen, Gedenkstätten, Archive … besonders für den Unterricht in zeitgeschichtlichen und aktuellen Themen eine wichtige und ergänzende Bedeutung. Das gilt auch für Referenten als Zeitzeugen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Diese Möglichkeiten für die Ergänzung des Unterrichts müssen in die Planung miteinbezogen werden.“ .In Sachsen sind außerschulische Lernorte „fester Bestandteil des Geschichtsunterrichts, daher sind zum Beispiel, Gedenkstätten, Museums- und Archivbesuche in jedem Jahr durchzuführen.“ ..Erst recht finden sich konkrete Hinweise auf regionale Gedenkstätten in den klein gearbeiteten Themenfeldern und den stofflichen Verlaufsplänen der Lehrpläne. .So wird im Rahmenlehrplan Land Brandenburg für die Sekundarstufe I der Besuch von „Mahn- und Gedenkstätten“ unter dem Rubrum „didaktisch-methodische Anregungen“ explizit thematisiert. ..In den Erläuterungen zu den Arbeitsmethoden der Schülerinnen und Schüler im Lehrplan Hessen, Bildungsgang Hauptschule, Jahrgangstufe 9, wird explizit „der Besuch von Gedenkstätten“ angeführt. Gleiches gilt für den Bildungsgang Realschule. ..In Sachsen wird im Lernbereich III für die Jahrgangsstufe 9 am Gymnasium „Die nationalsozialistische Diktatur – ein System von Terror und Gewalt“ die „Exkursion zu einer Gedenkstätte“ des Lehrplans für die Mittelschule die „Exkursion zu einer Gedenkstätte“ innerhalb des Lernbereichs IV: „Herrschaft und Alltag im Nationalsozialismus“ vorgeschlagen...Im Lehrplan für die Sekundarstufen des Landes Sachsen-Anhalt werden zwar nicht ausdrücklich Gedenkstätten genannt, aber unter der Methode „Denkmäler untersuchen“ auch so genannte „Mahnmal(e)“ thematisiert. ..Methodische Hinweise..Eine Entwicklung fällt jedoch bei der Lektüre der Richtlinien und Lehrpläne, die vom Leser doch einiges an stoischer Beharrungskraft und Ausdauer voraussetzen, auf: In den letzten Jahren wurden die methodischen Hinweise zur außerschulischen Arbeit an den Gedenkstätten zunehmend konkretisiert durch die explizite Nennung lokaler und regionaler Gedenkstätten an die NS-Gewaltherrschaft...Mehr und mehr wird konkret für das einzelne Bundesland auf die im Lande selbst oder auf die in der Nähe des Bundeslandes befindlichen außerschulischen Lernorte zur Zeit der NS-Diktatur Bezug genommen. Der Rahmenlehrplan Sekundarstufe I der Freien Handelsstadt Bremen fordert Exkursionen zum „KZ Bergen-Belsen, [zu] NS-Orte[n] in Bremen und Bremerhaven, Bunker „Valentin“ in Farge“. ..Die Exkursionsziele „KZ-Neuengamme, Gedenkstätte Bullenhuser Damm, Soldatengräber“ nennt der Rahmenlehrplan für Geschichte am 9-stufigen Gymnasium der Freien und Handelsstadt Hamburg für die Jahrgangsstufen 9/10. Als explizite Handreichungen und Nahaufnahmen sind ausgewiesen: „Swing-Jugend in Hamburg“, ein „Feuersturm 1943“, ein „Altonaer Blutsonntag“, … „Novemberpogrom in Hamburg“, „Jungenalltag [sic-AK] unterm Hakenkreuz“, „Mädchen- und Frauenalltag unterm Hakenkreuz“; „aus Kindern werden Briefe – Dokumente zum Schicksal jüdischer Kinder und Jugendlicher in der NS-Zeit“. ..Konkret angegeben sind auch die außerschulischen Lernorte im Lehrplan Hessen, Bildungsgang Gymnasium, für das Unterrichtsfach Geschichte in der Jahrgangsstufe 10: Hier wird unter dem Rubrum „Arbeitsmethoden der Schülerinnen und Schüler“ der „Besuch von Gedenkstätten (Buchenwald)“ vorgeschlagen. ..Ähnliches vollziehen die Lehrplanmacher für das Gymnasium in Thüringen (1999), die für das Feld „die Zeit des Nationalsozialismus“ als Lerninhalt die „nationalsozialistische Rassenpolitik“ ausweisen, in deren Rahmen auch ein Besuch der „Konzentrationslager Buchenwald und Dora“ vorgesehen sind. Im Lehrplan des Saarlandes ist an der Realschule in der 9. Klasse der „Besuch von Soldatenfriedhöfen, Kriegerdenkmälern und Gedenkstätten in der Region“ vorgesehen. ...Fazit..Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit an NS-Gedenkstätten bieten die Lehrpläne aller Bundesländer. Die bestehenden Handlungsoptionen sollten nicht nur von den Lehrern, sondern auch von den professionellen Gedenkstättenmitarbeiterinnen genutzt werden. Ein aktives Ins-Gespräch-Bringen der Gedenkstätten-Einrichtungen verliefe am ehesten über eigene Offerten in die derzeit auch im Fach Geschichte modische Diskussion um .„Kompetenzen und Standards“ im Praxisfeld Schule, wie eine aktuelle Zusammenstellung von Bildungsstandards anzeigt. .Sie geben länderübergreifend „sowohl den Kultusverwaltungen Empfehlungen für länderspezifische Standards“ im Fach Geschichte „als auch Anregungen für die Fachkonferenzen an den Schulen und für jeden einzelnen Lehrer. Die Bildungsstandards stellen zugleich ein Kerncurriculum für den Unterricht in den genannten Jahrgangsstufen dar und sind deshalb für die Durchführung des Unterrichts gewinnbringend zu verwenden“. Explizit sollen den Schülern der 9./10. Jahrgangsstufen bei der Vermittlung des Unterrichtsinhaltes „Nationalsozialismus“ auf drei Ebenen Kompetenzen vermittelt werden: Auf der Ebene der Sachkompetenz, auf der Ebene der Deutungs- und Reflexionskompetenz und auf der Ebene der Medien-/ Methodenkompetenz. Hier bieten sich den Bildnern an den Gedenkstätten zahlreiche Anknüpfungspunkte für didaktische Module. ..Auf der Meta-Ebene der geschichtswissenschaftlichen Zugriffe werden die Zugriffe politik-, als auch alltags- und sozialgeschichtlicher Provenienz ernst genommen. Sie bilden die Basis der historiographischen Analyse, jedoch zukünftig sukzessive erweitert um die transnationale Perspektive, um die ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein heute nicht mehr umhin kommt..Von den Grundformen historischer Untersuchung werden im Rahmen der pädagogischen Arbeit an den Gedenkstätten zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor allem das biographische und das perspektivisch-ideologiekritische Verfahren Berücksichtigung finden. Auch die Formen geistiger Vergegenwärtigung sind nicht beliebig, sondern überschaubar: Alle drei – die symbolischen, die ikonischen sowie die enaktiven Formen sollten Berücksichtigung finden. Bei den zu vermittelnden Kompetenzen wird man sich vorbereiten müssen auf die Trias Sachkompetenz, Deutungs-/Reflexionskompetenz.sowie Medien-/Methodenkompetenz. .Ziel der didaktischen und methodischen Offerten an den Gedenkstätten darf nicht die Konzentration auf bestimmte Formen der Darbietung und Aneignung sein, sondern die Öffnung der Adressaten für plurale Perspektiven auf den Ebenen der Inhaltsauswahl, der Hermeneutik und der Lehr- und Lernformen. In diesen Bereichen muss die Gedenkstättendidaktik professionelle Angebote entwickeln. ..Erst eine adressatenbezogene Konturierung der pädagogischen Angebote, die abgesichert durch das Wissen um die eigenen Ankerplätze in den Richtlinien und Lehrplänen die Lebensweltpraxis der Jugendlichen ernst nimmt, die methodischen Angebote ohne die Vorgaben aktueller Trenddebatten reflektiert und zur Aufgeregtheit erziehungswissenschaftlicher Debatten um den Kompetenzerwerb auf dem Feld historisch-politischer Bildung die notwendige Distanz einnimmt, wird der Pädagogik an den Gedenkstätten eine Perspektive für die Zukunft sichern. Zur Sicherung der eigenen professionellen Perspektive müsste sie dabei aber ohne die Parolen „Nie wieder …“ und „Aus der Geschichte lernen ...“ auskommen. ...Biographisches:.Dr. Alfons Kenkmann ist Vorsitzender des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen und Universitätsprofessor für Geschichtsdidaktik in Leipzig .