Ute Wrocklage..KZ-Bilder fürs private Foto-Album. .Die Fotografien im Album des KZ Kommandanten Karl Otto Koch. ..Im September 2007 titelten einige deutsche Tageszeitungen mit Schlagzeilen wie „So feierten die KZ-Mörder“ (MoPo), „Menschen, die lieber gelacht haben“ (FR-online), oder „Massenmörder im Liegestuhl“ (Die Zeit). Anlass dieser Zeilen war ein privates Fotoalbum von SS-Obersturmführer Karl Höcker, Adjutant von Richard Baer, dem letzten Kommandanten des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Das Holocaust Museum in Washington D.C. hatte die 116 Fotos des Albums auf ihren Internetseiten veröffentlicht. .Die Aufnahmen halten in etlichen Porträts den Urheber des Albums Karl Höcker fest. Er sammelte in seinem Album auch die besonderen Ereignisse des Jahres 1944, z. B. die feierliche Eröffnung des SS-Lazaretts in Auschwitz, aber vor allem Fotos von der Freizeitgestaltung beim Feiern, Musizieren, Singen oder beim Sonnenbaden auf der Sola-Hütte, die sich in der Nähe des Konzentrationslagers befand. Fotos von Häftlingen oder dem Vernichtungslager Birkenau sind in der Bildersammlung nicht enthalten, auch keine Aufnahmen, die die SS in der Ausübung ihrer Tätigkeit im Lager dokumentieren. Die Brisanz – wie sie in den Schlagzeilen zum Ausdruck kommt – erhält das Album durch das Wissen um die gleichzeitig stattfindende Vernichtung der ungarischen Juden im Sommer 1944, die in dem sogenannten Auschwitz-Album der SS fotografisch dokumentiert ist. .In der Ausstellung „Von der Sachsenburg nach Sachsenhausen“, die in der Gedenkstätte Sachsenhausen von Oktober 2006 bis Januar 2008 gezeigt wurde, sind ebenfalls private Fotografien zu sehen. Sie stammen aus dem Fotoalbum des ersten Lagerkommandanten von Sachsenhausen, Karl Otto Koch. Dieses Album ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen sind privat angelegte Alben von KZ-Kommandanten so gut wie gar nicht überliefert bzw. bislang nicht bekannt, zum anderen ist dieses Album mit insgesamt 482 Fotos sehr umfangreich. Das Album des letzten Kommandanten Kurt Franz im Vernichtungslager Treblinka behandelt lediglich auf ein paar Seiten seine „Schönen Zeiten“ – so die handschriftliche Beschreibung – in Treblinka. Außerdem ist das Koch-Album nahezu vollständig überliefert, es fehlen lediglich drei Aufnahmen. In privaten Alben der Wehrmachtssoldaten fanden nach dem Krieg oftmals „Säuberungen“ von verräterischem Material statt. So entfernte auch Kurt Franz ein paar Fotos und radierte das Wort „Schöne“ aus der Beschriftung aus. .FOTOGRAFIEN UND ALBEN ALS QUELLE.Fotografien können zur Rekonstruktion der Vergangenheit in vielfältiger Weise als Quelle dienen. Sie können Auskunft geben über die zeitgenössische Architektur, über Modeerscheinungen, über das Aussehen eines verstorbenen Verwandten oder einer Person der Zeitgeschichte, um nur einige Gebrauchsweisen zu nennen. Bildserien, Konvolute und Fotoalben halten darüber hinaus noch Informationen bereit, die sich aus der Abfolge und Anordnung des Bildmaterials erschließen lassen. Innerhalb einer Fotofolge lässt sich eine erzählerische Funktion erfassen, da das Bild in einem Bild- und – mit Bildunterschriften versehen auch in einem - Textkontext wahrgenommen werden kann. Die Fotos stehen in einem funktionalen Zusammenhang und erläutern sich gegenseitig. .Private Fotoalben können daher als visuelle Autobiografien gelesen werden. Sie konservieren und visualisieren die Lebensgeschichte ihres Urhebers in einzelnen ausgewählten Momenten und spiegeln somit die Befindlichkeit ihres Schöpfers wider. Der Knipser vergewissert sich anhand seines Albums seiner Vergangenheit und letztendlich seiner Identität. Schon mit dem was er berücksichtigt, legt er „eine Spur in die Zukunft.“ Sein ganzes Bemühen von der Aufnahme über die Bildauswahl bis zum Verfassen der Bildlegende zielt danach, die gegenwärtigen Erlebnisse dem Betrachter von morgen möglichst gleichwertig aufzuzeigen. Die Bildauswahl richtet sich nicht nach dem ästhetischen oder qualitativen Wert, sondern nach dem Erinnerungswert der einzelnen Aufnahme. Es kommt ihm nicht darauf an, von wem, wie oder was fotografiert wird, sondern woran die Bilder erinnern. Die Andeutungen in den Bildern, oder die sich aus deren Anordnung ergeben, sind ihm dabei wesentlich. Sie fungieren dem Autor und Arrangeur der Fotos als Stichworte. Diese Stichworte kann nur er wieder zu seinem lebensgeschichtlichen Zusammenhang verbinden. .Da uns dieser Erzählzusammenhang nicht bekannt ist und für immer verschlossen bleiben wird, können wir uns dem Album und seinem Besitzer nur über das wer, wie und was annähern, um nach den erinnerungswürdigen Momenten seines visuell festgehaltenen Lebens und nach der Funktion und Bedeutung für ihn zu fragen, womit zunächst die Frage nach dem Inhalt und dem Urheber des Albums in den Fokus rückt. Um die Bildersammlung seiner Dienstzeit insgesamt klarer in den Blick zu bekommen, werden noch zwei weitere Alben aus dem Hause Koch vergleichend hinzugezogen. Wer war Karl Otto Koch und wie hat er seine Lebensgeschichte visuell aufbereitet?.KOCHS FOTOALBEN.Jedes der drei vorhandenen Alben aus dem Hause Koch zeichnet ein etwas anderes Bild seines Gestalters. In der Literatur werden die beiden privaten Konvolute als „Ilse Koch Alben“ bezeichnet, der zweiten Ehefrau von Karl Otto Koch, die unter dem Beinamen die „Hexe“ oder „Kommandeuse“ von Buchenwald in die Geschichte einging. Beide Bildersammlungen stellten im Sommer 1945 amerikanische Ermittler in ihrem Hause in Ludwigsburg sicher. Es handelt sich jedoch nur bedingt um eine Urheberschaft der Ilse Koch. Ein Album legten die Eltern Koch für ihren 1938 geborenen Sohn Artwin an. Gestalten und kunstvoll beschriften mussten es jedoch Häftlinge des Buchbinderei-Kommandos im KZ Buchenwald. In diesem Album ist Karl Otto Koch in der Rolle des liebevollen Vaters zu sehen, der mit seinem Sohn und schließlich auch mit der Tochter Ausflüge unternimmt, „Witzchen macht“, im sommer- oder winterlichen Lager Spazieren geht, den Lagerzoo besucht oder seine Kinder beim Essen und Spielen mit der Kamera beobachtet und ihre Lebensstationen minutiös festhält. Auch das Wohnhaus, in dem der Sohn aufwächst, ist mit Außen- und Innenansichten festgehalten; sie repräsentieren den Stolz des Albengestalters über den erreichten Wohlstand usw..In der zweiten Bildersammlung mit dem handschriftlichen Vermerk „Privat No. 1“ in der Innenseite des Einbandes hat Karl Koch seine eigenen Lebensstationen festgehalten. Koch, der am 2. August 1897 geboren wurde, meldete sich bereits vor seinem 18. Lebensjahr freiwillig zum Kriegsdienst, wurde aber auf Widerspruch seiner Mutter nicht eingezogen. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und nahm mit 18 seinen Kriegsdienst auf, der ihn schließlich an die Westfront brachte. Hier verletzte er sich am Fuß und erlitt einen Schulterdurchschuss, kehrte nach Genesung wieder an die Front zurück und geriet 1918 für fast ein Jahr in englische Kriegsgefangenschaft..Sein privates Album beginnt mit 13 Fotos aus dem Jahre 1917 von der Westfront im Ersten Weltkrieg sowie Aufnahmen aus der Kriegsgefangenschaft und endet mit Aufnahmen seiner Hochzeit Ende Mai 1937 im KZ Sachsenhausen. Die letzten Fotos sind allerdings nicht mehr enthalten, nur die getippten Bildunterschriften weisen noch auf den Bildinhalt hin..Die Phase von 1920 bis 1931 ist in dieser Sammlung sehr dünn. Nach seiner Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft 1919 wechselten seine Arbeitsstellen bis 1931 häufig. In dieser Zeit war er auch desöfteren arbeitslos und auf Unterstützung der Geschwister angewiesen. Timm Starl stellte in seiner Studie zu den Knipsern fest, dass „schlechte“ Zeiten bzw. existentielle Bedrohungen keinen Eingang in die Alben finden, obschon weiter fotografiert wird. Koch berücksichtigt in dieser Zeit nur die ihm sehr nahe stehenden Verwandten, wie seine Mutter, der er anlässlich ihres Todes im Jahr 1929 eine Seite widmet, oder seinem Sohn Manfred aus erster Ehe, der in verschiedenen Entwicklungsstadien und bei diversen Anlässen im Album verewigt ist. Das Jahr 1931 stellt eine gewisse Zäsur in Kochs Leben dar. Es ist das Jahr seiner Ehescheidung von Käthe Müller, die er 1924 geheiratet hatte, und es ist das Jahr seines Eintritts in die NSDAP und die SS. In der Gauleitung wird er mit der Kassenverwaltung beschäftigt. Ab 1932 nehmen schließlich in seinem privaten Album die Unternehmungen, Fahrten und Geselligkeiten wieder zu, ab 1934 in neuer Begleitung von Ilse Köhler, die er 1937 heiratet. .In dieser Bildersammlung bleibt Karl Otto Koch der Privatmensch. Der Arbeitsalltag ist nicht berücksichtigt, was nichts Ungewöhnliches ist. Das Fotografieren findet verstärkt in der Freizeit und auf Reisen statt. Der Knipser will sich später an die schönen und angenehmen Momente im Leben erinnern, an die sehenswerten Augenblicke. Dazu gehört meistens nicht die Arbeit. Dieser Bereich wird üblicherweise ausgeklammert, weil ihn andere bestimmen. An die Zeit und Tätigkeit, über die man nicht selbst entscheiden konnte, will man später nicht erinnert werden. Lediglich leitende Angestellte lassen sich hinter ihrem Schreibtisch ablichten, um ihrer Position Ausdruck zu verleihen...KOCHS DIENSTALBUM.Koch dagegen blendet seine Arbeitswelt aus den erinnerungswürdigen Momenten seines Lebens nicht aus. Im Gegenteil, er widmet seinem Alltag ein separates Album, das in Größe und Einband – schwarzer Ledereinband – mit seinem privaten Album nahezu identisch ist. Der Kauf zweier fast einheitlicher Alben für den privaten und beruflichen Lebensbereich unterstreicht die Bedeutung und die Gleichwertigkeit, die beide „Familien“, die eigene und die der SS, für ihn besitzen. Er achtet bei der Bildauswahl nach Möglichkeit auf eine Trennung der beiden Lebensbereiche. .In beiden Alben finden sich nur wenige übereinstimmende Fotos und Themen, wie z. B. die Aufnahmen des Freibades im Konzentrationslager Esterwegen. Ein Foto, auf dem Karl Koch mit seinem Sohn Manfred am Beckenrand zu sehen sind, ist in beiden Alben identisch. In seinem Dienstalbum weist die sachbezogene Beschriftung des „neuerbauten Freibades mit Sprungturm im K.L.E.“ auch auf den Stolz des Bauherren hin, unter dessen Leitung die Freizeitmöglichkeit für das KZ-Personal gebaut wurde. In seinem privaten Album stehen dagegen Anlass, Ort und Personen im Vordergrund. „Vati, Pimpf“ – womit offenbar Ilse Köhler gemeint ist – „und Manfred in Esterwegen nach abgebrochenen Ferien in Norderney.“, so die Beschriftung. Dass der Urlaub in einem Konzentrationslager fortgesetzt wird, geht aus dem Text wie aus den Bildern nicht hervor. Es handelt sich für ihn offenbar um einen Urlaubsort wie jeder andere..Eine weitere Trennung in der Gestaltung seiner Alben vollzieht Koch in den Bildunterschriften. In seinem Dienstalbum erwähnt Koch sich nur in der dritten Person und immer mit Rang, Vor- und Nachnamen – also SS-Sturmführer Karl Koch –, als ob es sich um eine ihm unbekannte Person handelt. In seinem privaten Album benennt er sich dagegen nur selten, und wenn, dann bezeichnet er sich als „Karl“ oder „Karlchen“. Im Beisein seines Sohnes Manfred nennt er sich „Vati“, während er in dem Album für Sohn Artwin immer der „Papi“ ist. .Koch richtet sich mit den Unterschriften offenbar ganz gezielt an einen bestimmten Leser- und Betrachterkreis der Alben. Dass er sich in seiner privaten Bildersammlung nur selten mit Namen bezeichnet, weist darauf hin, dass das Album in erster Linie für ihn persönlich gedacht war und es seine erinnerungswürdigen Momente bereit hielt. Insofern bedarf es keiner Erläuterung der Personen. Warum er sich in seinem Dienstalbum immer in der dritten Person und mit Dienstrang benennt, kann nur spekulativ sein. Entweder er zog einen späteren Leserkreis in Betracht, dem er nicht so vertraut war oder ihm war bewusst, dass er in der Gruppe der uniformierten SS-Männer in späteren Zeiten von seinen Nachkommen nicht erkannt werden würde. Als weitere Erklärung wäre denkbar, dass es zur Hervorhebung seiner Karriere der Erwähnung der Dienstgrade bedurfte. Im Kreis der abgelichteten SS-Offiziere, SS-Hauptsturmführer, Obersturmbannführer oder Oberführer hätte ihn eine Bezeichnung nur mit seinem Vornamen Karl nicht nur ranglos, sondern vor allem belanglos erscheinen lassen. Auf die Betonung und Bedeutung seiner Person, seiner Leistungen und seines Aufstiegs legte er allerdings großen Wert. Fotografiert im Kreise der führenden SS-Offiziere und Amtsleiter unterstrich den Betrachtern, insbesondere aber ihm, dem Albenbesitzer, die Bedeutung seiner Person. Koch schmückte sich so mit den Dienstgraden der SS-Offiziere und instrumentalisierte sie für seine eigenen Interessen, vor allem für seine Selbstdarstellung. .Dem Sammler der eigenen Lebensgeschichte kommt es nicht darauf an, wer fotografiert. In seine Alben gehen auch gekaufte Postkarten, Bilder aus Souvenirmäppchen oder geschenkte Bilder und Fotos anderer Knipser mit ein. Meistens aber geschieht das Knipsen durch die Person, die auch das Album anlegt. An den Aufnahmen anderer Fotografen ist der Sammler oftmals nicht ganz unbeteiligt. Das Fotografieren mit ihm vor der Kamera zielt schon auf das Festhalten im Album hin. Er instruiert die Kameraleute über seine Bildwünsche und richtet seine Pose ganz darauf aus, wie er gesehen werden will. .Mit Sachsenhausen übernimmt Karl Koch erstmals die Aufgabe zum Aufbau eines Konzentrationslagers. In der neuen Rolle als Bauherr scheint er sich außerordentlich gut zu gefallen. Auf fünf Seiten zum Aufbau des Lagers ist der „Bauherr“ und Kommandant Karl-Otto Koch mindestens auf einem Bild pro Seite in dieser Rolle zu sehen. Beim Gestalten der Seiten nutzte er unmittelbar hintereinander entstandene und nur geringfügig voneinander abweichende Fotos. So kann er seine Bauleiter- und Bauherrenrolle im Album noch strecken. Auf Seite 47 (Mitte rechts) (vgl. Abb. 105) ließ er sich vor den Grundmauern des Haupteingangs ablichten, die darunter noch im Detail zu sehen sind. Auf der nächsten Seite an gleicher Stelle verwendet er eine weitere Aufnahme aus der Serie. Montiert sind die Fotos so, dass Koch gewissermaßen den Blick auf das „fotografierte“ Lager wirft, das kann vom Rande aus geschehen – wie in diesen beiden Beispielen – oder er überblickt den Aufbau von oben – wie auf Blatt 51 des Albums (vgl. Abb. 203). .Die Fotos machen deutlich, dass Koch und seine Begleitung nicht heimlich fotografierten. Der Reichsführung-SS war das Fotografieren in den SS-Verbänden bekannt und in den ersten Jahren sogar erwünscht. Mit der Ausschreibung von Foto-Wettbewerben motivierte sie ihre Männer geradezu zur Herstellung von Fotomaterial. Wie die NS-Propaganda die Amateurfotografen und Knipser für ihre Zwecke einspannte, schrieb auch die SS im Jahre 1934 einen Wettbewerb aus. Der Chef des SS-Amtes forderte alle Truppenangehörigen vom Führer bis zum SS-Mann auf, Einzel- und Gruppenaufnahmen, Fotos von marschierenden Kolonnen, SS-Heimen und –Unterkünften, Denkmälern oder Sinnbildern einzuschicken. Für die besten Bilder wurde ein Honorar in Höhe von 10,- RM gezahlt. Zweck des Wettbewerbs war der Aufbau eines Bildarchivs bei der Reichsführung-SS ab Mitte 1934, für das Material benötigt wurde. Zugleich werden die Knipser in der SS angeregt, sich auch zukünftig an der Dokumentation zu beteiligen. Für jedes akzeptierte Foto gab es eine RM. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Karl Koch sich über seine private Dokumentation seiner Berufsbiografie hinaus für die Dokumentation der SS-Geschichte engagierte. .Der Wettbewerbs-Aufforderung, Sinnbilder einzuschicken, würde beispielsweise die fotografische Umsetzung des Totenkopfsymbols in Kochs Album entsprechen. Der Totenkopf stand in der SS für die geforderte Bereitschaft, „den Tod zu geben und den Tod zu nehmen“. Diesem Leitsatz zollt Koch durch das Foto eines Schädels Ausdruck. Es zeigt zugleich auch seine Identifikation mit der SS und der Weltanschauung. Dies bestätigen noch weitere fotografische Belege im Album..Nicht zuletzt gehört auch das Foto der Hochzeitszeremonie im Eichenhain des KZ Sachsenhausen hierzu. Man sollte meinen, dass die eigene Hochzeit ein Anlass ist, der ausschließlich dem privaten Bereich vorbehalten bleibt. In seinem privaten Album erstreckte sich dieses Ereignis auch über vier Albenseiten, die – wie erwähnt – bis auf die Bildunterschriften nicht mehr vorhanden sind. Dass eine Aufnahme der „Eheweihe“ Eingang in sein Dienstalbum fand, hängt vermutlich mit dem von Himmler erwarteten Glaubensbekenntnis der „Gottgläubigkeit“ zusammen. In den Totenkopfverbänden gaben nach Tom Segev 51,7 % diese Richtung als Glaubensbekenntnis an, dreimal soviel wie in den anderen SS-Formationen. Die „Eheweihe“ oder wie Koch schreibt „SS-Hochzeit“ wurde nach der standesamtlichen Trauung im engsten Kreis des Paares von dem örtlichen Einheitsführer abgehalten, der hier offenbar rechts im Bild erscheint. Mit den neuheidnischen Ritualen, zu der auch die Julfeier als Ersatz für das Weihnachtsfest gehörte, beabsichtigte Himmler, seine Getreuen von den christlichen Kirchen zu trennen und sie ganz auf die SS einzuschwören – was bei Karl Koch scheinbar gelang. Die Eheweihe mit Ilse Köhler bleibt für Koch dennoch dem Privatbereich als ein besonderer Tag in seinem Leben erinnert. Hier schenkt er dem Ablauf der Zeremonie ausführlicher Beachtung. Die Bildlegende ist der in seinem Dienstalbum ähnlich. Da ihm die SS eine Gemeinschaft mit familiärer Bindung ist, gehört das Hochzeitsfoto nach SS-Ritual auch in seine visuelle Berufsbiografie, worauf die Bildlegende SS-Hochzeit ebenfalls hinweist. Zugleich bezeugt es seine Treue zu dieser Gemeinschaft..Einige Beispiele zeigten bereits, was Karl-Otto Koch für sammelwürdig hielt. Es waren Ereignisse, die sich nicht strikt nach dem privaten oder beruflichen Bereichen trennen ließen. Es gibt aber auch Momente, die seinem Arbeitsalltag vorbehalten sind. Diese sollen nachfolgend näher in den Blick genommen werden..DIE SS IM BILD.Neben touristischen Fotografien von Besichtigungsfahrten, z.B. zum Sachsenhain bei Verden oder zu einer Führerbesprechung am Eibsee auf der Zugspitze, zahlreichen Gruppen- und Freundschaftsbildern und Besuch ranghoher SS- und NS-Führer im Konzentrationslager , wie sie im privaten Album vergleichbar mit Aufnahmen seiner Reisen oder Familienfeiern erscheinen, enthält das Album Aufnahmen von zwei Personengruppen: der SS und ab 1935 der Schutzhäftlinge in den Konzentrationslagern..Die SS wird vor allem in der Ausübung militärischer Rituale, Zeremonien und Ehrenbezeigungen präsentiert. Uniformierte SS-Einheiten sind in Reih’ und Glied angetreten, marschieren im Gleichschritt durch die Städte und kehren von Exerzierübungen zurück. Sie sind bei der Wach- und Postenablösung zu beobachten, beim Präsentieren des Gewehrs usw.. Ihren Einsatz finden sie bei der Totenehrung eines Kameraden und bei Ehrerweisungen. Einblick in den SS-Bereich gewährt Koch lediglich durch Außenansichten der Gebäude, Fotos der Räume und ihrer Innenausstattung seiner jeweiligen Dienststelle. Gelegentlich sind SS-Männer auch in ihrer Freizeit anzutreffen, beim Sport oder bei Gesprächen, meistens finden sie sich zu Gruppen- und Freundschaftsbildern verschiedener Anlässe zusammen. .In der öffentlichen Wahrnehmung und in den fotografischen Bildern erscheinen die SS-Wachverbände – ab März 1936 SS-Totenkopfverbände – wie andere militärische Einheiten. Sie unterscheiden sich von Wehrmacht oder SA, die sich als Ersatzheer sah und von der Wehrmacht ausgebildet wurde, nur durch die schwarzen Uniformen und die Insignien des Totenkopfsymbols an der Mütze und dem Kragenspiegel. In der Ausübung militärischer Rituale bestand kein Unterschied..Ausgebildet haben sich diese Formen mit den ersten preußischen Heeren im 17. Jahrhundert. Ihre Funktion hat sich im Laufe der Zeiten verändert. Ihren ursprünglichen Zweck haben sie sich aber symbolisch erhalten. So haben die Truppenparaden ihren Ursprung in den Musterungen und Kontrollen im 17. Jahrhundert, die durch Kommissare durchgeführt wurden, um die Kriegstauglichkeit der Männer zu prüfen und zu garantieren. Bei der Abnahme von Truppenparaden präsentieren die Soldaten ihre jeweilige Leistungsfähigkeit der Militäreinheit. In einer weiteren Funktion visualisieren sie zugleich die Macht des Staates oder des Truppenverbandes nach innen wie nach außen. .Durch die Übernahme militärischer Rituale werden die SS-Wachverbände/Totenkopfverbände als militaristische Gemeinschaft wahrgenommen worden sein. Denn in einem Bildbericht der „Münchener Illustrierten Presse“ vom 26. Juli 1934, der den Leitspruch „Meine Ehre heißt Treue“ zum Titel hat, wehrt man sich gegen diesen Vorwurf. Dort konnte ein breit gefächertes Lesepublikum erfahren: „Die pflichtdurchdrungene Kraft und Treue des Nationalsozialismus findet ihren ernsten Ausdruck in der S.S. Tief begründet also ist ihr Dienstspruch: ‚Meine Ehre heißt Treue!’ – Treue zum Führer, Treue zum Nationalsozialismus, Treue zum deutschen Blut, Treue zum deutschen Boden, Treue zum deutschen Wort. / Damit ist zugleich gesagt, daß die S.S. keine militärische Truppe ist. Sie wacht über die Sicherheit der Idee und des Führers. Sie ist praktische Auslese zur Reinhaltung der Rasse. Sie ist Schule für deren körperliche Ertüchtigung. Sie ist Schutz des Bauern und seines Landfriedens. Sie ist Hort der Worte und des heiligen Gedankengutes unserer Ahnen. – Und in jeder dieser Aufgaben ist sie das Gegenteil von Militarismus.“ .Die SS ist demnach praktizierter Nationalsozialismus, eine Schutztruppe zur Verteidigung der Weltanschauung, den „Interessen des Vaterlandes“, die für Eicke alles legitimierten. Angriffen auf diese Interessen musste mit aller Härte begegnet werden. Dafür waren Männer erforderlich, die sich in ihrer individuellen Lebensäußerung völlig der SS verschrieben und unterordneten. Unbedingter Gehorsam war oberstes Gebot, beruhte aber auf nichts anderem als freiwilligem Konsens mit der Ideologie. Der Gehorsam bezog sich aber „nicht auf Befehle in Dienstsachen, sondern auf Befehle in Weltanschauungssachen! Es war nicht der Gehorsam soldatischer Pflichterfüllung, … sondern der Gehorsam des weltanschaulichen Kämpfers, der auf der Treue basierte, die, wie Himmler oft betonte, darin gezeigt wird, daß einer mehr tut als die Pflicht. … Diese Erhebung der Treue zur Kardinaltugend der SS entsprach völlig den realen Gegebenheiten.“ .So sind die Rituale der Paraden, Ehrenbezeigungen und Gelöbnisse nach preußischem Vorbild Gehorsamsbezeigungen gegenüber der SS, dem Nationalsozialismus und der Ideologie. Gehorsam und ideologische Übereinstimmung lassen sich durch Gleichschritt und Geradlinigkeit im Formenrepertoire bekannter Rituale für die Öffentlichkeit am besten kraftvoll ausdrücken. Für Außenstehende bleibt dagegen die Machtdemonstration und Verteidigungsfähigkeit und –stärke des Staates als bekanntes Repräsentationsbild erhalten..Dieses Bild des homogenen Truppenkörpers signalisiert zugleich die vollzogene Disziplinierung von Individuen, in dem der Einzelne durch Drill, Exerzierübungen, militärische Bewegungsformen und äußerliche Vereinheitlichung durch Uniform und Haarschnitt dem Ganzen, der gesamten Truppe und dem Befehl des Vorgesetzten unterworfen wird. Die Vereidigung der Rekruten stellt dabei einen vorläufigen Endpunkt dieser Disziplinierung dar. .Die Vereidigung der SS-Rekruten am 9. November 1934 nimmt in Kochs fotografierter Lebensgeschichte einen breiten Raum ein. Die gesamte Zeremonie wird in ihrer Abfolge genau beschrieben. Das was auf den Bildern zu sehen ist bzw. zu sehen sein soll, weil die Zeremonie aus großer Distanz aufgenommen ist, liefert der Text. .Erstmals fand 1933 eine Rekrutenvereidigung auf den „Führer“ am 9. November in München mit einem Gedenkmarsch zur Feldherrenhalle und der Einweihung eines Ehrenmales statt. 1934 wurde nur ein Kranz niedergelegt, da es „angesichts der Röhm-Affäre und der Entmachtung der SA […] der Parteiführung 1934 nicht opportun [erschien], den Gedenkmarsch zu veranstalten.“ Diese Regelung betraf offensichtlich nur die „Hauptstadt der Bewegung“ München. Reichsweit lokal stattfindende Veranstaltungen betraf das offenbar nicht, wie die Serie zeigt – offensichtlich aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. .Mit den Feierlichkeiten des 9. November sollte auch an das neue nationalsozialistische Geschichtsbild erinnert und dem deutschen Volk eingeschrieben werden. Das zentrale Glaubensgeheimnis hob Hitler in seinen alljährlichen Gedenkreden hervor, in dem er „das Blut der Toten, das bei dem niedergeschlagenen Aufstand geflossen sei, als ‚Taufwasser […] für das Dritte Reich’ [deutete].“ Die Feiern sollten die neue Zeit darstellen, „[…] die Einordnung aller unter die große Idee, Hingabe und Opferwille, das Bekenntnis zur Fahne, den immer erneuerten Anruf der ganzen Gemeinschaft, die Verkündigung des Festgedankens, das gemeinsame Bekenntnis in Wort und Lied und zum Schluß den immer wiederkehrenden Schwur zu Führer und Reich.“ .Für Koch war die Abnahme des Gelöbnisses der Rekruten auf den „Führer“ Adolf Hitler eine seiner letzten Amtshandlungen als Kommandant der Wachtruppe „Sachsen“. Möglicherweise kehrte er von seinem neuen Dienstort Esterwegen für diesen Tag nach Sachsen zurück. Durch die zeremonielle Handlung handelte er im Namen des Führers und nahm seine Rolle ein, ihm gelobten die Rekruten ihren Treueeid. So „geadelt“, wird dieses Erlebnis ihm einen erhebenden und machtvollen Moment beschert haben, der durch die Fotografie immer wieder abrufbar wird und so für ihn unvergessen bleibt. .Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass der Knipser und KZ-Kommandant Koch der SS nicht nur ein treuer Gefolgsmann war, sondern sich mit der „SS-Familie“ und der Ideologie identifizierte. Er räumte ihr viel Platz in seiner visuellen Biografie ein..SCHUTZHÄFTLINGE IN KOCHS KAMERAVISIER.An seinem Album ist im Vergleich zu den Seiten von Kurt Franz oder dem gerade neu präsentierten Album von Karl Höcker außerdem bemerkenswert, dass er den Häftlingsbereich in seiner privaten Lebensgeschichte berücksichtigt. Aus seiner Zeit als Kommandant im KZ Hohnstein sind Aufnahmen aus dem Gefangenenbereich noch nicht enthalten. Nichts weist überhaupt auf die Funktion des Lagers hin. Das mag damit zusammenhängen, dass Koch als Führer der Politischen Bereitschaft im SS-Sonderkommando „Sachsen“, das zur Bewachung der Konzentrationslager eingesetzt war, sich in Hohnstein mit der Bewachung und der Auflösung des Lagers befasste. .Im KZ Sachsenburg, seiner nächsten Station, wird der Häftlingsbereich mit nur einem Foto des leeren Schlafraums angedeutet. Der „Schlafraum der Häftlinge“ wird nicht nur von den SS-Bereichen regelrecht umzingelt, sondern fällt durch das kleinere Format sofort ins Auge und ragt so optisch heraus. Auf dem Foto selbst ist allerdings kein Häftling abgebildet, nur ein großer leerer Raum mit Etagenbetten. Ohne die Bildlegende könnte die Aufnahme auch in einer Kaserne oder einem Reichsarbeitsdienstlager entstanden sein..Erst im KZ Columbia-Haus ab Mitte 1935 nimmt er den Häftlingsbereich intensiver ins Kameravisier. Von insgesamt neun Albenseiten nutzt er vier für die Häftlingsgesellschaft im Lager. Geschickt leitet er von der vorangehenden Seite, die noch das Wachbataillon „Brandenburg“ und den SS-Reichsarzt im Lager zeigt, über zum Häftlingsbereich. Das Foto weist in der Bildunterschrift darauf hin, dass es sich um den Lagerschornsteinfeger und nicht um einen Schutzhäftling handelt. Eine Verwechslung mit den Koksschippern, wie sie auf einem der folgenden Blätter erscheinen, will er ausgeschlossen wissen. Koch, erstmals in der Stellung eines Kommandanten, unternimmt jetzt Streifzüge mit der Kamera durch das Lager und fotografiert die Häftlinge bei der Arbeit oder in der Freizeit. .Einzelne Personen holt er sich direkt vor die Kamera. Den Schutzhäftling Julius Cohn stellt er vor die Hauswand und nimmt ihn in der Art polizeilicher Erkennungsdienstfotos auf – im Profil und en face. Noch nimmt er an, dass Cohn Jude ist, auf der nächsten Seite ist aus dem „Schutzhäftling Cohn“ der „Jude Cohn“ geworden. Die Koksschipper werden mit geschulterten Schaufeln hintereinander in einer Reihe aufgenommen ähnlich den Kolonnen des Reichsarbeitsdienstes, die den Lesern der nationalsozialistischen Illustrierten und Bildbände als eine Gruppierung in straffer Ordnung und in Reih und Glied mit geschultertem Spaten marschierend bekannt waren. Koch werden diese Pressebilder vertraut gewesen sein..Eine strenge disziplinarische Ordnung ist in den Fotos der Arbeitskommandos oder B.V.er noch nicht zu finden. Die Männer müssen dem Kommandanten zwar posieren, aber sie unterscheiden sich nur wenig von den ebenfalls für ein Foto aufgestellten SS-Männern der Abteilung Schutzhaftlager für ein Gruppenbild. Koch hat nicht nur Häftlingsgruppen, sondern auch alle ihm unterstehenden Abteilungen im Lager für die Nachwelt abgelichtet, (Adjutantur, Schutzhaftlagerabteilung, Verwaltung, Sani-Abteilung und ein sorgfältig arrangiertes Gruppenbild des gesamten Kommandanturstabes)..Sein Machtbereich weitet sich auch im Album sichtbar aus. Vom Führer der Wachtruppe zum Kommandanten eines Konzentrationslagers befördert, hält er sich in seiner neuen Funktion wie einen leitenden Angestellten hinter dem Schreibtisch fest. Sein Adjutant als Befehlsempfänger steht ihm zur Seite. Auch das größere Format mit 9 x 11 cm unterstreicht seine Bedeutung. Die Ausdehnung seines Machtbereiches und seiner Befehlsgewalt schlägt sich so auch in seinem fotografischen Blick nieder. SS-Männer wie Schutzhäftlinge, die noch identifizierbar und namentlich benannt sind, unterstreichen dabei seine Position und heben ihn als Person hervor..Die Erweiterung seines Blickfeldes im Zusammenhang mit seiner Stellung wird am Beispiel Esterwegen deutlich. In seiner Position als Führer der Wachtruppen im KZ Esterwegen fotografiert er beispielsweise seine Umgebung oder eine Besichtigungsfahrt mit der Wachtruppe. Die visuelle Beschreibung seines „Arbeitsplatzes“ macht vor dem Lagertor und der Lagermauer Halt. Erst als er nach gut einem Jahr als Kommandant dorthin zurückkehrt, dokumentiert er in Außen- und Innenansichten das Innere des Lagers. .Die Häftlinge werden nun bei der Arbeit und beim Exerzieren als eine anonyme Masse vorgeführt. In Esterwegen krönen die Lagerbesuche hoher SS- und NS-Führer, z. B. von seinem Protegé SS-Gruppenführer Eicke und dem Reichsarbeitsdienstführer Hierl, sein Ansehen und seine visuelle Lebensgeschichte. An seinen Machtbereich scheint er sich schon gewöhnt zu haben. Statt der einzelnen SS-Abteilungen interessieren ihn technische Aufnahmen aus dem Pumpenhaus und der Bau des Schwimmbades jetzt mehr. Im KZ Sachsenhausen positioniert er sich – wie schon erwähnt – als Bauherr, und dokumentiert den Fortschritt des Lageraufbaus..KOCHS „BILDSPÄßE“.Auf zwei Seiten seiner Dienstzeit in Sachsenhausen wird besonders deutlich, wofür Karl Otto Koch eine besondere Vorliebe besaß und womit sich die SS ihre Zeit vertrieb. In beiden Alben, seinem privaten und seiner Dienstzeit, finden sich seine „Bildspäßchen“ oder „Witzbilder“. .Die Fotos der Wohnhäuser und des Beförderungsmittels in Esterwegen sind im Grunde genommen sachliche Architekturaufnahmen oder eine so vorgefundene, vielleicht ausrangierte Schmalspurlokomotive. Bei der „ulkigen Aufnahme“ hält er eine Familie beim Sonnenbaden am Strand fest. Erst durch die Bildlegenden und die Montage erhalten die Fotos eine ironische Wendung. Er macht sich über die primitiven Lebensverhältnisse der Bewohner im Hümmling lustig, oder lässt in der „ulkigen Aufnahme“, die auf den Kopf gestellt ist, die Menschen unter der Decke schweben. .Koch beließ es aber nicht bei nachträglichen Scherzen. Schon als Führer der 3. Standarte der Politischen Bereitschaft in Dresden führte er sein Pferd, das vermutlich „Edelfräulein“ hieß, in ein Zimmer und fotografierte es von außen. Eine erste fotografische Inszenierung der Häftlinge scheint er dann im KZ Columbia vorgenommen zu haben. So lässt er die „Strichjungens“ im Gänsemarsch hintereinander, gewissermaßen „auf dem Strich“ durch das Bild laufen..In Sachsenhausen nehmen seine „Scherze“ eine neue demütigende Qualität an. Auf einem Blatt wird das Einlieferungsprocedere der Häftlinge in einzelnen Schritten dokumentiert, vom ersten Appell – noch in Zivilkleidung – über den Empfang der Kleider bis zum nächsten Antreten in der zugeteilten Kleidung. Während die Bildunterschrift hier den Vorgang und die Stationen sachlich schildern, sprechen die Fotos mit der Bechriftung „Abgabe der Zivilkleidung …“ eine andere Sprache. Einige Häftlinge haben zu große Jacken, zu große oder zu kleine Mützen erhalten und sind so der Lächerlichkeit Preis gegeben worden. Die Fotos fixieren diesen Zustand für die Ewigkeit und werden für Koch und die Betrachter des Albums immer wieder abrufbar..Dies gilt mit Sicherheit auch für die beiden Aufnahmen des größten und des kleinsten Häftlings im KZ Sachsenhausen. Der große, schlaksig wirkende Mann wird zweimal vor die Kamera geholt, um mit dem jeweils „Kleinsten“ abgelichtet zu werden. Pate für dieses Bildsujet stand das europaweit sehr beliebte Komikerpaar „Pat & Patachon“. Ihre Filme feierten in den 1920er und 1930er Jahren große Erfolge, zwischen 1921 und 1940 entstanden 55 Filme, von denen zwei Tonfilme 1935 („Pat und Patachon als Mädchenräuber“) und 1936 („Blinde Passagiere“) in Deutschland gedreht wurden. Das Vagabundenpaar bestand aus einem großen schlaksigen Pat und einem kleinen dicklichen Patachon. Ihre Popularität bezogen sie aus ihrer Parteinahme für den kleinen Mann, die beiden sympathischen Kleinbürger gegen die unsympathisch dargestellte Oberschicht..Ihr etwas heruntergekommenes Äußere in zu kleinen oder zu engen Jacken und Hosen – wie sie auch bei den neu eingelieferten Häftlingen zu sehen waren und offenbar schon hier als „Vorbild“ dienten – und ihre Haltung mit den herunterhängenden Armen wie auf dem Gemälde kannte in Deutschland fast jeder. Die Figuren des Pat und Patachon dürften Karl Koch sicher bekannt gewesen sein, er reproduzierte gewissermaßen das Komikerduo mit dem größten und kleinsten Häftling im KZ oder zwei – im SS-Lagerjargon bezeichneten – „Berufsverbrechern“. Koch kehrt damit die Bedeutung der Filmfiguren um, sie werden zum Spielball der Herrschenden. Die Demütigungen der Häftlinge werden für die SS zur Unterhaltung und tragen zu deren Zeitvertreib bei. .Belustigungen über die SS sucht man in seinem Dienstalbum dagegen vergebens. In seinem „Privatalbum“ befindet sich ein Foto mit der Bildunterschrift „Wächter des KLC[olmbia-Haus].“. Warum Koch das Foto nicht in sein Dienstalbum aufgenommen hat, obwohl das – wie die Bildunterschrift vermuten lässt – ursprünglich geplant war, lässt sich nur vermuten. Am mangelnden Platz kann es nicht gelegen haben, da gerade die für die SS reservierten Seiten relativ großzügig gestaltet sind. .Da der Wachverband „Brandenburg“ unter den Bewerbern als etwas Besonderes galt und auch die SS-Führung mit den Männern sehr zufrieden war, hätte Koch die „Elitetruppe“ durch Ergänzung der Hunde ebenfalls als „Wächter des KZ“ der Lächerlichkeit preisgegeben. Das lag allerdings nicht in seiner Absicht, so dass er das Foto in sein privates Album einklebte. Ebenso werden SS-Bildnisse nicht mit denen der Häftlinge vermischt. Die Trennung der „Volksfeinde“ vom „SS-Adel“ wird auch visuell vollzogen..Kochs zunehmendes Interesse an Bildern des „Gegners“ lässt sich einerseits mit der ab 1935 verstärkt einsetzenden weltanschaulichen Schulung erklären. In den ersten beiden Jahren bestand „neben der Erfüllung der fortlaufenden dienstlichen Aufgaben kaum Gelegenheit zur systematischen ideologischen Indoktrinierung.“ Vor allem trat als Multiplikator zur Unterrichtung und Unterhaltung 1935 das SS-Organ „Das Schwarze Korps“ hinzu. Keine Ausgabe erschien ohne rassenideologischen Beitrag und kontrastierende Bilder, die das „Gute“ und „Böse“ in einfachen Hell-Dunkel-Schemata an die Leser brachte..Andererseits repräsentieren die „Volksfremden“ den Um-Erziehungsgedanken und dienen so zur „Werbung“ für die eigene Vorstellung von Rasse- und Volksgemeinschaft. Ohne das Bild des „Fremden“ bliebe der Rassegedanke abstrakt. Erst durch die Abgrenzung zum Gegner haben Nationalsozialismus und die SS als „Stoßtrupp des Blutgedankens“ klare Konturen erhalten. Die Abgrenzung zum Feind verändert dabei auch das eigene Selbstbild. Feindbilder haben insofern mehr mit der Situation des Betrachters und des Knipsers zu tun. Sie werden als Gegenpol zum Selbstbild gebraucht. Das Feindbild des Anderen mit seinen negativen Wertungen kommt damit dem Wunsch nach Aufwertung der eigenen Existenz nach, steigert das Selbstwertgefühl und kann zur Wiederherstellung und Stabilisierung eines gestörten Gleichgewichts bei einem Individuum beitragen. Koch kann in der Abgrenzung und Distanz zum „Gegner“ seine Machtstellung mehr und mehr legitimieren und stabilisieren wie er sich der Entwicklung seines Machtzuwachses immer wieder anhand der Fotos im Album vergewissern kann. .SCHLUSS UND ZUSAMMENFASSUNG.Insgesamt repräsentiert das Fotoalbum des KZ Kommandanten Karl Koch seine Laufbahn in der SS seit der Machtübernahme. Die Zeit davor bleibt unberücksichtigt. Die vielen Einsatzorte, acht in vier Jahren, machen ihn zum idealen SS-Mann, der überall seinen Dienst versieht, wohin er gestellt wird. Die SS bietet ihm mit Uniform, Weltanschauung und militärischer Ordnung nicht nur Halt und Perspektive, auch ein höheres Ansehen nach außen, vor allem aber für sich selbst. Die SS-Gemeinschaft ist ihm wie eine „Familie“, er gesteht ihr eine unabhängige Bildersammlung zu. Ideologisch ist er gefestigt, die Symbole der SS überträgt er in Fotografien oder auch in kunsthandwerklichen Gegenständen. „Späßchen“ über die SS zu machen, erlaubt er sich in seinem SS-Album nicht..Je mehr Macht und Anerkennung Koch erlangt, desto mehr dehnt sich sein Blickfeld innerhalb seines kleinen Machtkosmos aus. Zu seinen „schönen“ bewahrenswerten Erinnerungen zählen auch die vermeintlichen „Gegner“ des NS-Regimes, die er für seine Selbstdarstellung instrumentalisiert. Anfangs schmückt er sich noch mit der „Prominenz“, doch je größer und dauerhafter die Lager werden, um so mehr verschwindet der „Feind“ in der Anonymität, wird zum Objekt seiner Selbstrepräsentation und seiner Unterhaltung..Koch versichert sich seiner Individualität permanent bei der regelmäßigen Pflege und Gestaltung seines Albums. Mit Stolz blickt er auf seine Karriere, die er für spätere Zeiten und spätere Betrachter überliefert wissen will. Für sich und seine Nachwelt fotografiert er, sammelt zusätzliches Bildmaterial, gestaltet die Seiten und beschriftet die Bilder gewissenhaft, um keinen erinnerungswürdigen Schritt seines Lebens dem Vergessen zu übereignen. Großen Wert legt er auch auf die Identifizierung seiner Person, den SS-Hauptsturmführer, Sturmbannführer und Obersturmbannführer Koch, den er beachtet und respektiert wissen will. Für Karl Otto Koch sind es die „guten Zeiten“ in seinem Leben, an die er sich auch später noch erfreuen möchte..