Haft, Zwang, Willkür – vom Jugendgefängnis zum Frauenzuchthaus. 1933 bis 1945
Neugestaltete Dauerausstellung zur Geschichte des Haftortes während der NS-Zeit in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
Die neue Ausstellung im Menschenrechtszentrum Cottbus / Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus
Im Beisein von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg Dr. Dietmar Woidke, Angehöriger ehemaliger Häftlinge sowie zahlreicher Gäste wurde am 9. Juli 2024 im Menschenrechtszentrum Cottbus die neugestaltete Dauerausstellung zum Haftort in den Jahren 1933 bis 1945 feierlich eröffnet. Nach drei Jahren Forschung, Recherchen und Neukonzeption ist die deutlich vergrößerte Ausstellung in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus nun unter dem Titel »Haft, Zwang, Willkür – Vom Jugendgefängnis zum Frauenzuchthaus, 1933 bis 1945« für die Öffentlichkeit zugänglich.1 Die Ausstellung erinnert am historischen und heute denkmalgeschützten Ort an die Betroffenen der nationalsozialistischen Verfolgung.
Eine zentrale Aufgabe der Gedenkstätte ist die Erinnerung an die Menschen, die während der NS- und der SED-Diktatur zu Unrecht in Cottbus inhaftiert waren. Zugleich ist das Menschenrechtszentrum ein Ort der politischen Bildung und der historischen Forschung.2 Die Gedenkstätte wurde von ehemaligen politischen Häftlingen der DDR gegründet, die das stillgelegte Gefängnisareal 2011 erwarben. 2013 wurde die Gedenkstätte mit der Dauerausstellung »Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933–1989«, die sowohl die NS- als auch die DDR-Diktatur thematisierte, eröffnet. Der NS-Teil dieser Dauerausstellung wurde nun neu gestaltet.
Strafvollzug im NS
Die Ausstellung skizziert die Mechanismen der NS-Justiz: Von Anfang an verfolgte das NS-Regime Menschen aus politischen und rassischen Gründen und kriminalisierte Jüdinnen und Juden sowie marginalisierte Gruppen. Repression und Terror bildeten einen wesentlichen Grundpfeiler des NS-Staates. Zunächst richtete er sich vor allem gegen vermeintliche und tatsächliche Gegnerinnen und Gegner des Regimes. Jeglicher Widerstand gegen die Gleichschaltung und den totalen Machtanspruch der Nationalsozialisten sollte gebrochen werden. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Justiz. Sie verhängte erheblich härtere Strafen als vor 1933, urteilte in Schnellverfahren an Sondergerichten und diente als williger Vollstrecker der neuen Gesetze und Verordnungen. Die Justiz bildete somit ein wesentliches Element des NS-Terrors und war entscheidend an der Ausschaltung politischer Gegnerinnen und Gegner beteiligt. Der Strafvollzug diente somit ganz wesentlich der politischen Unterdrückung.
Widerstand gegen die Diktatur, religiöse Überzeugungen oder Verstöße gegen neue Gesetze und Verordnungen brachten eine Vielzahl von Menschen vor Gericht. Willkürliche Urteile und hohe Strafen kennzeichneten insgesamt die NS-Justiz. Die große Zahl an Verurteilungen führte bald zu einer Überfüllung der Gefängnisse und Zuchthäuser. Wer zu Gefängnishaft verurteilt wurde, musste darüber hinaus befürchten, nach der Haftentlassung in »Schutzhaft« genommen und auf unbestimmte Zeit in einem Konzentrationslager interniert zu werden. Generell prägten Terror und Millionen Tote durch Massenmord und Krieg die Jahre bis 1945.
Vom Jugendgefängnis zum Frauenzuchthaus Cottbus (1933–1945)
Auch während der nationalsozialistischen Diktatur wurde das 1860 in Betrieb genommene Königliche Centralgefängnis in Cottbus als Haftort genutzt: erst als Jugendgefängnis, kurzzeitig als Männergefängnis, als Frauengefängnis und schließlich als Zuchthaus für Frauen. Die Haftanstalt in Cottbus war damit Teil des NS-Herrschaftsapparates.
Anhand ausgewählter Biografien schildert die Ausstellung den Cottbuser Strafvollzug zwischen 1933 und 1945. Dabei kommen die Betroffenen in Briefen und Lebenserinnerungen teils selbst zu Wort und ermöglichen somit einen Blick hinter die Gefängnismauern. Mithilfe von zeitgenössischen Veröffentlichungen, NS-Justizunterlagen sowie Ermittlungsakten aus den Jahren nach dem Krieg wird der Wandel des Cottbuser Haftortes nachgezeichnet.
Die Neukonzeption der Ausstellung erfolgte mit dem Ziel, die Vielzahl der Häftlingsgruppen darzustellen und den Haftort Cottbus innerhalb des nationalsozialistischen Repressions- und Terrorapparates zu verorten. Dabei nähert sich die Ausstellung dem Thema Haft in der NS-Diktatur in Cottbus von zwei Seiten: über eine Kontextebene, die die NS-Diktatur in Bezug auf den Cottbuser Haftort darstellt, sowie über das Geschehen am konkreten Ort – die Haftanstalt in Cottbus und die dort Inhaftierten. Dabei liegt der Fokus auf den Biografien ehemaliger Gefangener.
In der Ausstellung werden Fotos, Grafiken, Videos, eingesprochene Selbstzeugnisse, Faksimiles von Akten sowie ausgewählte Objekte präsentiert. Die verschiedenen Phasen des Haftortes – Jugendgefängnis, Frauengefängnis und Frauenzuchthaus – sind jeweils mit einer eigenen Grundfarbe hinterlegt. Die Kontextualisierung erfolgt über Wandtafeln, während über den Haftort Cottbus und die Inhaftierten auf Ausstellungsinseln im Raum informiert wird.
Die Ausstellung ist chronologisch gegliedert. Einführend werden anhand eines Modells sowie zahlreicher Fotos und Zeichnungen die verschiedenen Bau- und Nutzungsphasen des Gefängnisses seit seiner Eröffnung 1860 erzählt. Die anschließenden Räume beschäftigen sich mit den drei im Folgenden dargestellten Zeitabschnitten; der letzte Raum thematisiert Erinnerung und Aufarbeitung des Haftortes nach 1945.
Die Autoren dieses Artikels haben gemeinsam die Ausstellung kuratiert. Ihnen stand ein wissenschaftlicher Beirat unter Leitung von Dr. Sabine Kuder von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zur Seite. Mitglieder des Beirats waren zudem Dr. Insa Eschebach, Institut für Religionswissenschaft der FU Berlin; Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück 2005–2020, (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Thomas Drachenberg, Landeskonservator und stellvertretender Direktor des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums, Regine Meldt, Mitarbeiterin Ausstellungen und Artothek/Kunsthaus Wiesbaden sowie Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel/Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.
Jugendgefängnis (1930–1936)
Das Jugendgefängnis Cottbus bestand von 1930 bis 1936. Hier waren männliche Strafgefangene zwischen 16 und 21 Jahren untergebracht. Der Wandel von einer Haftanstalt in der Weimarer Republik zu einem Haftort im Nationalsozialismus ging im Cottbuser Strafvollzug allmählich vonstatten. Nach und nach wurden reformpädagogische Ansätze aus der Weimarer Republik rückgängig gemacht. Die Haft sollte fortan weniger der Erziehung dienen und vielmehr ein »empfindliches Übel« darstellen; die Haftbedingungen wurden bewusst verschlechtert: Die Häftlingszahlen stiegen; der Umgang mit den Gefangenen wurde härter, die Verpflegung schlechter, und es kam zu einer Militarisierung des Strafvollzugs. Das Cottbuser Jugendgefängnis war auch an der Sterilisierung angeblich »Schwachsinniger« gemäß dem »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« vom Juli 1933 beteiligt. Manche Reformen der Weimarer Zeit blieben jedoch bestehen: Im Jugendgefängnis gab es weiter Unterricht für die Inhaftierten; auch die Gefängnisbibliothek wurde beibehalten.
Die meisten der Inhaftierten des Jugendgefängnisses, deren Lebensweg in der Ausstellung dargestellt wird, hatten sich als Sozialdemokraten und Kommunisten gegen das neue Regime aufgelehnt, wie der spätere Schriftsteller Karl Mundstock. Ein weiterer Inhaftierter, Ernst Bry, wurde als Angehöriger der marxistischen Widerstandsgruppe »Neu Beginnen« im Januar 1937 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Mithilfe seines Onkels gelang es dem jungen Juden nach seiner Haft nach Palästina auszureisen, wohin seine Eltern und Geschwister bereits emigriert waren.
Die Ausstellung zeigt auch ungewöhnliche Biografien, wie den Fall des 1914 geborenen Alwin Vetter. Er hatte wiederholt eine SS-Uniform getragen, ohne jedoch die Mitgliedsbeiträge gezahlt zu haben. Deshalb wurde er nach dem »Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Partei und Staat und zum Schutz der Parteiuniformen« zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Die Zusammensetzung der Inhaftierten im Jugendgefängnis Cottbus, die Verurteilungsgründe und auch die Länge der Strafen änderten sich nach der NS-Machtübernahme, wie ein 1936 veröffentlichter Aufsatz zeigt.3 In diesem schrieb der in Cottbus als Erzieher angestellte Wilhelm Mollenhauer, dass sowohl 1932 als auch 1935 die Mehrzahl der Häftlinge im Jugendgefängnis wegen Eigentumsdelikten, einschließlich Raub und Erpressung, inhaftiert gewesen sei. Veränderungen zeigten sich an der Anzahl der Insassen. Diese stieg von 174 im Jahr 1932 auf 296 im Jahr 1935. Darüber hinaus, so Mollenhauer, habe der Anteil der Verurteilten wegen »politischer Delikte« erheblich zugenommen. Darunter verstand er die Vorbereitung zum Hochverrat, Landfriedensbruch und ähnliche Straftatbestände. Die »Politischen« machten demnach 1935 etwa ein Viertel aller Häftlinge aus. Erheblich gestiegen sei außerdem die Zahl der Jugendlichen, die wegen Homosexualität verurteilt worden seien, darunter auch männliche Prostituierte. Neben einer starken Steigerung der Zahl der Inhaftierten erhöhte sich auch die durchschnittliche Dauer der Strafen im Jugendgefängnis Cottbus: 1932 betrug sie 13 Monate; 1935 waren es 22 Monate.
Visuelle Einblicke in den Alltag des Jugendgefängnisses in Cottbus ermöglicht eine Fotostrecke aus dem Jahr 1931, die dem »Police Magazine«, einer französischen Zeitschrift, entnommen wurde. Eine Audiostation mit Auszügen aus Karl Mundstocks Erinnerungen an seine Zeit in Cottbus aus dem Jahre 1981 gibt seine Hafterfahrungen wieder.
Frauengefängnis (1937–1939)
Von Sommer 1937 bis zum Januar 1939 bestand am Cottbuser Haftort ein Frauengefängnis. Die Betreuung weiblicher Häftlinge erfolgte auch in Cottbus durch weibliches Wachpersonal. Im Vergleich zum Jugendgefängnis stiegen die Häftlingszahlen nun von etwa 350 auf mehr als 500 Inhaftierte.
Frauen sollten im nationalsozialistischen Strafvollzug für ihre ideologisch erwünschten Aufgaben als Hausfrauen und Mütter geschult werden. Erreicht werden sollte dies unter anderem durch einen Haftalltag mit traditionell weiblicher Gefängnisarbeit. In der Realität unterschieden sich die Arbeiten der Frauen jedoch kaum von den Aufgaben, die im Jugendgefängnis und auch den meisten Männergefängnissen üblich waren. Täglich, außer sonntags, arbeiteten die Frauen neun Stunden lang. Sie stellten Matten oder Tüten her, arbeiteten in der Gärtnerei, der Land- und Viehwirtschaft und wurden bei der Textil- und Lederverarbeitung eingesetzt.
Die in der Ausstellung porträtierten Inhaftierten des Frauengefängnisses zeigen die Bandbreite der Verurteilungsgründe in dieser Zeit. Sie waren wegen ihrer religiösen Überzeugung, wie eine Reihe von Angehörigen der Zeugen Jehovas, wegen ihres Kampfes gegen das NS-Regime, wegen Abtreibung aber auch wegen Landstreicherei und Beleidigung verurteilt worden. Einige Frauen befanden sich in Untersuchungshaft, wie beispielsweise Pauline Krautz aus Cottbus. Durch ihren Einsatz für die sorbische/wendische Kultur geriet sie 1938 in das Visier der Gestapo. Von den Folgen der Verhöre und der Untersuchungshaft erholte sie sich nie. Sie starb 1941 im Alter von nur 50 Jahren.
Für manche Inhaftierten war das Frauengefängnis eine Station in den Tod. Gertrud Levy, als Jüdin ohnehin diskriminiert und verfolgt, hatte versucht, Kleidung und Geld an ihre jüdischen Freundinnen zu schicken, die nach Polen abgeschoben worden waren. Wegen »Devisenschmuggels« in Cottbus in Untersuchungshaft, erhängte sie sich 1939 in ihrer Zelle. Amalie Jordt, Mitglied der Zeugen Jehovas, wurde von Cottbus zunächst ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht und 1942 in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Bernburg umgebracht. Der jungen Kommunistin Alice Michelson hingegen gelang 1939 nach ihrer Haftentlassung die Emigration nach England.
Anschaulich machen diesen Ausstellungsteil unter anderem ein Ausschnitt aus einem Filminterview mit Alice Michelson, das Faksimile eines in der Haft angefertigten Kartenspiels sowie von der Gefängnisleitung eingezogene Briefe von Häftlingen.
Frauenzuchthaus (1939–1945)
Anfang 1939 wurde der Haftort in Cottbus zu einem Frauenzuchthaus und blieb es bis zum Kriegsende 1945. In Zuchthäusern herrschten im Vergleich zu Gefängnissen härtere Bedingungen bezüglich Unterkunft, Arbeit und Verpflegung. Die Zahl der Gefangenen im Frauenzuchthaus Cottbus stieg in den Kriegsjahren massiv an. Mit bis zu 1.000 und mehr inhaftierten Frauen war das Zuchthaus schließlich stark überbelegt.
Ab Kriegsbeginn kam es zu einer generell verschärften strafrechtlichen Verfolgung. Eine Vielzahl neuer Gesetze und Verordnungen wurde erlassen, wie die »Verordnung gegen Volksschädlinge« und die »Kriegswirtschaftsverordnung«. Bei Eigentumsdelikten wurden neue, drakonische Strafen erlassen. Auch der »verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen« und »Fremdvölkischen« stand nun unter Strafe. Mithilfe des Strafrechts versuchte das NS-Regime, die Umstellung auf die Kriegswirtschaft abzusichern. Neben offenem Widerstand bestrafte es auch das Unterlaufen der Lebensmittelrationierung und ähnlicher Maßnahmen hart. Infolgedessen stieg die Zahl der Inhaftierten massiv an. Ebenso wurden Todesurteile immer häufiger verhängt.
Die Strafanstalten wurden nun für einen Teil ihrer Inhaftierten zu Durchgangsstationen in die Konzentrationslager. Unter der Bezeichnung »Abgabe asozialer Gefangener« mussten ab Oktober 1942 alle jüdischen und russischen Inhaftierten, Sinti und Roma, »Sicherungsverwahrte« sowie polnische Gefangene mit Haftstrafen von mehr als drei Jahren in Konzentrationslager überstellt werden. Von der deutschen Justiz wurden insgesamt mehr als 20.000 Häftlinge auf dieser Grundlage aus den Gefängnissen in Konzentrationslager gebracht. Schätzungen zufolge kamen dort mindestens zwei Drittel von ihnen ums Leben.
Diese Entwicklungen werden in der Ausstellung am Beispiel des Frauenzuchthauses Cottbus nachgezeichnet. Neben der Überbelegung änderte sich infolge des Zweiten Weltkriegs die Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft. Besonders die Zahl der Inhaftierten aus den von Deutschland besetzten Gebieten stieg. Neben Polinnen waren auch Französinnen, Belgierinnen und Däninnen im Zuchthaus Cottbus inhaftiert. Das Frauenzuchthaus Cottbus löste im Frühjahr 1944 Lübeck als zuständige Vollstreckungsanstalt für weibliche »Nacht- und Nebel«-Gefangene ab. Dies waren vor allem Widerstandskämpferinnen aus den besetzten Gebieten West- und Nordeuropas, die unter Geheimhaltung nach Deutschland gebracht worden waren.
Die Haftarbeit im Frauenzuchthaus Cottbus, 12 Stunden am Tag außer sonntags, wurde härter und fand zunehmend außerhalb der Gefängnismauern statt. Viele der Gefangenen waren gänzlich in Außenstellen untergebracht; bis zum Herbst 1944 stieg diese Zahl auf etwa 800 Inhaftierte. Das Frauenzuchthaus Cottbus wurde
nun von der Wehrmacht aufgrund der kriegswichtigen Produktion als Rüstungsbetrieb geführt. Die Frauen mussten unter anderem Gasmaskenfilter, Salben für die Wehrmacht, Matten für U-Boote sowie Uniformteile herstellen. Insgesamt arbeiteten Gefangene 1944 in 23 Produktionsstätten außerhalb des Zuchthauses.
Die Lebensbedingungen verschlechterten sich im Verlauf des Krieges weiter; dies betraf die Bekleidung, die Enge durch Überbelegung, vor allem aber die Nahrungsmittelversorgung. Für viele Gefangene war der permanente Hunger die schlimmste Begleiterscheinung der Haft.
In der Ausstellung werden zum Frauenzuchthaus Cottbus 16 Frauen porträtiert. Sie stehen exemplarisch für die Bandbreite der Inhaftierten dieser Jahre. Sie waren wegen Widerstands gegen die NS-Diktatur, »Verbrechen gegen die Kriegswirtschaftsverordnung«, Kontakt zu Kriegsgefangenen, innerparteilicher Opposition, Diebstahl, Beihilfe zur Abtreibung, »Wehrkraftzersetzung« und dem Hören ausländischer Radiosender verurteilt worden. Unter den Porträtierten befinden sich zudem Widerstandskämpferinnen aus Belgien, Frankreich, Polen und Dänemark.
Einige der in der Ausstellung vorgestellten Frauen überlebten die NS-Zeit nicht: Die wegen Landesverrat zu einer langen Zuchthausstrafe verurteilte Emma Maselkowski starb in Cottbus an Herzschwäche. Margarete Wensierski war wegen Verstößen gegen die Kriegswirtschaftsverordnung und Urkundenfälschung inhaftiert. Als sogenannte Gewohnheitsverbrecherin wurde gegen sie anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet. Noch vor Ablauf der Haftstrafe wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie 1943 nach sechs Wochen starb. Edith Fraenkel gehörte zur Widerstandsgruppe um Herbert Baum und wurde wegen Nichtanzeige eines Vorhabens des Hochverrats zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und 1944 zusammen mit anderen jüdischen Gefangenen der Gestapo übergeben. Sie starb in Auschwitz. Käthe von Bassenheim wurde wegen gewerbsmäßiger Beihilfe zur Abtreibung verurteilt. Nach Verbüßung ihrer Haftstrafe kam sie als Tochter jüdischer Eltern in »polizeiliche Vorbeugehaft«, wurde 1942 nach Riga deportiert und dort im Rahmen des deutschen Massenmordes an Jüdinnen und Juden erschossen. Die dänische Widerstandskämpferin Monica Wichfeld starb nach ihrem Transport von Cottbus ins Frauenzuchthaus Waldheim im Februar 1945 an Tuberkulose.
Besonders dankbar sind wir dafür, dass Angehörige von vier in der Ausstellung vorgestellten Häftlingen des Frauenzuchthauses an der Eröffnungsveranstaltung der neuen Dauerausstellung teilnahmen: und zwar Angehörige von Josephine van Durme, Gisèle Guillemot, Margaretha Rothe und Traute Lafrenz.
Traute Lafrenz war als Mitglied der Münchner Weißen Rose bereits einmal inhaftiert gewesen und stellte das Verbindungsglied zur Weißen Rose Hamburg dar. In Cottbus befand sie sich vor dem anstehenden Prozess vor dem Volksgerichtshof in Untersuchungshaft. Schließlich wurde sie über Leipzig nach Bayreuth verlegt und dort befreit. Der geplante Prozess gegen sie kam nicht mehr zustande. Ihre Freundin, die Hamburger Medizinstudentin Margaretha Rothe, war an der Vervielfältigung von Flugblättern, die Traute Lafrenz aus München mitgebracht hatte, beteiligt. Schwer an Lungentuberkulose erkrankt, verstarb Rothe im April 1945 in Leipzig.
Die belgische Widerstandskämpferin Josephine van Durme wurden wegen »Feindbegünstigung« von einem deutschen Militärgericht zum Tode verurteilt und später zu einer Zuchthausstrafe begnadigt. Sie hatte Waffen versteckt und war Teil des belgisch-französischen Fluchtnetzwerks für alliierte Soldaten Réseau Comète. Ihre Befreiung erlebte sie im Frauenzuchthaus Waldheim, in das sie von Cottbus aus verlegt worden war. Als einzige Überlebende ihrer Widerstandsgruppe kehrte sie in ihren Heimatort Waterloo zurück. Josephine van Durme bewahrte Kleidungsstücke und Gegenstände aus ihrer Haft ein Leben lang auf. Nach ihrem Tod im Jahr 2009 fanden ihre Verwandten die Gegenstände in ihrem Nachlass und begannen, zu den Umständen ihres Widerstands und ihrer Haft zu recherchieren. Da Josephine van Durme kaum über ihr Tun und ihre Erfahrungen berichtet hatte, bot vor allem die Haftakte Ansatzpunkte für die Rekonstruktion ihrer Geschichte. Gregory Delbrouck, Josephine van Durmes Großneffe, übergab die Erinnerungsstücke inklusive der Haftakte im Jahr 2024 als Dauerleihgabe an das Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.
Auch die französische Widerstandskämpferin Gisèle Guillemot war eine Zeit lang im Frauenzuchthaus Cottbus inhaftiert. Vorangegangen waren ihre Verhaftung und Verurteilung in ihrem Heimatland sowie eine Odyssee durch mehrere Haftanstalten. Gisèle Guillemot hatte sich dem französischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung angeschlossen. Sie transportierte Sprengstoff, vervielfältigte Widerstandspublikationen und unterstützte untergetauchte Verfolgte. Nach ihrer Verhaftung im April 1943 wurde sie von der Gestapo verhört und misshandelt. Ein deutsches Kriegsgericht verurteilte sie und 15 weitere Widerstandskämpfer im Sommer 1943 zum Tode. Sie wurde später zu einer Zuchthausstrafe begnadigt und als Nacht- und Nebel-Gefangene nach Deutschland gebracht. Von Cottbus aus wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück und von dort ins Konzentrationslager Mauthausen deportiert, wo sie durch das Internationale Rote Kreuz befreit wurde.
Neben den fotografisch vorgestellten Ausstellungsstücken zeugen weitere Exponate vom Leben im Frauenzuchthaus, es gibt Audio- und Medienstationen mit ausgewählten Auszügen aus Gerichtsakten, Lebenserinnerungen sowie Videointerviews aus den 1990er Jahren. Ein Propagandafilm aus der NS-Zeit zeigt Bilder aus dem Haftalltag im Männerzuchthaus Brandenburg, der sich nicht grundsätzlich vom Alltag im Frauenzuchthaus Cottbus unterschied.
Aufarbeitung und Erinnerung nach 1945
Abschließend skizziert die Ausstellung Aufarbeitung und Erinnerung seit 1945. In diesem Raum wird auf die von ehemaligen Häftlingen angestoßene juristische Aufarbeitung des NS-Unrechts im Frauenzuchthaus Cottbus eingegangen, ebenso auf die Erinnerungspolitik in der DDR zum Frauenzuchthaus Cottbus, auf publizistische Erinnerungen ehemaliger Gefangener bis hin zur heutigen Gedenkstätte und deren Arbeit.
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann der Versuch, das NS-Unrecht im Frauenzuchthaus Cottbus juristisch zu untersuchen. Ehemalige Häftlinge beschuldigten leitendes Gefängnispersonal und einige Aufseherinnen, »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« begangen zu haben.
Die Aussagen von ehemals Inhaftierten in der gerichtlichen Voruntersuchung in Hamburg wie auch in Cottbus zeichneten teilweise ein düsteres Bild der Zustände im Frauenzuchthaus Cottbus während der Kriegsjahre. Schikanen, häufige, für Kleinigkeiten ausgesprochene Disziplinarstrafen, unzureichende hygienische Bedingungen und medizinische Versorgung, permanenter Hunger und Arbeit unter harten Bedingungen hätten den Gefangenen das Leben schwer erträglich gemacht und die Gesundheit vieler Häftlinge allmählich ruiniert. Darüber hinaus berichteten einige Inhaftierte von gewaltsamen Übergriffen des Zuchthauspersonals.
Demgegenüber stand eine Reihe entlastender Aussagen zum Verhalten der Angeklagten und den Verhältnissen in Cottbus. Es spricht vieles dafür, dass sich das Gefängnispersonal je nach Situation und Sympathie unterschiedlich verhielt. Trotz der intensiven Bemühungen ehemaliger Häftlinge und der jahrelangen Ermittlungen der Justiz mündeten die Untersuchungen nicht in Strafprozesse.
Die für den 13. Februar 1950 geplante Hauptverhandlung vor dem Landgericht Cottbus wurde abgesagt, da nur wenige der geladenen 42 Zeuginnen und Zeugen ihr Erscheinen angekündigt hatten. 1951 stellte die Cottbuser Justiz das Verfahren vorläufig ein; 1952 folgte die Hamburger Behörde. Ihren Einstellungsantrag für das Verfahren vor allem gegen die Zuchthausleiterin Ursula Bockmann begründete die Staatsanwaltschaft damit, dass sich der Verdacht, die Insassen der Strafanstalt Cottbus seien vom Anstaltspersonal in erheblichem Maße körperlich misshandelt worden, in der Voruntersuchung nicht bestätigt habe. Die Entscheidung fiel aus Mangel an Beweisen.
Neben der juristischen Aufarbeitung erinnerten Gefangene der NS-Zeit auch publizistisch an die Haft in Cottbus. In der DDR erschienen Zeitungsartikel und später Memoirenliteratur. Außerhalb Deutschlands, unter anderem in Frankreich und Belgien, wurden einst in Cottbus inhaftierte Widerstandskämpferinnen geehrt, einige filmisch interviewt. In diesen Erinnerungen spielte das Frauenzuchthaus Cottbus jedoch meist nur eine untergeordnete Rolle. Trotzdem beinhalten Interviews und schriftliche Erinnerungen belgischer, französischer, aber auch deutscher Widerstandskämpferinnen eine Reihe von bisher unbekannten Details zum Haftalltag im Frauenzuchthaus Cottbus.
Ausblick
Das Wissen über das Cottbuser Gefängnis und seine Inhaftierten weist für die Zeit von 1933 bis 1945 noch erhebliche Lücken auf. Viele Unterlagen sind in den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit verschollen. Manche gingen auch in den Archiven der DDR verloren. Wahrscheinlich sind mittlerweile alle ehemaligen Häftlinge verstorben. Einrichtungsgegenstände, dingliche Erinnerungen der Gefangenen, Haftkleidung und Ähnliches sind kaum noch aufzufinden. Zu manchen Zeitabschnitten zwischen 1933 und 1945 existieren keine Fotos.
Viele Fragen sind noch zu beantworten und weitere Grundlagenforschung ist notwendig: Wie war die Cottbuser Haftanstalt in das System der politischen Justiz und in den Repressionsapparat des NS-Regimes eingebunden? Welche Spielräume hatte das Gefängnispersonal? Wie genau war das Gefängnis in Cottbus mit seinen Außenstellen in die regionale Wirtschaft eingebunden und welche Bedeutung hatte die Haftanstalt für die Rüstungsproduktion in den Kriegsjahren? Wie war der Cottbuser Strafvollzug in der Stadtgesellschaft verankert? Nicht zuletzt sind noch zahlreiche Biografien von Häftlingen, aber auch des Gefängnispersonals zu recherchieren.
Dr. Steffen Alisch Politologe und Zeithistoriker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.
Dr. Eva Fuchslocher (Ausstellungsagentur exhibeo) ist Kulturwissenschaftlerin, Europäische Ethnologin und Ausstellungskuratorin.
Dr. Michael Schäbitz (Ausstellungsagentur exhibeo) ist Historiker und Ausstellungskurator.