Karya 1943. Zwangsarbeit und Holocaust
Eine Wanderausstellung
Als »Hölle auf Erden« beschrieb ein Überlebender nach dem Krieg die Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Baustelle in Karya im besetzten Griechenland 1943. Karya war bis vor wenigen Jahren ein vollkommen unbekannter Ort, selbst unter Fachleuten. Dabei hat hier während der deutschen Besatzung in Griechenland ein grausames und zugleich bislang unbekanntes Massenverbrechen stattgefunden: die »Vernichtung durch Arbeit« von 300 bis 500 jüdischen Männern aus Thessaloniki. Dieses Verbrechen wäre vielleicht für immer unentdeckt geblieben, wenn der griechische Laienhistoriker Andreas Assael nicht 2002 auf einem Flohmarkt bei München auf eine deutsche Fotosammlung aus der Kriegszeit gestoßen wäre. Das Album besteht aus 21 losen Blättern und enthält mehr als 400 Fotografien aus dem besetzten Griechenland, darunter etwa 80 Fotografien von der Baustelle in Karya. Urheber des Albums ist der Bauingenieur Hanns Rössler (1905–1995) aus Nürnberg, der – wie sich aus den Fotos ergibt – bei verschiedenen Bauprojekten in Nord- und Mittelgriechenland tätig war.
Die Fotosammlung ist ein einzigartiges Dokument des Holocaust und der jüdischen Zwangsarbeit in Griechenland. Sie unterscheidet Karya von den Tausenden anderen Orten des Terrors während der deutschen Besatzung in Europa. Es sind Aufnahmen eines Ortes der Zwangsarbeit im Kontext des Holocaust aus einer Zeitspanne von wenigen Monaten. Zu sehen sind Baracken, Bautechnik, Gleise, Züge und immer wieder unterernährte Menschen mit Spitzhacken, die Geröll bewegen, Loren beladen, dazu Ingenieure und Wachmänner. Die Fotos dokumentieren das Leid der Häftlinge unter schwersten Arbeitsbedingungen, und unvermittelt geht es auf der folgenden Bilderseite mit touristischen Aufnahmen aus dem besetzten Griechenland weiter. Dem Fotografen war es scheinbar gleichgültig, ob er halbtote Männer, dorische Säulen oder eine Hochzeitsfeier ablichtet. Und vielleicht gerade deswegen bieten die 80 Fotos aus Karya unmittelbare Einblicke in die Verbrechen des Holocaust, wie es sie nur von wenigen NS-Tatorten gibt.
Ausgehend von diesen Fotos erforschte Andreas Assael die bis dahin unbekannten Geschehnisse in Karya. Als Sohn eines jüdischen Überlebenden aus Thessaloniki hatte er Zugang zu den Netzwerken seines Vaters und konnte Zeitzeugen ausfindig machen, darunter mehrere Karya-Überlebende. Unter dem Titel »Karya 1943. Zwangsarbeit und Holocaust« greift das Dokumentationszenrum NS-Zwangsarbeit (Berlin) die Vorarbeiten von Andreas Assael auf. Gemeinsam mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften der Universität Osnabrück und dem Jüdischen Museum Griechenlands (Athen) wurde ein Bildungs- und Ausstellungsprojekt entwickelt, das die NS-Verbrechen in Karya in den historischen Kontext einordnet und der breiten Öffentlichkeit in Deutschland und Griechenland bekannt macht. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft des griechischen Ministeriums für Kultur und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Gefördert wird das Vorhaben in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF).
Die Unbekanntheit und das Beschweigen der Verbrechen in Karya gilt es in einen breiten Kontext der mangelnden bzw. politisch unerwünschten Auseinandersetzung mit dem schwerwiegenden Erbe der deutschen Okkupation einzuordnen – sowohl in Deutschland als auch in Griechenland. Die deutsche Besatzung in Griechenland dauerte von Mai 1941 bis Oktober 1944 und war besonders brutal. Das Land wurde von der Wehrmacht in eine deutsche, eine italienische und eine bulgarische Besatzungszone aufgeteilt. Infolge einer systematischen Ausplünderungspolitik brachen die Wirtschaft sowie auch die Lebensmittelversorgung im Land zusammen. Dies verursachte eine gravierende Hungersnot, bei der im ersten Besatzungswinter 1941/42 rund 40.000 Menschen allein im Hauptstadtgebiet Athen-Piräus starben. Dazu kamen systematische sogenannte Vergeltungsaktionen der Wehrmacht und der SS unter dem Vorwand der Bekämpfung des griechischen Widerstands. Zehntausende Männer, Frauen und Kinder fielen diesen Verbrechen zum Opfer.
Während der millionenfache Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im Deutschen Reich während des Zweiten Weltkriegs seit Jahren einen wichtigen Aspekt der historiografischen Forschung darstellt, bildet Griechenland hier eine Ausnahme. In der deutschen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Forschungsfeld tauchen griechische Opfer praktisch nicht auf: Das betrifft nicht nur die Deportation griechischer Zwangsarbeiter:innen in den deutschen Machtbereich, sondern auch die Implementierung einer Zwangsarbeitspolitik im besetzten Griechenland selbst. Auch in der griechischen Historiografie ist die Zwangsarbeit als historische Erfahrung der Okkupation weitgehend unerforscht geblieben. Die wichtigsten Haft- und Zwangsarbeitsorte, darunter die Konzentrationslager Chaidari (Athen) und Pavlos Melas (Thessaloniki), sind in Vergessenheit geraten. Genauso unterbelichtet bleibt die Zwangsarbeit der griechischen Juden, aber auch einiger Jüdinnen. Trotz der Etablierung der Holocaust-Studien in Griechenland wird das Thema von der akademischen Forschung kaum beachtet. Selbst die jüdischen Gemeinden verfügen nur über vage Kenntnisse zu den Orten der Zwangsarbeit und den Opfern.
Zwangsarbeit war zentraler Bestandteil der deutschen Besatzungspolitik. Für die jüdische Bevölkerung erfolgte sie unter extremen und grausamen Bedingungen, bei denen auch ihr Tod billigend in Kauf genommen wurde. Die Politik der »Vernichtung durch Arbeit« richtete sich ausschließlich gegen die jüdische Gemeinde von Thessaloniki. Ihre Zwangsrekrutierung begann am 11. Juli 1942 mit der berüchtigten Versammlung auf dem Freiheitsplatz. Dort mussten sich alle jüdischen Männer der Stadt im Alter von 18 bis 45 Jahren, ca. 9.000 Personen, bei glühender Hitze vor der deutschen Ortskommandantur versammeln. Die Wehrmachtssoldaten sowie Kollaborateure demütigten und misshandelten die Männer. Sie wurden registriert und in verschiedene Arbeitskommandos aufgeteilt. Etwa 3.500 von ihnen kamen zur Zwangsarbeit an verschiedene Orte in der Region um Thessaloniki. Nach zweieinhalb Monaten waren mindestens zwölf Prozent der Männer verstorben, weil sie, wie die deutschen Besatzer selbst einräumen mussten, unterernährt und unzureichend gekleidet waren und der Witterung und der harten Arbeit nicht standhalten konnten.
Eine zweite Phase der Zwangsarbeit folgte im März 1943, als die jüdische Bevölkerung von Thessaloniki bereits aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben und in mehreren Ghettos eingesperrt worden war. In diesem Zeitraum sahen sich die Besatzer mit einem ständigen Ausfall der nichtjüdischen Arbeitskräfte in Griechenland konfrontiert. Aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen und niedriger Entlohnung verließen viele ihre Arbeitsplätze und kehrten in ihre Heimatdörfer zurück, passiver Widerstand war weit verbreitet. Der Versuch des deutschen Militärbefehlshabers in Griechenland, am 30. Januar 1943 offiziell eine landesweite Arbeitspflicht für die männliche Bevölkerung zwischen 18 und 50 Jahren einzuführen, war auf heftigen Protest gestoßen, der von Februar bis April 1943 in den großen Städten aufkam und vom organisierten Widerstand, hauptsächlich der linksorientierten Nationalen Befreiungsfront (EAM), geschürt wurde. Die Zwangsarbeitsverordnung wurde daraufhin stillschweigend zurückgezogen. Die Besatzer griffen fortan zunehmend auf »Bandenverdächtige« und »Sühnegefangene« als Arbeitskräfte zurück. Anfang 1943 waren die Juden praktisch die einzigen schnell greifbaren Arbeitskräfte in Griechenland – neben den griechischen Strafgefangenen, den sowjetischen Kriegsgefangenen und ab September 1943 auch den »italienischen Militärinternierten« (»IMIs«).
Als im März 1943 die ersten Deportationszüge Thessaloniki in Richtung Auschwitz verließen, wurden mindestens 1.500 jüdische Männer aussortiert und zu drei neu errichteten Zwangsarbeitslagern in Thiva, Lianokladi und Karya verschleppt. Sie wurden für Bauprojekte an der Hauptbahnstrecke Athen–Thessaloniki eingesetzt, im Abschnitt zwischen Athen und Lamia, also weit von ihrem Heimatort entfernt. 1943 nutzte die Wehrmacht die Hauptstrecke Athen–Thessaloniki–Belgrad bis zur vollen Auslastung für alle militärischen Belange, inklusive der Erschließung und Plünderung griechischer Rohstoffquellen. Um den Eisenbahnbetrieb auf dem gesamten Balkan – mit Blick auf die Nachschubprobleme für die Kriegsführung in Nordafrika – zu verbessern, plante die deutsche Besatzungsmacht groß angelegte Ausbauprojekte an der Eisenbahnstrecke Belgrad–Nis–Skopje–Thessaloniki–Athen. Deren Durchführung oblag der Organisation Todt (OT) unter Mithilfe von privaten deutschen und österreichischen Baufirmen. Die OT, eine paramilitärische Bautruppe, realisierte für die Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche militärische Bauprojekte sowohl in NS-Deutschland als auch in den besetzten Ländern, von Norwegen über Belarus bis Griechenland. Sie setzte dabei Hunderttausende nichtjüdische und jüdische Zwangsarbeiter:innen ein.
In Karya, wo die OT 300 bis 500 Juden zur Arbeit zwang, waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen besonders grausam. Der Bahnhof von Karya befindet sich im Gebirge oberhalb des bedeutenden Rangierbahnhofs von Lianokladi, unweit von Lamia. An diesem Streckenabschnitt wollten die Deutschen ein flach verlaufendes Ausweichgleis maßgeblich verlängern. So sollten auf der eingleisigen Bahnstrecke entgegenkommende Züge passieren und mehr Fahrten gleichzeitig erfolgen bzw. das Anfahren bergauf ermöglicht werden. Dazu musste ein etwa 20 Meter tiefer Einschnitt in 100 Metern Länge in einen felsigen Berghang geschlagen werden, was besonders schwere Felsabtragungsarbeiten erforderte. Im Rahmen einer geoarchäologischen Untersuchung der Universität Osnabrück auf dem Gelände der damaligen Baustelle konnte 2023 bestätigt werden, welche schier unvorstellbare Erdmasse die jüdischen Zwangsarbeiter bewegen mussten.
Die wenigen Überlebenden berichteten übereinstimmend von entsetzlichen Arbeits-, Hygiene- und Schlafbedingungen. Die Männer mussten mit nur einer Stunde Pause täglich zwölf Stunden arbeiten. Sie bekamen Hungerrationen und kaum Wasser. Arbeitskleidung wurde nicht gestellt. Sadistische OT-Vorarbeiter und Aufseher aus Deutschland, Kroatien und Rumänien prügelten auf sie ein. Willkürliche Tötungen waren nicht selten. Anfang August 1943 lösten die Deutschen die Baustelle auf. Sie brachten die erschöpften und abgemagerten, in Lumpen gekleideten Überlebenden zusammen mit denen der anderen Zwangsarbeiter-Baustellen in Mittelgriechenland nach Thessaloniki zurück. Drei Tage später mussten die Männer den letzten Zug nach Auschwitz besteigen. Nach der Ankunft und Selektion wurden insgesamt 271 Männer dieses Transports in das Lager eingewiesen und die anderen in den Gaskammern ermordet. Der Weg der ersten Gruppe führte nach jetzigem Forschungsstand von Auschwitz zum Konzentrationslager Warschau und schließlich zum Konzentrationslager Dachau; nur wenige von ihnen überlebten.
Im Mittelpunkt des Projekts »Karya 1943. Zwangsarbeit und Holocaust« steht der Ort Karya. Die historische Bahnstrecke ist seit 2017 stillgelegt und die ehemalige Bahnstation nicht nur unbekannt, sondern kaum zugänglich. Für das Bildungs- und Ausstellungsprojekt musste der Ort erkundet und aufgearbeitet werden. Dies übernahmen Studierende und Lehrkräfte der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaften der Universität Osnabrück unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Rass. Sie untersuchten im April 2023 im Rahmen einer sogenannten geoarchäologischen Prospektion die frühere Baustelle, um den historischen Ort zu dokumentieren und Spuren der Zwangsarbeit zu finden. Zeitgleich führten die Projektpartner vor Ort eine internationale Jugendbegegnung mit Studierenden aus Thessaloniki und Osnabrück durch. Sie nahmen ebenfalls an der Prospektion teil und zeichneten zudem Interviews mit Nachkommen von Karya-Überlebenden in Thessaloniki und Lamia sowie mit Andreas Assael und Prof. Rass auf.
Im Rahmen der Prospektion wurde nach materiellen Hinterlassenschaften und Gegenständen gesucht, die Hinweise auf die Lebensbedingungen der jüdischen Zwangsarbeiter geben. Die Bodenoberfläche und der Untergrund der historischen Baustelle wurden mit modernen archäologischen Methoden erkundet. Die Universität Osnabrück nutzte dabei hauptsächlich digitale Tools, unter anderem zur Vermessung des Geländes. Teilbereiche wurden geophysikalisch untersucht. Um diese Messungen zu überprüfen, wurden bodenkundliche Bohrungen vorgenommen. Einige markante und wichtige Orte der Baustelle wurden mittels Laserscan vermessen und mit einer Drohne fotografisch dokumentiert.
Die Auswertung der geoarchäologischen Daten und Geländeaufnahmen bestätigt die Erkenntnisse aus Berichten von Überlebenden und historischen Quellen: Die jüdischen Zwangsarbeiter mussten innerhalb weniger Monate ca. 24.000 Kubikmeter Gestein abtragen. Die Recherchen von Andreas Assael hatten ergeben, dass sich nahe des Bahnhofs und der ehemaligen Baustelle ein Massengrab der getöteten jüdischen Zwangsarbeiter befinde; das hatten mehrere Zeitzeugen aus der Gegend angegeben. Dieses Areal wurde genauer untersucht, ohne Belege für eine Grabstätte zu finden. Das heißt aber nicht, dass Ermordete oder Verunglückte nicht an anderer Stelle verschüttet oder verscharrt wurden. Überlebende Zwangsarbeiter berichteten von mehreren Morden. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Ereignisse in Karya zweifelsfrei zu klären.
Die Prospektion war eine wichtige Vorarbeit für die Ausstellung »Karya 1943«, die ebenfalls den historischen Ort und das Schicksal der jüdischen Männer aus dem Ghetto Thessaloniki in den Mittelpunkt stellt. Den Auftakt zur Ausstellung bildet die einzigartige historische Fotosammlung des deutschen Bauingenieurs und OT-Haupttruppführers Hanns Rössler. Ein Faksimile des Originals lädt gleich zu Beginn der Ausstellung auf einem Tisch zum Blättern ein. Erreicht man eine bestimmte Seite im Album, startet automatisch ein Animationsfilm, der zeigt, wie Andreas Assael die Fotosammlung entdeckt hat.
Die ehemalige Bahnstation Karya wird in einer zentralen Medienstation anhand der Prospektionsergebnisse erfahrbar gemacht. Dies erfolgt mittels aufbereiteter Geländeaufnahmen und 3D-Modellen, die die Universität Osnabrück erstellt hat. Zahlreiche Fotos vom Gelände wurden aus derselben Perspektive gemacht wie die historischen Aufnahmen des deutschen Ingenieurs (»Re-Photography«). Legt man die modernen und die historischen Fotografien übereinander, können heutiger und damaliger Zustand des Ortes genau verglichen werden. In der Medienstation wird auch die Fotosammlung digital präsentiert und um relevante Informationen sowie Interviewausschnitte mit jüdischen Überlebenden ergänzt.
Wichtiger Bestandteil der Ausstellung sind die insgesamt acht Biografien von jüdischen Zwangsarbeitern, die durch Flucht überlebten oder auf der Baustelle bzw. später im Vernichtungslager ermordet wurden. Ihre Geschichten werden in würdevoller Form auf vertikalen Aufstellern präsentiert. Via QR-Code können Auszüge aus Videointerviews aufgerufen werden.
Die Ausstellungsarchitektur besteht aus raumfüllenden Gebilden (Polygone) als abstrahierte Landschaft, die in ihrer Gestaltung einen Bezug zur Karya-Baustelle in den Bergen Mittelgriechenlands herstellen. Die verschiedenen Kontextthemen sind auf die sechs Baukörper verteilt: die Fotosammlung, der historische Kontext (deutsche Besatzung in Griechenland, Holocaust und jüdische Zwangsarbeit), die Baustelle von Karya sowie die Nachkriegszeit mit Fokus auf die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit in Griechenland und Deutschland.
Die Gestaltung der Ausstellung verfolgt das Ziel, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Dabei sind die mediale Aufbereitung und die digitalen Erweiterungen hervorzuheben: Eine Website stellt weiterführende Informationen bereit, die in der Ausstellung via QR-Code angesteuert werden können. Animierte Zeichnungen und Illustrationen (Graphic Strips) visualisieren zum Beispiel historische Ereignisse und Gegebenheiten, zu denen es kein historisches Bildmaterial gibt. In Interviews berichten ehemalige jüdische Zwangsarbeiter von ihren Erfahrungen. Partizipative Elemente runden die Präsentation ab, so werden im »Nachkriegskapitel« Fragen zu Karya als Erinnerungsort gestellt: Der Tatort ist weit abgelegen und heute nahezu unzugänglich. Wie kann hier eine gemeinsame Erinnerung gelingen? Wie könnte ein Erinnerungszeichen oder Denkmal aussehen? Wo könnte ein Erinnerungsort entstehen? Die Besucher:innen können Antworten oder Vorschläge direkt in der Ausstellung artikulieren. Ein weiteres partizipatives Element mit der Aufforderung »Deine Meinung! Deine Stimme! Deine Message!« animiert die Besucher:innen, ihre Eindrücke zur Geschichte Karyas vor Ort niederzuschreiben.
Bildungsarbeit ist ein zentraler Bestandteil des Projekts. Im Rahmen einer Kooperation mit der Staatlichen Europaschule Berlin für Neugriechisch – Gymnasium Steglitz fand das Projektthema Eingang in die schulische Vermittlungsarbeit, wobei Schüler:innen mit Migrationsgeschichte und Schüler:innen mit neugriechischen Sprachkompetenzen involviert waren. Die Website karya1943.eu ergänzt die Ausstellung insbesondere um Bildungsmaterialien und Lernmodule. Die Homepage befindet sich derzeit im Aufbau und soll im November in den Sprachen Deutsch, Englisch und Griechisch gelauncht werden. Zentral ist dabei die Auseinandersetzung mit Biografien und Interviews (Oral History). Neben diesem Forschenden Lernen gibt es Lernformate, die zur Weiterarbeit mit kreativen Ansätzen anregen, etwa zum Entwerfen von Denkmälern oder Comicstrips. Die Auseinandersetzung mit ausgewählten Fotos wird ebenfalls eingebunden (Fotoanalyse, Quellenkritik).
Die Ausstellung und die begleitenden Projekte zeigen bisher kaum wahrgenommene Aspekte der Geschichte der deutschen Besatzungsherrschaft, der Zwangsarbeit und des Holocaust in Griechenland. Überdies ist es die erste Ausstellung zu diesem Thema, die von griechischen und deutschen Partnerorganisationen gemeinsam erarbeitet wurde. Sie wird gleichzeitig in zwei identischen Versionen in Deutschland und Griechenland gezeigt. Die Wanderausstellung (Platzbedarf mindestens 100 m2) kann beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit entliehen werden.
Kontakt Iris Hax: hax@topographie.de
Dr. habil. Iason Chandrinos: Ausstellungskurator und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Dozent an der Universität Regensburg.
Iris Hax: Ausstellungskuratorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit.
Dr. Roland Borchers: wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit.