Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt

Über die aktuelle Sonderausstellung im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors
03/2025Gedenkstättenrundbrief 217, S. 38-49
Johanna Wensch

Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt 

Über die aktuelle Sonderausstellung im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors

 

Reinhard Heydrich war einer der mächtigsten Männer im nationalsozialistischen Terrorapparat. Sein Dienstsitz befand sich seit 1934 im Zentrum von Berlin auf dem heutigen Gelände des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors. Dort wird seit September 2024 eine Sonderausstellung gezeigt, in deren Mittelpunkt Reinhard Heydrich steht. 

Das Gelände, auf dem das Dokumentationszentrum liegt, ist ein ehemaliger Täterort. Zwischen 1933 und 1945 waren hier die wichtigsten Zentralen des Überwachungs- und Verfolgungsapparats von SS und Polizei ansässig: das Geheime Staatspolizeiamt, die Reichsführung-SS, der Sicherheitsdienst der SS (SD) und während des Zweiten Weltkriegs zudem das Reichssicherheitshauptamt. Von hier aus wurden zahllose Verbrechen geplant und gesteuert. Über diese Zentralen des NS-Terrors und die europäische Dimension ihrer Verbrechen informiert die Dauerausstellung des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors. 

 

Das Ausstellungsthema

Mit Reinhard Heydrich rückt das Dokumentationszentrum erstmals eine einzelne Person aus der Führungsriege von SS und Polizei in den Fokus einer eigenen Sonderausstellung: Wer war Reinhard Heydrich und wie verlief seine Karriere im NS-Staat? Wie kam er in Kontakt mit NSDAP und SS? Was hatte ihn in seinen frühen Jahren geprägt und welche persönlichen Voraussetzungen bedingten seinen steilen Aufstieg in der SS? Welche Personen und Strukturen beförderten seine Karriere? Wie agierte er, welche Netzwerke baute er auf und welche Personalpolitik betrieb er? Welche Rolle hatte Heydrich beim Ausbau des Sicherheitsdiensts der SS und des nationalsozialistischen Polizeiapparats, die schließlich in großen Teilen Europas Terror und Gewalt ausübten? Und was waren die Folgen seiner verbrecherischen Befehle für die Betroffenen der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik? Welche Bilder und Vorstellungen von seiner Person existierten und existieren teils bis heute, und welche Ursachen gibt es hierfür? Diesen Fragen geht die Sonderausstellung »Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt« nach. Ihr Fokus geht dabei über eine biografische Fragestellung weit hinaus: Mit der Karriere Heydrichs wird in der Ausstellung die Entwicklung und Funktionsweise des NS-Terrorapparats als Ganzes deutlich gemacht. 

 

Wer war Reinhard Heydrich?

1904 in Halle an der Saale geboren, gehört Heydrich zur »Kriegsjugendgeneration«. Katholisch getauft, wuchs er in einem bürgerlichen und nationalkonservativen Umfeld auf. Nach Ende des Ersten Weltkriegs engagierte er sich während der Niederschlagung der Rätebewegung in Halle als 15-jähriger Gymnasiast in einer Bürgermiliz. In den 1920er-Jahren geriet die private Musikhochschule seines Vaters in finanzielle Schwierigkeiten, die Familie Heydrich erlebte einen wirtschaftlichen und sozialen Abstieg. Entgegen der Familientradition wurde Reinhard Heydrich nicht Musiker, sondern strebte eine militärische Laufbahn als Marineoffizier an. Die Seestreitkräfte boten bereits seit der Wilhelminischen Ära Bürgersöhnen Aufstiegsmöglichkeiten im Militär, pflegten aber auch besonders rigorose Verhaltensregeln und Riten. Ende 1930 lernte Heydrich in Kiel Lina von Osten kennen und verlobte sich mit ihr nach wenigen Wochen. Da Heydrich angeblich auch einer anderen Frau die Ehe versprochen hatte, musste er sich vor einem Ehrengericht der Marine verantworten. Sein Verhalten vor diesem Gericht führte im April 1931 zu seinem Ausschluss aus der Marine. Diese Entlassung bedeutete für ihn nicht nur das Scheitern bisheriger Lebenspläne und persönliche Schmach, sondern brachte ihn während der Weltwirtschaftskrise auch in unmittelbare existenzielle Nöte. 

Über seine spätere Ehefrau Lina von Osten, eine glühende Nationalsozialistin, kam Heydrich

in Kontakt mit der NSDAP. Im Sommer 1931 wurde er Partei- und SS-Mitglied. Der Sohn seiner Patentante, selbst SS-Mitglied, vermittelte ihm kurz darauf ein Vorstellungsgespräch bei Heinrich Himmler, dem Reichsführer-SS. Himmler hielt Heydrich fälschlicherweise für einen ausgebildeten Nachrichtenoffizier und betraute ihn mit dem Aufbau eines parteiinternen Nachrichtendiensts, dem späteren Sicherheitsdienst der SS (SD). Für Heydrich eröffnete sich eine neue berufliche Perspektive, wenn auch nicht mehr beim Militär, so doch in einem militärisch organisierten und uniformierten Verband. 

Die Karriere Heydrichs in NSDAP und SS begann 1931 also vergleichsweise spät – und sie vollzog sich in mehreren Sprüngen. Entscheidend für seine Karriere war die stete Förderung durch Heinrich Himmler, der ihm in der SS eine zweite berufliche Chance geboten hatte und dadurch einen äußerst loyalen und ehrgeizigen Mitarbeiter gewonnen hatte. Nach der Machtübernahme stieg Heydrich unter Himmler schrittweise zum wichtigsten Mann im Überwachungs- und Verfolgungsapparat von SS und Polizei auf. Seit 1934 Leiter der preußischen Geheimen Staatspolizei, wurde Heydrich 1936 zum Chef des »Hauptamts Sicherheits­polizei«, in dem Kriminalpolizei und Gestapo zusammengefasst wurden. 

Kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde Heydrich im September 1939 mit gerade einmal 35 Jahren Leiter des neu geschaffenen Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Das RSHA errichtete überall im deutsch besetzten Europa Dienststellen, die der Herrschafts­sicherung und der Umsetzung der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik dienten. Zwischen 1939 und 1942 war Heydrich als Chef des Reichssicherheitshauptamts und dessen Einsatzgruppen sowie als Organisator der »Endlösung der Judenfrage« einer der Hauptverantwortlichen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Im Herbst 1941 machte Adolf Hitler Heydrich zusätzlich zu seinen bisherigen Ämtern zum »Stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren«. Heydrichs Hauptaufgabe war die Bekämpfung des Widerstandes in dem deutsch besetzten Teil der ehemaligen Tschechoslowakei. Im Juni 1942 starb er an den Folgen eines Attentats tschechoslowakischer Widerstandskämpfer in Prag. Die National­sozialisten rächten Heydrichs Tod im »Protektorat« auf äußerst brutale Weise und sie feierten ihn posthum als »Märtyrer« und vorbildhaften SS-Führer. Nach seinem Tod verbreiteten sich Bilder und Vorstellungen von Heydrich, die ihren Ursprung in der nationalsozialistischen Propaganda haben, nach 1945 fortgeschrieben oder umgedeutet wurden und teils noch heute, beispielsweise in rechtsextremen Kreisen, wirkmächtig sind. 

 

Ausstellungkonzept und zentrale narrative Elemente

Mitte 2022 hat das Ausstellungsteam (Projektleitung: Dr. Andrea Riedle / Johanna Wensch; KuratorInnen: Dr. Alfons Adam, Andreas Mix, Jonathan Welker, Johanna Wensch) seine Arbeit am Konzept und an der Realisierung der Ausstellung über Reinhard Heydrich begonnen. Prof. Dr. Robert Gerwarth, Dr. Radka Šustrová und Prof. em. Dr. Michael Wildt waren beratend an der Konzeptentwicklung beteiligt. Die größten Herausforderungen, vor denen das Team stand, waren Fragen des Austarierens von biografischem Zugriff und Strukturgeschichte sowie der thematischen Eingrenzung angesichts der mit Heydrich verknüpften äußerst vielschichtigen Institutionen-, Gewalt- und Rezeptionsgeschichte.

Das vom Ausstellungsteam entwickelte Konzept verknüpft die biografische Betrachtung Heydrichs eng mit einer Darstellung der Geschichte der zentralen Institutionen des NS-Terrorapparats. Um das komplexe Institutionengeflecht von SS und Polizei und dessen hoch dynamische Entwicklung für die Besucherinnen und Besucher begreiflich zu machen, hat sich das Ausstellungsteam entschieden, hierfür bewegte Bilder zu nutzen. So wurden für die Ausstellung vier grafisch animierte kurze Erklärfilme konzipiert und realisiert. Mittels ihrer visuell eingängigen, leicht verständlichen Bildsprache, kombiniert mit Sprecherton und Untertiteln, vermitteln die Filme einen Überblick über Aufgaben und Entwicklung der NS-Terrorinstitutionen sowie die damit eng verbundenen Karriereschritte Heydrichs in vier Zeitphasen (1931–1934, 1934–1939, 1939–1942 und 1941–1942). Im Anschluss an den Erklärfilm konzentriert sich die weitere Erzählung des jeweiligen Ausstellungskapitels auf Fallgeschichten, die das Agieren Heydrichs in diesem zeitlichen wie thematischen Kontext deutlich werden lassen. 

Heydrich agierte selbstverständlich nicht allein, sondern in einem Personengefüge. Er hatte Förderer und Konkurrenten, und er brauchte Mitarbeiter, die ihm zuarbeiteten oder seine Mord-Befehle umsetzten. Um dieses Gefüge in der Ausstellung begreif- und sichtbar zu machen, wurde das inhaltliche wie gestalterische Sonderelement der »Begleitbiografien« (so der interne Arbeitsbegriff des Ausstellungsteams) entwickelt, das eingeschoben in die Haupterzählung zu Heydrich die Aufmerksamkeit exemplarisch auf einzelne Personen aus seinem Umfeld lenkt. So werden unter anderem Werner Best, Adolf Eichmann oder Wilhelm Canaris vorgestellt, aber auch weniger bekannte Figuren wie Eduard Strauch oder Horst Böhme. Die Erzählung zu diesen Personen beschränkt sich auf eine kurze, pointierte Geschichte der Beziehung zu Heydrich, auch wenn es zu jedem Einzelnen zweifellos viel mehr zu sagen gäbe. Heinrich Himmler nimmt in Heydrichs Netzwerk eine Sonderposition ein. Da ihm als dem Förderer die entscheidende Schlüsselrolle für Heydrichs steilen Aufstieg zukommt, widmet die Ausstellung Himmler im ersten Hauptkapitel der Ausstellung größere Aufmerksamkeit in einem eigenen Unterkapitel.

Reinhard Heydrich kumulierte im Laufe seiner Karriere Leitungsfunktionen in den zentralen nationalsozialistischen Überwachungs- und Verfolgungsinstanzen. Er trug somit Verantwortung für zahllose Verbrechen, die er organisierte und befehligte, und die Mitarbeiter der von ihm geleiteten Dienststellen verübten. Neben der Frage, wie Heydrichs Karriere verlief, stand bei der Entwicklung des Ausstellungsnarrativs daher die Darstellung seiner Rolle als einer der NS-Haupttäter im Mittelpunkt. Da bei der Vielzahl der Verbrechenskomplexe, in die er involviert war, nur exemplarisch gearbeitet werden konnte, wurde ein Schwerpunkt auf die antijüdische Verfolgungspolitik gelegt. Hier treten Heydrichs Rolle und Agieren besonders klar hervor: Die Schlüsselposition, die er schließlich als Beauftragter der »Endlösung der Judenfrage« bei der Planung und Organisation der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden einnahm, hatte er über Jahre Schritt für Schritt an sich gezogen, indem er sich immer wieder als kühler Analytiker und geschickter Organisator hervortat.   

Bei der Konzeptentwicklung war es für das Team maßgeblich, trotz der thematischen Fokussierung der Ausstellung auf einen Täter regelmäßig einen Wechsel der Perspektive hin zu dessen Opfern vorzunehmen. Daher werden in der Haupterzählung der Ausstellung immer wieder biografische Erzählungen zu Betroffenen der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik hervorgehoben, die den Blick auf die konkreten Auswirkungen des Täterhandelns lenken. 

 

Inhaltlicher Aufbau, Gestaltung und Exponate

Die Ausstellung ist weitgehend chronologisch aufgebaut und folgt dem Lebensweg Reinhard Heydrichs. Die vier zentralen Kapitel konzentrieren sich auf seine verschiedenen Karrierestationen: Seine beruflichen Anfänge bei der SS in München, sein schrittweiser Aufstieg nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Berlin zum Chef der Sicherheitspolizei, seine Rolle als Leiter des Reichssicherheitshauptamts im deutsch besetzten Europa und schließlich seine Funktion als »Stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren«. Diesen vier Kapiteln vor- und nachgestellt sind eine Vorgeschichte über Herkunft und frühe Prägungen Heydrichs sowie eine Nachgeschichte, die unmittelbar nach seinem Tod 1942 beginnt und bis in die Gegenwart geführt wird. Der Kern der Ausstellung wird von zwei Exkursen flankiert, deren Inhalte bewusst nicht in die chronologische Erzählung eingefügt wurden. Sie befassen sich mit Aspekten, die jenseits von den karrierestützenden Strukturen und Personen weitere Antriebskräfte des Aufstiegs von Heydrich waren: der soziale und ökonomische Profit, den Heydrich und auch seine Ehefrau aus seiner Karriere als SS-Führer zogen, und Heydrichs Selbstverständnis und öffentliche Inszenierung als »idealer« SS-Mann. 

Das Berliner Gestaltungsbüro gewerkdesign hat die Ausstellungsinhalte in eine klar gegliederte räumliche Struktur übersetzt. In der Mitte des Sonderausstellungsraums des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors stehen schräg versetzt zu den umgebenden Wänden die vier großen Hauptkapitel. Ihre zentrale Bedeutung wird durch den Einsatz von Leuchtkästen als Gestaltungsträger hervorgehoben. Die vier Erklärfilme dienen in den Hauptkapiteln jeweils als Startpunkt und bieten klare Orientierungspunkte für den Rundgang durch die Ausstellung. An den vier Seiten des Sonderausstellungsraumes platziert, umfassen das Auftaktkapitel, die beiden Exkurse und die Nachgeschichte den Kern der Ausstellung. 

Teil der Gestaltungsaufgabe von gewerkdesign war es, für den Ausstellungsbau möglichst bereits vorhandene Materialien und Medientechnik wiederzuverwenden. Als Grundgerüst kam so erneut das altbewährte Gestellsystem des Dokumentationszentrums zum Einsatz. Die darauf montierten Trägerplatten entstammen zu großen Teilen der letzten eigenen Sonderausstellung der »Topographie des Terrors«. Die vier Großbildschirme, auf denen die Erklärfilme laufen, stellte das Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen aus einer früheren Ausstellung zur Weiterverwendung zur Verfügung. Damit hat das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors Wege einer ressourcenschonenden Ausstellungsrealisierung erprobt, die aus Gründen der Nachhaltigkeit, aber auch angesichts der finanziellen Perspektiven immer wichtiger wird.

In der Ausstellung »Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt« werden knapp 300 Exponate aus über 70 Archiven sowie öffentlichen und privaten Sammlungen präsentiert, darunter vorrangig Reproduktionen von Schriftstücken und Fotografien sowie historische Film- und Tonaufnahmen. Es sind auch einige bislang weitgehend unbekannte oder gänzlich unveröffentlichte Fotografien zu sehen, wie die Aufnahmen von der Ausbildung von Einsatzgruppen-Mitgliedern vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, von einer Inspektionsreise Heydrichs zu Einsatzgruppen in Polen sowie von gefangenen Jüdinnen und Juden in der Festungsanlage von Kaunas kurz vor ihrer Ermordung durch die Einsatzgruppe A. Darüber hinaus werden zahlreiche Fotografien und Filme aus der Zeit des »Protektorats Böhmen und Mähren« präsentiert, die in Deutschland in Ausstellungen bisher noch nicht zu sehen waren. Ihr Einsatz in der Ausstellung macht deutlich, wie Heydrich ab Herbst 1941 im »Protektorat« erstmals in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung rückte und sich dort als machtvoller Herrscher inszenierte.

Von Reinhard Heydrich sind kaum Ego-Dokumente überliefert. Eine Annäherung an sein Denken und Handeln bietet vorrangig dienstliches Schriftgut, seien es interne Stellungnahmen, Protokolle von Sitzungen, an denen Heydrich teilnahm, die von ihm ausgegebenen Befehle oder auch die wenigen programmatischen Schriften, die er veröffentlicht hat. Diese Quellenlage spiegelt sich in der Ausstellung wider, die Schriftdokumente als zentrale Exponate präsentiert. Einzelne Dokumente, meist mehrseitige Schriftstücke, wurden in Gänze als Drucke reproduziert und können von den Besucherinnen und Besuchern selbst durchgeblättert werden. Schriftdokumente sind sperrige und visuell wenig attraktive Exponate, die sich nur mit einem gewissen Eigenaufwand und Interesse erschließen. Daher arbeitet die Ausstellung mit diversen Erschließungshilfen, die Aufmerksamkeit für diese Exponate wecken sollen. Dazu dienen prägnante, wenige Worte umfassende Auszüge aus dem jeweiligen Schriftstück, die über der zugehörigen Exponatbeschriftung platziert sind und die als »Teaser« Neugier auf den Inhalt wecken sollen. Bei einigen der ausgestellten Dokumente wurden Textstellen grafisch hervorgehoben und mit Erläuterungen versehen, um beispielsweise Tätersprache zu dechiffrieren, Kürzel zu erklären oder im Dokument Enthaltenes zu kontextualisieren. Eine solche Hervorhebung und Aufschlüsselung von Details erfolgt auch bei einigen der ausgestellten Fotos und insbesondere bei einem Ölbild von Heydrich aus dem Jahr 1941, das im Exkurs »Selbstverständnis und Inszenierung« unter der Überschrift »SS-Funktionär, Soldat, Sportler. Eine Inszenierung in Öl« gezeigt wird. 

Die sechs Stationen des Schlusskapitels, die sich mit dem »Nachleben« Heydrichs befassen, konzentrieren sich jeweils auf ein einziges Exponat. Schlaglichtartig wird mit ihnen das breite Spektrum der Heydrich-Rezeption und der Verbreitung unterschiedlicher Vorstellungen und Bilder beleuchtet. Gezeigt werden Filmaufnahmen des pompösen Staatsakts für Heydrich im Juni 1942, ein 100er-Bogen der Sonderbriefmarke, die zu seinem ersten Todestag im »Protektorat« aufgelegt wurde, ein SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1950, der exemplarisch für etliche Nachkriegsveröffentlichungen ehemaliger Mitarbeiter Heydrichs steht, ein Fernseh-Interview der Witwe Heydrichs aus den 1970er-Jahren, in dem sie Heydrich und ihre eigene Rolle in der NS-Zeit idealisiert und banalisiert, das Cover einer verbotenen Rechtsrock-Band mit Heydrich-Konterfei aus dem Jahr 1997 und Ausschnitte aus Spielfilmen mit unterschiedlichen Heydrich-Darstellungen. Am Ende dieses Kapitels treffen die Besucherinnen und Besucher schließlich auf ein Originalobjekt aus der Jetztzeit: ein in Tschechien vertriebenes T-Shirt mit einer Comic-Szene, die das Attentat auf Reinhard Heydrich wiedergibt. Als Akt des Widerstandes und der Selbstbehauptung gilt das erfolgreiche Attentat in der Tschechischen Republik als zentrales nationales Ereignis. Neben staatlichem Gedenken trägt vor allem die Populärkultur dazu bei, die Erinnerung daran wachzuhalten. Für die vielgestaltige Präsenz des Heydrich-Attentats in der tschechischen Erinnerungskultur steht exemplarisch das T-Shirt mit der ironisch-triumphierenden Aufschrift »Czechoslovaks got him!«.

Zur Ausstellung »Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt« ist ein zweisprachiger Katalog (Deutsch/Englisch) erschienen, der – mit Ausnahme der jedoch zumindest auszugsweise abgebildeten Filmaufnahmen und zugehöriger Texte – alle Ausstellungsexponate und -texte wiedergibt. Die für die Ausstellung essenziellen Erklärfilme können über im Katalog abgedruckte QR-Codes auf der Homepage der Stiftung Topographie des Terrors abgerufen werden.

Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Juni 2025 im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors zu sehen. Ihre Präsentation an weiteren Orten ist in Planung. Institutionen, die die Ausstellung in ihrem Haus zeigen möchten, stellt die Stiftung Topographie des Terrors gerne Informationen zu den Leihbedingungen und technischen Voraussetzungen zur Verfügung. 

 

Johanna Wensch ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors.